Heute springen sie mal über den großen Teich und ein bisschen auch über die menschliche Vorstellungskraft hinaus. Die Mitglieder der Kinderradiogruppe Osdorf, die im Bürgerhaus Bornheide im Hamburger Westen sitzen, haben Timothy Ferris online zugeschaltet. Er hat an der Zusammenstellung der sogenannten „Goldenen Schallplatte“ mitgewirkt, die sich auf einer der Voyager-Sonden befindet – der von Menschen gemachte Gegenstand, der sich mittlerweile am weitesten von der Erde entfernt hat. Das zeigt, was für weite Kreise es ziehen kann, wenn man mit Kindern und Jugendlichen Podcasts und Radiosendungen produziert.
Neben Medienarbeit und Vermittlung von Medienkompetenz ist es immer auch ein Blick über den Tellerrand, der die Perspektive weitet. Lena Rackwitz, langjähriges Mitglied der Kinderradiogruppe und mittlerweile Studentin, fasst es treffend zusammen: „Ich habe mir auch ganz viel Wissen angeeignet, weil wir einfach super viele verschiedene Themen in unseren Sendungen hatten und viele interessante Leute interviewt haben, die alle Spannendes zu erzählen hatten.“
Mit dem Mikro Hierarchien auflösen
Kinder und Jugendliche beschäftigen sich bei den Ohrlotsen unter Anleitung von Medienpädagog*innen mit allen möglichen Audioformaten, produzieren Podcast-Episoden mit inhaltlich-journalistischer Ausrichtung, selbst geschriebene Hörspiele im kreativ-ästhetischen Segment und ganze Radiosendungen. Dabei erlernen sie nicht nur das Rüstzeug, um mit Audiorekordern beispielsweise Umfragen auf der Straße einzufangen, sondern erwerben auch ein Gefühl für die inhaltliche und technische Qualität von Audios.
Es ist ein Mix aus Medienkompetenzförderung, Wissensvermittlung, Zuhörkompetenzförderung und manchmal auch ein wenig Sozialarbeit, den die Medienpädagog*innen der Ohrlotsen leisten. Immer mit Blick auf die Selbstwirksamkeit der jungen Teilnehmer*innen. Was diese selber schaffen können, sollen sie selber machen. Dabei stellen sie oft fest, dass sich ein hierarchisches Gefälle zwischen ihnen und den Erwachsenen nahezu aufhebt, wenn ein Mikrofon ins Spiel kommt.
Auf Sendung im TIDE Radio
Die Ohrlotsen, eine Initiative des Stadtteil- und Kulturzentrums MOTTE e.V., begleiten mit Reporter-Kindern kulturelle Veranstaltungen medial, beispielsweise das Kindermusikfestival „klangfest“ in der Kulturfabrik Kampnagel und das „MICHEL Kinder und Jugend Filmfest“. Immer wieder suchen auch Hamburger Schulen den Kontakt. An der Grundschule Vizelinstraße haben sich 5. und 6. Klassen gerade mit dem Thema Ohren und Hören auseinandergesetzt. Zum Abschluss der Projektzeit haben sie dann von den Ohrlotsen gelernt, welche Möglichkeiten das Medium Audio bereithält und wie man das Erlernte in stimmige Podcast-Episoden verpacken kann. So entstanden Umfragen, eine Soundcollage typischer Hamburger Geräusche und Expert*innen-Interviews. Mit einem Podcaster vom NDR zum Thema Akustik und einem HNO-Arzt dazu, wie das Ohr funktioniert.
Solch selbst produzierte Beiträge werden bei TIDE.radio gesendet, dem Hamburger Bürger*innen- und Ausbildungskanal, auf dem auch die Kinderradiogruppe Osdorf regelmäßig live on air geht. Und sie werden über den Ohrlotsen-Podcast-Kanal veröffentlicht, auf dem auch die Episoden der Grundschule Vizelinstraße gelandet sind, die so die gesamte Schulöffentlichkeit erreicht haben. Manchmal ziehen die Produktionen sogar noch weitere Kreise: Die Schulleiterin der Schule hat gerade eine neue Lehrkraft eingestellt, die sich unter anderem wegen der Podcast-Projekte genau dort beworben hatte.
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 2/2023 Audio