Am 22. März 2020 stellte der erste bundesweite Corona-Lockdown nicht nur jeden einzelnen, sondern gerade auch soziokulturelle Zentren vor ganz neue Herausforderungen. Für den Kutscherhaus-Verein im saarländischen Neunkirchen stand noch am gleichen Abend fest: Wir brauchen neue Ideen, um die Menschen in unserem Quartier nicht allein zu lassen.
Herausforderung angenommen
In Rekordzeit haben wir digitale Formate geschaffen. Alle Angebote waren in eine umfassende Digitalstrategie eingebettet, mit unserem Social-Media-Account bei Facebook als zentralem Marketingkanal und YouTube als zentraler Plattform für unsere neu geschaffenen Filmreihen, angefangen von Gute-Nacht-Geschichten über Bastelvideos, Tanz-Workouts und Gesangsübungen bis hin zu Koch- und DIY-Videos dreier Jugendlicher. Die YouTube-Reihen wurden zum Teil auf Deutsch und Arabisch oder mit Untertiteln angeboten.
Audio-Formate für das Quartier
Daneben war es uns wichtig, auch ein Audio-Format zu etablieren, das den Fokus auf jene Menschen legt, die in unserem Quartier leben. In unserem Podcast „Eine Runde Neunkirchen“ stellen wir Menschen vor, die tolle Projekte oder Ideen umsetzen, bisher aber wenig Sichtbarkeit erhalten. Besonderes Augenmerk liegt darauf, Alltagssituationen und Lebensrealitäten von Personen aus unterschiedlichen Altersgruppen, Kulturkreisen und Communities abzubilden, um so möglichst viele Zielgruppen zu erreichen und den Austausch zwischen den Bewohner*innen unserer Stadt zu fördern. Zu unseren Podcast-Gästen zählten bisher Engagierte aus Bürgerinitiativen, Künstler*innen, Kinder einer „Brennpunktschule“, ein Senioren-Ehepaar, arabische Jugendliche sowie die Leiterin eines Hospizes, die allesamt von ihrer Lebenswelt berichten.
„THE BIG 6" - Podcast an der Schule
Schließlich entstand aus dem Format „Eine Runde Neunkirchen“ auch eine Podcast-AG an einer Gemeinschaftsschule – und zwar auf Nachfrage des Schulleiters, außerschulisch eine Art digitale Schülerzeitung aufzusetzen, um Neuigkeiten aus der Schule sowie spannende Persönlichkeiten vorzustellen. Die AG wurde von einer Lehrerin vor Ort geleitet und vonseiten des Kutscherhauses durch eine Social-Media-Expertin begleitet. Diese vermittelte den Schüler*innen das Know-how wie Aufnahme und Schnitt. Ziel war, die AG nach und nach in die Selbstverwaltung zu überführen. Bereits zu Beginn brachten sich die Schüler*innen engagiert ein und entwickelten ihr eigenes Format. Sie wollten den Podcast als Gesprächsplattform nutzen, um sich über Themen auszutauschen, die sie bewegen – dazu gehörten zum Beispiel Religionen, Migration, Homophobie. „THE BIG 6“ nehmen nach wie vor neue Folgen auf.
Die Hörer*innenzahlen variieren je nach Thema und Gast im dreistelligen Bereich. Durch die Podcasts können sich Bürger*innen vor Ort einen Eindruck davon verschaffen, was in ihrer Stadt vor sich geht, wer die Nachbar*innen sind und wie diese in Neunkirchen leben. Immer wieder erhalten wir interessiertes Feedback und Anfragen dazu, wie man selbst an den Audioformaten teilhaben könne. Und auch wenn mittlerweile wieder Präsenzformate möglich sind, laufen unsere Podcast-Projekte weiter – allerdings in größeren zeitlichen Abständen.
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 2/2023 Audio