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10.10.2023

#STRATEGIEN, Aktuelles, Magazin SOZIOkultur, Porträt, Streifzüge durch die Soziokultur, UTOPOLIS

Das Kunst- und Kulturzentrum exSultanmarkt in Flensburg

Gelebte Vielfalt

Von: Inken Kiupel

Im Flensburger Norden findet seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Metamorphose statt. Der leer stehende Sultanmarkt wandelte sich zu einem lebendigen interkulturellen Ort für Kunst, Kultur und Bildung – dem ex-Sultanmarkt. Das Projekt läuft bestens und hat sich auch über das Quartier hinaus einen Namen gemacht. Nun gilt es, das Erreichte zu verstetigen. Obwohl die Förderung in diesem Jahr endet.

Der ex­Sultanmarkt ist mitten in der Pandemie gestartet. Während also Lockdown und Kontaktregulierungen den Alltag prägten, streckte der Verein Kunst und Kul­tur Baustelle 8001, der hinter dem Kulturzentrum steht, seine Fühler ins Viertel aus. Eine Sitzbank vor dem 250 Quadratmeter großen ehemaligen Ladenlokal half dabei, mit den Menschen im Stadtteil ins Gespräch zu kommen. Bei diesen „Bankgesprächen“ ging es darum, ins Viertel hineinzuhorchen, Anwohner*innen zu beraten und sie gerade in ihren kulturellen Anliegen zu unterstützen.

Wichtig in der Vernetzungsarbeit: da sein und bleiben

Im Flensburger Norden gab es bereits viele interkulturelle Kulturvereine und Initiativen, mit der Zeit entstand ein guter Kontakt zu ihnen. „Wichtig bei dieser Vernetzungsarbeit war, dass wir einfach da waren und sind: Jeden Montag stehen unsere Türen offen, jede und jeder kann vorbeikommen – einfach nur so, oder um ein Anliegen mit uns zu besprechen“, sagt Gizem Yüce, Administratorin für Schüler*innen-Workshops.

Eine Sitzbank vor dem ehemaligen Ladenlokal half dabei, mit den Menschen im Stadtteil ins Gespräch zu kommen.

Der Flensburger Norden ist ein junges, migrantisch geprägtes Viertel, dementsprechend vielfältig ist das Stadtteilprojekt aufgestellt. Seit 2021 finden regelmäßig Kulturveranstaltungen statt, organisiert vom Verein 8001 in Kooperation mit lokalen Initiativen und Vereinen. „Der exSultanmarkt ist ein Freiraum, der vom Stadtteil bespielt wird. Wir unterstützen, wenn das nötig ist, aber eigentlich geht es darum, die Menschen des Viertels zu empowern, um diesen Raum in Eigenregie und mit ihren eigenen Projekten zu bespielen“, so Vereinsvorsitzender Lothar Baur. Das Programm ist vielseitig: Von einem großen Zuckerfest über eine arabische Buchmesse, die im Juli 2023 bereits zum dritten Mal stattfand, bis zu Ausstellungen und Konzerten ist für alle etwas dabei. „Wir verstehen Kultur als verbindendes Element. Mit unserem Programm wirken wir mit künstlerischen Mitteln in den Stadtteil hinein. Die meisten Künstler*innen kommen übrigens auch aus der Flensburger Nordstadt“, sagt Gizem Yüce.

Künftig soll der ex­Sultanmarkt noch stärker in Selbstverwaltung agieren. Dazu wurde ein Kulturrat aus den Vertreter*innen der Initiativen und Vereine gegründet. Als Brückenbauer und offenes Netzwerk verbindet es die verschiedenen Kulturen, Akteur*innen und Kunstformen.

Begegnungen schaffen ist das Ziel

„Bei der Programmarbeit haben wir uns darauf verständigt, dass jedes künstlerische Format – ganz gleich, ob Ausstellung, Konzert oder Lesung – mit einem Format für Begegnungen verknüpft sein soll. Wir sind gespannt, welche neuen Ideen auf diese Art und Weise entstehen“, sagt Kirsten Piper, stellvertretende Vorsitzende des Vereins und Projektleiterin des Kulturrats.

Es geht darum, die Menschen zu empowern, diesen Raum in Eigenregie und mit ihren eigenen Projekten zu bespielen.

250 Veranstaltungen haben im ex­Sultanmarkt bereits stattgefunden, von Workshops mit fünf Teilnehmenden bis hin zu Festen mit 1000 Menschen. Doch jetzt droht die Finanzierung des Projekts abzureißen: Die Förderung aus Mitteln des Programms „UTOPOLIS – Soziokultur im Quartier“ endet im September 2023. Doch der 8001 e.V. zeigt sich kämpferisch: „Wir haben so viel erreicht, hier im Stadtteil und darüber hinaus, das können und wollen wir nicht aufgeben“, unterstreicht Lothar Baur. Deshalb habe man eine Strukturförderung beim Land Schleswig-Holstein beantragt und eine institutionelle Förderung bei der Stadt Flensburg. „Wir haben hier etwas ganz Neues geschaffen, wir sind anders als andere Kulturzentren.“

Wir sind einmalig

„Letztlich geht es bei dem ex­Sultanmarkt um unsere internationale Zukunft: Wie wollen wir zusammen leben?“, sagt Lothar Baur. Die Gesellschaft verändere sich und das müssten nun auch die Vereine, Kulturinstitutionen, Gremien und Verwaltungsstrukturen tun. So hat sich auch der Trägerverein 8001 e.V. verändert. „Das Netzwerk, das wir in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, wirkt auch in unseren Verein hinein. Wir denken Kultur heute anders als vor vier Jahren“, so Baur. „Mit unserer internationalen Ausrichtung, dem Empowerment der Menschen im Stadtteil und dem offenen Angebot zur Nutzung unseres Freiraums sind wir einmalig. Und dieses internationale Netzwerk wollen wir erhalten.“ In der Flensburger Nordstadt ist das angekommen.

 

Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2023 Strategien

Autor*innen

  Inken Kiupel Kommunikation Soziokultur NRW inken.kiupel@soziokultur-nrw.de

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