Ein Vergleich zwischen den Bundesländern
Die Unterschiede bei den Förderbedingungen für die soziokulturelle Arbeit sind zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr groß. Die Corona-Krise hat diese Unterschiede noch einmal verdeutlicht.
Kultur gehört bekanntlich zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die deshalb auch durch die Kommunen zu finanzieren sind. Besonders in strukturschwachen Gebieten und in Problemquartieren von Großstädten reichen die kommunalen Einnahmen seit Jahrzehnten bei weitem nicht hin, um eine Grundfinanzierung der soziokulturellen Einrichtungen zu gewährleisten, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit bietet. Während der letzten Jahre weisen die Leistungen unserer Mitgliedseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ große Zuwächse auf. Parallel dazu hat sich beim Bund und in den Ländern das Bewusstsein vertieft, dass Soziokultur eine unverzichtbare Rolle für das demokratische Gemeinwesen spielt und mit vereinten Kräften unterstützt werden muss. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen aber zum Teil sehr große Unterschiede. Es gab sie bereits während der „normalen“ Vor-Pandemiezeiten, und es gibt sie in den landespolitischen Reaktionen auf die aktuelle Krise. Erstmalig geben die Landesverbände einen Überblick über beides.
Teil 2: Bayern
- Das Land tut sich schwer mit der Subkultur.
- Künstler*innen außerhalb der KSK sollen erst mal ihr Erspartes aufbrauchen, bevor sie staatliche Hilfe bekommen.
Bayern ist mit geradezu stoischer Regelmäßigkeit ein Sonderfall, allein geschichtlich betrachtet. Es wird in vielen politischen und kulturellen Belangen durchaus neugierig und so aufgeschlossen, wie es je nach ruralem oder urbanem Standort möglich ist, nach West und Nord geguckt. Entscheiden möchte man dann aber doch eher aus sich und seiner Tradition heraus. Auch die Kulturförderung ist mit diesen gewachsenen Mechanismen stark verwoben. „Kultur ist von Staat und Gemeinden zu fördern“ – so steht es in der bayerischen Verfassung. Wer Geld für sein Projekt vom Kulturfonds möchte, kann nur hoffen, dass dieses standhält: „Zentrales Entscheidungskriterium ist nicht der Proporz, sondern die inhaltliche Qualität eines jeden Projekts.“1 Spannend – immer wieder.
Seit jeher wird traditionserhaltende Kunst und Kultur hochgehalten, die Biergartenkultur gehört dazu, aber auch das Opernhaus. Was jedoch einmal da ist und nicht zu sehr Nische, das lässt man auch ungern wieder los! Einzig schwer tut man sich seit jeher mit der sogenannten Subkultur, und darunter fallen schon mal Veranstaltungen und Konzepte, die woanders längst Teil eines Gesamtselbstverständnisses Kultur und damit strukturell Einlage in der Fördersuppe sind.
In Bayern ist Soziokultur im weitesten Sinne immer noch viel Teil der Subkultur. Gegen diese Behäbigkeit und das skeptische Beäugen innovativerer, fluiderer Konzepte und Ideen kämpft eine – stetig wachsende – Zahl an Subkultur-Akteur*innen. Und langsam, aber sicher wird diese Ungerechtigkeit zumindest an die Oberfläche getragen, seit neuestem auch mit Corona-Antrieb: Als neben der relativ schnell beantragbaren Soforthilfe für Institutionen nach drei Wochen von den Künstler*innen und Solo-Selbstständigen sowie deren Gremien immer lautere Hilferufe kamen, auch bundesweit, hat Bayern unbeholfen seine „Fleißaufgabe“ gemacht. Ob nun absichtlich oder nicht: Die 49 Prozent, die aus der Künstlersozialkasse (KSK) herausfallen, die könnten doch auch Hartz IV beantragen, statt wie die anderen 51 Prozent die 1.000 Euro Grundsicherung zu bekommen (180 Euro weniger als in Baden-Württemberg. Der Verdienstausfall kann ja so groß nicht sein, und Erspartes soll aufgebraucht werden. Da steckt viel Zynismus dahinter, und – hoffentlich nur! – Unwissen um oder mangelndes Verständnis für den Alltag von Künstler*innen.
Gleich zu Beginn von Corona hingegen engagierten sich zum Beispiel in Nürnberg verschiedene innersubkulturelle Gremien und Zusammenschlüsse wie die Kulturliga, die politbande und das Heizhaus. Man tat das, was man gewohnt ist zu tun: sich (unbürokratisch!) selbst helfen. Und auch wenn durch diese frühen Spendenaktionen wohl kein Laden nachhaltig gerettet werden kann, den es böse erwischt hat – es ist ein Zeichen, und ein Zeugnis des Engagements, das man gerne der Kommunalpolitik vor die Nase halten möchte, wenn es um den nächsten Fördertopf und dessen Verteilung geht.
Massentaugliche Großevents sind mittlerweile innovativ(er) gewürzt, das ist ein Fortschritt. Viele Künstler*innen aus besagter Subkultur etwa, vormals unterradarläufig, sind mittlerweile auch den Förderern bekannt. Vorsicht, „sellout“, mag man bereits unken. Ideal ist doch aber eine Balance, damit der bunte Kulturtopf allen mundet. Mittel brauchen ebenfalls alle dafür, und zwar in fairer Verhältnismäßigkeit!
(Stand 20. Mai 2020)
Der Vergleich zwischen den Bundesländern ist in der Zeitschrift SOZIOkultur 2/2020 Lock'n'Roll erschienen.