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12.11.2021

LAND INTAKT, ländliche Räume, NEUSTART KULTUR

Das Haus Felsenkeller: Eine Institution der Soziokultur im Westerwald

Von: Margret Staal

Seit nunmehr 35 Jahren ist das Haus Felsenkeller ein Ort für innovative Bildungs- und Kulturangebote und ein Treffpunkt für unterschiedliche Gruppen und Initiativen, vom Lesben- und Schwulenstammtisch über Jagdpächter und NABU bis zu Freiwilligendiensten oder Trommelgruppen mit Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland.

Das Haus selbst ist ein ehemaliges Hotel am Rande der Kleinstadt Altenkirchen im Westerwald, umgeben von einem großen naturbelassenen Grundstück – ein ungestörtes Gelände am Waldrand für die unterschiedlichsten Aktivitäten.

Über Pionierarbeit in Altenkirchen – Engagement für ein lebendiges Umfeld

Was wir hier Mitte der 1980er und Anfang der 1990er Jahre begonnen haben, war in dieser ländlichen Region innovativ und Pionierarbeit für unterschiedlichste Themen, Inhalte und Formate. So gab es bei uns Jazztanz- und Bauchtanzkurse, wir zogen mit den ersten Computern in die Dorfgemeinschaftshäuser und boten für Frauen Kurse am Vormittag an, wenn neben den Kindern Zeit dafür war, oder trafen uns dort zu Frühstücksrunden mit Diskussionen und Vorträgen.

Auch mit unseren Kulturangeboten zogen wir in die Dorfgemeinschaftshäuser, um die Schwelle für den Besuch dieser neuartigen Angebote wie Kabarett, Kleinkunst oder Musik aus anderen Ländern möglichst niedrig zu halten. Im Haus gab es den Restaurantbetrieb mit einem legendären Sonntagsfrühstück – etwas, was hier völlig unbekannt war und schon damals den Anspruch einer Vollwertküche hatte.

Soziokulturelle Angebote und berufliche Qualifizierung in naturnaher Umgebung

Im Haus gibt es inzwischen statt der Jazz- oder Bauchtanzgruppen Yoga- oder Qi-Gong-Angebote, aber auch unterschiedliche berufliche Weiterbildungen. Seit der Corona-Zeit wird, soweit möglich, das Gelände für Kurse genutzt. Der Übernachtungsbereich wird – inklusive der Selbstversorgerküche – von Teilnehmer*innen der überregionalen Bildungsangebote und häufig von bis zu 30 Freiwilligen aus Nordrhein-Westfalen belegt, die hier ihre Seminarwoche abhalten und Haus und Gelände beleben.

Vornehmlich in den Sommerferien toben 50 Grundschulkinder zwei Wochen lang über das Grundstück, bauen im Wald Hütten, machen Schnitzeljagden, spielen auf der Wiese Fußball oder erstellen künstlerische Werke. Senioren halten im Kneipp-Verein ihre Tanzstunde im Bewegungsraum ab, Hochzeitsgruppen nutzen Vollwertrestaurant und Gelände. Es ist immer was los im und ums Haus.

„Wir lassen uns nicht unterkriegen!“ Herausforderungen und Chancen im ersten Lockdown

Umso schrecklicher war der Lockdown, vor allem im Übernachtungsbereich, der fast eineinhalb Jahre geschlossen war. Es war plötzlich still im und ums Haus herum – sehr still. In der ersten Zeit durfte ja nicht einmal etwas auf dem Gelände stattfinden. Wir nutzten die Zeit dennoch intensiv, um zum Beispiel für den Übernachtungsbereich die notwendigen Brandschutzauflagen baulich umzusetzen: Wir ließen Türen in die Außenwände einsetzen, Treppenaufgänge wurden mit brandsicherem Material abgedichtet, neue Zwischentüren für den Rauchschutz eingebaut und vieles mehr – es gab genug zu tun. Dazu kam der Anbau der über LAND INTAKT finanzierten zwei Außenfluchttreppen. Eine fast fünfjährige Odyssee durch den Dschungel an Brandschutzvorschriften hat dadurch ein Ende gefunden. Die Umsetzung dieser Maßnahme ermöglicht uns nun eine sichere Weiterführung des Betriebes.

Eine neue Webseite und Sanierung des Außengeländes

Im Herbst 2020 waren wir fertig und hätten wieder starten können, aber mit dem erneuten Lockdown kam es anders. So folgten weitere Anträge auf Unterstützung für den Übernachtungsbereich und ein Antrag im Rahmen von NEUSTART KULTUR „Programm“, der es uns ermöglichte, eine neue Internetseite mit einer umfassenden Anmeldesoftware zu erstellen, Know-how vor Ort zu schulen, uns neue Bildungsangebote im Online-Bereich zu überlegen und dafür entsprechende Referenten zu finden.
Durch eine Förderung über NEUSTART KULTUR „Zentren“ konnten wir zusätzlich unser Außengelände so sanieren, dass es für Aktivitäten im Freien besser nutzbar sein wird. Wir waren und sind mehr als gut beschäftigt und haben keine Zeit, den Kopf hängen zu lassen, obwohl uns oft danach zumute war.

Der Kulturbereich des Felsenkellers ist seit 2008 in einem eigenständigen Verein mit Sitz in der Stadt aktiv. Er bietet im Haus Felsenkeller nur noch selten Veranstaltungen an, weil die Räume zu klein sind und das Restaurant verpachtet ist, aber er war durch die Pandemie natürlich ebenso betroffen. Das alle zwei Jahre stattfindende kulturelle Highlight für die Region ist das „Spiegelzelt“, das Ende August bis Mitte September 2020 wieder in der Stadt aufgebaut werden sollte. Bereits mindestens 50 Prozent der Karten waren verkauft und doch musste es schweren Herzens auf 2021 verschoben  werden – zum Glück wussten wir damals noch nicht, dass es auch in diesem Jahr nicht würde stattfinden können. Nun kam zu der Sorge um den Bestand der nur über Projektmittel geförderten Vereine noch die Not: Wie nehmen wir Kontakt zu unserem Publikum, zu unseren Teilnehmer*innen auf?

Open Air-Veranstaltung im Sommer und erneuter Lockdown im Winter

Hatte der Bildungsbereich die Möglichkeit, schon bald die ersten Online-Angebote für den einen oder anderen Kurs durchzuführen, war dies im Kulturbereich nicht so einfach. Live-Veranstaltungen durften nicht stattfinden und die Technik für Aufnahme und Streaming besaßen wir noch nicht. Also organisierte der Kulturbereich des Felsenkellers im Sommer 2020 ein dreitägiges Open Air auf dem Schloßplatz der Stadt, um dem Publikum, so gut es ging, wenigstens etwas Kultur und den Künstler*innen Auftrittsmöglichkeiten zu bieten. Beide Seiten waren gleichermaßen begeistert und nahmen das Angebot dankbar an.

Für Veranstaltungen im Herbst und Winter hatte der Kulturbereich eine ehemalige Kaufhausetage angemietet, sie entsprechend umgestaltet und eingerichtet. 4000 Quadratmeter boten reichlich Platz für sichere Veranstaltungen – so glaubten wir. Nachdem die Genehmigungsverfahren abgeschlossen, die Reinigung erledigt und alles fertig aufgebaut war, wurden Künstler*innen verpflichtet und Programme gedruckt, es sollte endlich losgehen. Zwei Stapel vorverkaufte Karten lagen bereit und es kam – ein neuer Lockdown und damit erneut die Notwendigkeit, alle Veranstaltungen zu verschieben. Bis auf einige wenige war das Publikum zum Glück im Großen und Ganzen verständnisvoll.

Es geht weiter! Feier zum 35-jährigen Jubiläum

Doch das 35-jährige Jubiläum des Zentrums sollte gefeiert werden!
Für die Monate Juli bis September  2021 organisierte der Kulturbereich deshalb 35 unterschiedlichste Kulturangebote, von Konstantin Wecker und Pippo Polina über Lisa Eckert und Jess Jochimsen bis hin zum Kindertheater und regionalen Künstlern. Alle Veranstaltungen fanden Open Air statt, glücklicherweise mit einem großen Zeltdach, sonst wäre in diesem Sommer viel ins Wasser gefallen. Aber der Besuch war insgesamt – selbst bei bekannteren Namen – eher verhalten. So sind wir gespannt, wie das Publikum in nächster Zeit Veranstaltungen annehmen wird, die wieder in den Innenräumen stattfinden.

Der Felsenkeller hat sich verändert und wird es weiter tun, durch den Generationenwechsel in der Leitung des Bildungsbereiches und, noch bevorstehend, in der Kultur, durch neue Strukturen und durch die Förderungen durch LAND INTAKT und NEUSTART KULTUR. Ohne diese Mittel hätten wir all das nie stemmen können – bei aller Bereitschaft zu viel Eigenleistung. So war diese Pandemie auch eine Chance und wir sind gespannt, was die Zukunft uns bringen wird.

Autor*innen

  Margret Staal Vorstandsvorsitzende Bundesverband Soziokultur e.V. margret.staal@soziokultur.de

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