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22.06.2024

Aktuelles, Allzeitorte, Demokratie, Demokratiekampagne, Kulturpolitik

Kampagne „Wir leben Demokratie“ – Drei Fragen an Kristina Rahe

Politik und Kultur.

Von: Kristina Rahe

Warum und wie die Soziokultur die Demokratie stärkt? Im Interview für Politik & Kultur, die Zeitung des Deutschen Kulturrates, erklärt Kristina Rahe Hintergründe zur Kampagne "Wir leben Demokratie!" des Bundesverband Soziokultur und seiner Landesverbände.

Der Bundesverband Soziokultur hat eine Kampagne gestartet: „Wir leben Demokratie“. Was ist Anlass, was Ziel dieser Kampagne?

Sich im Jahr 2024 mit dem Thema Demokratie zu beschäftigen, bedarf (leider) keiner Begründung. Die Normalisierung nationalistischer Ideologien in Europa ist besorgniserregend, die Tendenz, nicht-demokratische Parteien in deutsche Landtage einziehen zu lassen, ist erschreckend.

Drei unserer Landesverbände sind in diesem Jahr damit konfrontiert, dass die Ergebnisse der Landtagswahlen sich negativ auf die Arbeit der soziokulturellen Zentren, Initiativen und Netzwerke in den betreffenden Bundesländern auswirken könnten. Gleichzeitig gehen Menschen auf die Straße, schließen Allianzen, diskutieren, wie Gesellschaft anders gelebt werden kann. Sie entwickeln gemeinsam demokratische Zukunftsvisionen für ein respektvolles und friedliches Miteinander. Der große Bedarf und die Bereitschaft der Zivilgesellschaft, etwas zur Stärkung der Demokratie beizutragen, hat sich auch im enormen Rücklauf auf das Programm „Allzeitorte. Gemeinsam mehr bewegen” gezeigt, das wir seit Ende 2023 gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung GmbH umsetzen.

Dem Anstieg von Rassismus, Antisemitismus und ausgrenzenden, vermeintlichen „Lösungsmodellen” möchten wir entgegensteuern, indem wir zeigen: Wir sind da, wir sind viele, wir möchten durch Dialog, Austausch und Respekt füreinander Antworten auf gesellschaftspolitische Fragen finden, die für alle lebbar sind. Deshalb haben sich Bundesverband und Landesverbände zusammengeschlossen und in Kooperation die Kampagne „Wir leben Demokratie!” gestartet.

Wie gestaltet sich die Kampagne – auf Bundes- und auf Länderebene?

Gemeinsam mit den Landesverbänden haben wir ein Positionspapier und Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit entwickelt. Mit den kosten- und lizenzfreien Materialien möchten wir allen Interessierten die Möglichkeit geben, ihr tägliches demokratisches Wirken sichtbar zu machen.

Bisher ist die Kampagne auf großes Interesse gestoßen. Viele nutzen die Schablone des Social Media Profils, sie rufen mit dem Kampagnenmaterial zur Wahlbeteiligung auf oder weisen auf Veranstaltungen hin. Andere nehmen das Logo in ihre E-Mail-Signatur, wieder andere drucken Banner und nutzen diese bei Veranstaltungen. Das Ausrufezeichen für Demokratie wird immer sichtbarer – im Netz und auch offline. Und genau so soll es sein! Jede und jeder soll es für seine Zwecke nutzen können. So wird auf Landes- und Bundesebene deutlich, wie soziokulturelle Zentren und Initiativen Vielfalt und Demokratie leben. Schon Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat der Soziokultur attestiert: »Kunst und Demokratie, das sind die beiden Säulen Ihrer Arbeit – einer Kulturarbeit, die ihre gesellschaftliche und politische Verantwortung ernst nimmt und in konkretes Handeln umsetzt

Warum ist gerade der Bereich Soziokultur ein guter Ort für Demokratiestärkung und Demokratiebildung?

Viel Frust, Wut und Skepsis können entstehen, wenn man selbst nicht das Gefühl hat, sinnvolle Veränderungen umzusetzen. Das demokratiestärkende Potenzial der Soziokultur liegt in ihrer Fähigkeit, Menschen zu verbinden, Vielfalt und Partizipation zu befördern und Raum für Mitgestaltung zu schaffen. Soziokultur schafft in ländlichen Räumen teilweise die einzige Möglichkeit des Austauschs und in sozial komplexen urbanen Quartieren Frei- und Experimentierräume durch Kunst und Kultur.

Nicht erst durch die Pandemie ist die Soziokultur an öffentliche Orte gegangen, sie macht sich aufsuchend und einladend auf den Weg, zu den Menschen hin. Das Programm „Utopolis – Soziokultur im Quartier“ hat exemplarisch gezeigt, wie sich Einrichtungen für neue Zielgruppen geöffnet haben. Und welche Türöffner-Funktion Soziokultur für eine konstruktive Interaktion auch und gerade bei kontroversen Themen einnehmen kann. Im Schulterschluss mit der politischen Bildung geht Soziokultur im Programm „Allzeitorte” aktuell an die Orte, wo Menschen sich im Alltag und in ihrer Freizeit aufhalten. Damit an diesen Orten durch Beteiligungsformate der Mehrwert von Demokratie ganz praktisch erlebbar ist. Wenn ich mich im Kleinen und im Zusammenschluss mit anderen als Gestalterin meines Umfelds begreife, kann das riesig sein. Und mir Vertrauen für größere demokratische Prozesse geben.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2024.

Autor*innen

  Kristina Rahe Kulturpolitische Geschäftsführung kristina.rahe@soziokultur.de

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