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22.02.2023

#HUMOR, beispielhaft, Magazin SOZIOkultur, Streifzüge durch die Soziokultur

Circus MoMoLo: Ein Zelt im Paradies

Von: Redaktion

Was so alles unter ein einziges Zirkusdach passen kann, erlebt man beim Circus MoMoLo in Jena: Zeitgenössicher Zirkus, internationale Festivals, Lesungen, Konzerte. Allem voran aber: Verschiedenste Menschen vereint durch Humor und Spiel.

Das Zirkusdach an der Saale im Jenaer Paradies vereint jegliche Kunstformen und Spielarten des zeitgenössischen Zirkus': Artistik, Tanz, Musik. In den letzten Jahren hat sich der Circus MoMoLo darüber hinaus zu einem kulturellen Veranstaltungsort und damit zu einem öffentlichen Ort der Begegnung entwickelt. Vielfältige Formate finden hier statt – vom zeitgenössischen Zirkusgastspiel über Konzerte bis hin zu Lesungen. 2022 war dieser außergewöhnliche Ort der Soziokultur deshalb für den KULTURRIESE – Preis der Thüringer Soziokultur nominiert.

Doch nicht nur innerhalb Thüringens hat sich MoMoLo einen Namen gemacht: Das multikulturelle Team macht kleine Wunder und große Verzauberung weit über die Landesgrenzen hinaus möglich durch internationale Partnerschaften und gemeinsame Projekte mit Akteuren aus Belgien, Frankreich, Spanien, Finnland oder Palästina.

Ein Höhepunkt des Jahres ist seit 2018 das internationale Composé Festival für zeitgenössische Zirkuskunst und Musik. Es verwandelt Jena und die Region in einen eigenen Kulturkosmos, in dem nicht nur spektakuläre Shows gezeigt werden, sondern das Programm zum Mitmachen, Teilhaben und Diskutieren anregt.

Gesellschaftliche Fragen mit Zirkus als künstlerischem Mittel bearbeiten

In den Kursen und Workshops erleben Erwachsene und Kinder Spiel und Realität nebeneinander, können es wagen, sich Herausforderungen mit Phantasie und Imagination zu stellen, und erfahren Gemeinschaft ganz hautnah. Dabei nutzt MoMoLo Zirkus als künstlerisches Ausdrucksmittel, um auch gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen und zu bearbeiten. Jedes Jahr mündet die ganzjährige Zirkusarbeit mit Kindern und Jugendlichen in mehrere öffentliche Abschlussperformances, bei denen diese ihr Können und ihre Geschichten präsentieren.

MARTINA SAUERBREY, Trainerin für Clownerie, und FRIEDEMANN ZIEPERT, Geschäftsführer des Circus MoMoLo, stellen im Magazin SOZIOkultur (3-2020) eine ganz bestimmte Stärke des Circus MoMoLo heraus: Auf leichte, aber eindringliche Weise, schon für die Kleinsten erahnbar und für die Großen spürbar, schafft der Circus MoMoLo ein gesellschaftliches Kunststück: Er verbindet die unterscheidlichsten Menschen über das Lachen, er schafft Gemeinschaft und Zusammenstehen durch Humor. Martina Sauerbrey und Friedemann Ziepert drücken es so aus:

Humor – existenziell für gelebte Demokratie!

Wer kennt sie nicht, die rote Clownsnase? Doch was hat sie mit demokratischem Handeln zu tun? Und wie können wir dieser ungewöhnlichen Zeit mit dem begegnen, was sie verkörpert: Humor? Das Lachen über den Clown ist etwas, das im Innern unser Herz berührt und ein Nachdenken über uns selbst und die Gesellschaft anregt. Sein Spiel ist ein Spiegelbild unser selbst. Das Wesen der Clownerie ist das Antasten unserer persönlichen und moralischen Grenzen sowie das Lachen über unsere Schwächen und unser Scheitern. Der Schlüssel dazu ist unser Mitgefühl, denn die Emotionen des Clowns sind die unseren. Seine Darbietung lebt von Übertreibungen. Im Ausdruck seiner Gefühle und in seinem Handeln geht er ins Extreme und führt uns ganz nah an unsere Grenzen, aber überschreitet sie nie. Der Clown drückt in seinem Spiel oft eine tiefe Wahrheit aus, die wir dank seiner Unschuld annehmen und reflektieren können. Er nutzt die rote Nase als Maske. Sie erlaubt, alles zu sagen und zu zeigen. In Bezug auf Extremismus und Fanatismus überzeugt uns der Clown durch seine besessene Herangehensweise, dass beides immer zum Scheitern verurteilt ist.

Das clowneske Erproben von spielerischen Grenzgängen, die Reflexion und das ausgiebige Lachen darüber sind Grundlagen einer lebendigen demokratischen Gesellschaft. Darüber hinaus wirkt das emotionale Ausleben von Lebenssituationen im Spiel der Clownerie wie gute Psychohygiene. Es schafft es, auf humorvolle Art die Menschlichkeit hinter allem zu erblicken und Ängste und Bedürfnisse zu erkennen. Das Spiel des Clowns sucht einen tiefen Zugang zu sich und der Gesellschaft. Wir wünschen uns, dass viele Menschen diesen Zugang finden und die Welt dadurch leichter wird – in jedem von uns steckt ein Clown oder eine Clownin.

Der Text "Humor - existentiell für gelebte Demokratie!" von Martina Sauerbrey und Friedemann Ziepert ist im Magazin SOZIOkultur zum Thema HUMOR erschienen.

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