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21.05.2025

Aktuelles, Kulturpolitik

Raue Zeiten für soziokulturelle Zentren

Ein Lagebericht

Von: Jochen Molck

In Wuppertal trafen sich anlässlich des 50. Geburtstages der börse über 200 Vertreter*innen aus soziokulturellen Zentren, Landesverbänden und dem Bundesverband Soziokultur zu einem bundesweiten Fachtag Soziokultur. „Wie läuft’s denn bei euch?“ war da mehr als eine Begrüßungsfloskel, schnell wurde deutlich, dass die Frage wirklich ernst gemeint war, denn die Herausforderungen für die Kultur im Allgemeinen und die Soziokultur im Besonderen sind deutlich größer geworden.

Abhängigkeit von den Kommunen

Eine der Hauptursachen hat überhaupt nicht mit der Arbeit oder dem Angebot der Zentren und Initiativen zu tun, sondern schlichtweg mit der finanziellen Ausstattung der Kommune, in der sie beheimatet sind. Kulturförderung gehört zu den freiwilligen Leistungen, wird in den meisten Fällen jährlich bewilligt und ist - anders als städtische Theater oder Museen - selten durch Tarif- oder Leistungsverträge abgesichert. Die ehemals reiche Stadt Erlangen ist dafür ein Beispiel: Durch hohe Gewerbesteuereinnahmen war es möglich, die gute Arbeit des E-Werks, eines der größten soziokulturellen Zentren in Deutschland, kontinuierlich zu unterstützen. Jetzt musste die Stadt, angeblich überraschend, bereits gezahlte Gewerbesteuern zurückzahlen, so dass sich die Einnahmen nahezu halbierten. „Spürbare Einschnitte“ waren angesagt und nach heftigen Diskussionen muss das E-Werk mit einer Kürzung von 290 000 Euro klarkommen - und das in einem Bundesland, das keine zusätzliche Landesförderung für Soziokultur kennt. Entsprechende Beispiele lassen sich auch in Köln, Hannover oder Leipzig finden.

Die Zentren sind gezwungen, Preise zu erhöhen, ihr Programm zu verringern und ihr Personal schlechter zu bezahlen.

Ähnlich desaströs wirkt sich die Nichtanpassung der Zuschüsse für soziokulturelle Arbeit aus, mit der einige Zentren zum Teil seit zehn Jahren zu kämpfen haben. Angesichts der Teuerungsraten und Tariferhöhungen, gerade in den letzten Jahren, ist dies ebenso defacto eine Kürzung, die von der Lokalpolitik gern auch als Wohltat „verkauft“ wird, nach dem Motto „Wir kürzen zumindest nicht“. Die Zentren sind dadurch gezwungen, Preise zu erhöhen, ihr Programm zu verringern und ihr Personal schlechter zu bezahlen. In Hildesheim hat es jetzt die Kulturfabrik erwischt. Sie musste Insolvenz anmelden, da sich die finanzielle Schieflage nicht mehr ausgleichen ließ. Andere haben leise ihre Türen geschlossen oder quälen sich über die Runden, weil es hinten und vorne nicht reicht.

Spuren der Pandemie

Zur bitteren Wahrheit gehört auch, dass das Publikum, gemessen an den Besucher*innenzahlen vor der Corona-Krise, längst nicht überall in die Zentren zurückgekehrt ist. Manchmal trifft es nur einzelne Sparten, aber die Pandemie hinterlässt immer noch Spuren. Das wird meist nicht an die große Glocke gehängt, aber in den Weihnachtsgrüßen und Neujahrswünschen aus den Zentren finden sich Hinweise zwischen den Zeilen, und auf den Programmseiten ist seltener „ausverkauft“ zu lesen. Das dämpft natürlich die Aufbruchstimmung, die nach dem Ende der Pandemie vielerorts zu spüren war. Jetzt, wo nahezu alle Kompensationsmaßnahmen weggefallen sind und einige Künstler*innen wie Institutionen mit Rückforderungen zu kämpfen haben, wird die Lage zunehmend ernst.

Probleme des Kulturbetriebs

Dazu kommen ganz „normale“ Probleme des Kulturbetriebes: steigende Kosten, Personalmangel in einigen Bereichen, nicht gelungene Generationswechsel oder die Konkurrenz anderer, oft elektronischer Unterhaltungsangebote vor dem Hintergrund von Reallohn-Verlusten beim Publikum. Davon sind auch andere Kulturbereiche betroffen, doch die Soziokultur trifft es besonders, da hier günstige Eintrittspreise und möglichst niedrigschwellige Teilhabemöglichkeiten existenziell sind.
Relativ neu ist die Situation, dass sich die heutige Generation junger, gut ausgebildeter Kulturmanager*innen nicht mehr selbstverständlich auf prekäre Arbeitsbedingungen und ein hohes Maß an Selbstausbeutung einlässt, bei Konflikten schneller den Job wechselt und durchaus auf angemessene Bezahlung und Work-Life-Balance achtet. Es kommt vor, dass Zentren Leitungspositionen ausschreiben, auf die es keine ernst zu nehmenden Bewerbungen gibt. Ein Vorstandsmitglied eines großen soziokulturellen Zentrums meinte neulich: „Wir sind froh, die Probezeit des neuen Geschäftsführers überstanden zu haben."
Noch werden provokante Anträge rechtspopulistischer Parteien, die sich gegen „linksgrün versiffte“ soziokulturelle Kulturarbeit wenden, in den Parlamenten abgeblockt, in der Regel gemeinsam mit den Kulturverwaltungen – jedenfalls in den „alten“ Bundesländern. Aber schon bei den Versuchen, die Gemeinnützigkeit anzugreifen oder ein vermeintliches Neutralitätsgebot durchzusetzen, wird es manchmal kritisch. In den Kommunalparlamenten der „neuen“ Bundesländer müssen Zentren und Projekte teilweise irgendwie mit rechten Mehrheiten klarkommen. Einfach ignorieren hilft da nicht weiter. „Hier haben wir vielerorts keinen rechten Rand, sondern eine rechte Mitte“.

Radikal zuversichtlich

Es kann aber auch ganz anders sein: „Auf in die Zukunft: Radikal zuversichtlich ins Jahr 2025!“ meldet der Landesverband STADTKULTUR HAMBURG, nachdem endlich eine leistungsgerechte tarifliche Bezahlung für die Beschäftigten in den Soziokultur- und Stadtteilzentren der Elbmetropole durchgesetzt wurde, ebenso wie eine Erhöhung der Mittel für den Dachverband und die Stelle einer Nachhaltigkeitsverantwortlichen. In dem Zusammenhang erklärt der Kultursenator Carsten Brosda (SPD) in der Süddeutschen Zeitung, warum er Mehrausgaben im Kulturetat für eine Demokratie fördernde Investition und gute Kommunalpolitik hält.

Kultursenator Carsten Brosda hält Mehrausgaben im Kulturetat für eine Demokratie fördernde Investition und gute Kommunalpolitik.

Gute Nachrichten auch aus NRW: In Düsseldorf ist es gelungen, eine Erhöhung des Etats für die freie Szene um zwei Millionen Euro durchzusetzen, mittelfristige Verträge inklusive Dynamisierung der Zuschüsse sollen folgen. Damit wird unter anderem die Arbeit des Kulturzentrums zakk und weiterer Kulturinitiativen abgesichert. Das KFZ in Marburg konnte endlich eine Bezahlung nach TVÖD durchsetzen. Und die Zeche Carl in Essen organisiert seit einigen Jahren im Auftrag der Stadt erfolgreich ein großes Klimafestival.
Auch Baden-Württemberg meldet mehr oder weniger stabile Verhältnisse, was die 2:1-Förderung von „The Länd“ und den Kommunen angeht: In Heidelberg wurde ein für über 20 Millionen Euro neu gebauter Karlstorbahnhof eröffnet und in Karlsruhe machte das Tollhaus endlich einen bedeutsamen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit - mit neuer PV-Anlage und einem Kombiticket für den öffentlichen Nahverkehr zu realistischen Bedingungen.

Neuerungsschub nach Corona

Mit Ende der Corona-Zwangspause wurden neue Programmangebote und Formate entwickelt, Zentren konnten sich intern besser aufstellen, schärften ihr Profil und erreichen neue Zielgruppen. Aufbruchstimmung lag in der Luft, denn nach wie vor sind die Zentren lokal gut vernetzt und Räume, Technik sowie Know-how für gemeinwohlorientierte Aktivitäten werden nachgefragt, eher mehr als weniger. Im ländlichen Raum sind die Kulturinitiativen manchmal noch der einzige Ankerpunkt für Kulturaktivitäten.

Spielräume kreativ nutzen

Fazit: Ja, die Zeiten für soziokulturelle Arbeit und Projekte werden rauer, es kommt darauf an, wen und wo man fragt. Doch es gibt auch Spielräume, Erfolge und Handlungsmöglichkeiten. „Leidenschaftliche Betriebswirtschaft“ hat an Bedeutung gewonnen, um die knappen Ressourcen effektiv einzusetzen, ebenso wie externe Beratung. Manchmal ist es notwendig, einen gewissen Wildwuchs im Programmangebot einzudämmen. Selbstkritisch wird, gerade von jüngeren Kolleg*innen, die eigene Sichtbarkeit und Kommunikation mit dem Publikum eingeschätzt.
Nützlich sind gute, vertrauensvolle Kontakte in die Verwaltung und Politik, genauso wichtig wie die Fähigkeit, rechtzeitig auch mal laut zu werden und die Stadtgesellschaft zu mobilisieren. War es nicht immer schon der Anspruch von Soziokultur, die Bedingungen und Möglichkeiten des Wie-wollen-wir-besser-leben öffentlich zu verhandeln und sich dafür einzusetzen? Nur zu, unsere Gesellschaft braucht es mehr denn je.

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Der Beitrag ist in den Kulturpolitischen Mitteilungen 1/25 erschienen.

Autor*innen

  Jochen Molck Lehrkraft mit Schwerpunkt Kulturarbeit und Soziokultur Hochschule Düsseldorf

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