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01.08.2019

#BEHEIMATEN, Magazin SOZIOkultur, Streifzüge durch die Soziokultur

Freilicht- und Waldbühne Osterwald e.V. – Familienmusical

Wo mein Herz ist, ist auch meine Heimat: Auf der Osterwaldbühne spielen Menschen aller Altersgruppen und verschiedenster Herkünfte im Familienmusical „Dschungelbuch“. Zusammen gestalten sie ein großes Moment und eine erfolgreiche Inszenierung in einer eher ländlichen Gegend und finden dadurch, trotz vieler Herausforderungen, immer ein gutes Miteinander. Diese Gemeinschaft ist aber nicht vom Himmel gefallen, sondern gewachsen.

Dort, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen, tobt der Bär. Eigentlich ist es sogar eine ganze Dschungelbande. Das jüngste Elefantenkind auf der Freilichtbühne in Osterwald ist gerade mal drei Jahre alt, und die ältesten Mitwirkenden können bereits auf fast 60 Jahre Freilichtbühnengeschehen zurückblicken. Balou, gespielt von Marc Telgheder, schält sich aus dem Kostüm des gemütlichen Bärenkumpels von Mogli. Heiß geht es her, auf der Bühne und hinter den Kulissen – besonders in diesem Sommer. Gespielt wird bei fast jedem Wetter auf der unüberdachten Bühne am Waldrand im südniedersächsischen Bergdorf Osterwald. Seit diesem Jahr ist Marc Telgheder nicht nur als Schauspieler auf der Bühne aktiv und als Regisseur, Techniker und Bühnenbauer präsent, sondern auch erster Vorsitzender des dynamischen Vereins. So wie einen Großteil der rund 150 Aktiven des soziokulturellen Vereins lässt ihn die Leidenschaft für sein zeitintensives Hobby nicht mehr los. Auf der Bühne fühlt er sich zu Hause. Diese Heimat hat wenig gemein mit verstaubter Nostalgie und Unveränderlichem. Sie ist geprägt von einer Lebendigkeit, die auf aktiver Auseinandersetzung mit Impulsen und einer Vielzahl unterschiedlicher Menschen beruht. Auf „rund 20 bis 25 Stunden die Woche, in Spitzenzeiten oft auch mehr“ schätzt Marc Telgheder den Arbeitseinsatz des Kernteams der Bühne. Ein Engagement, das sich mit einem Vollzeitjob eigentlich kaum vereinbaren lässt und doch – das Herzblut macht vieles möglich.

„Das Streben um ein gelingendes Miteinander trägt längst reiche Früchte. Aus dem Ort, an dem Kinder, Jugendliche, Erwachsene aller Altersgruppen und unterschiedlicher Herkünfte zusammenkommen – aktiv im Bühnenteam und auch als Zuschauer*innen –, ist längst eine Stätte umfassender sozialer und kultureller Bildung mit regionaler Strahlkraft und kulturpolitischem Engagement geworden. Vier Produktionen werden jährlich erarbeitet und aufgeführt, rund 50 Shows finden statt, für die rund 15.000 Tickets pro Jahr verkauft werden. Das Publikum kommt aus der Region, manche von ihnen auch mehrmals in der Saison, einige gar zu mehreren Aufführungen desselben Stückes. Schließlich ist es „ihre“ Bühne, sind es „welche von uns“, die alles geben – auf der Bühne und hinter den Kulissen. Die Bühnengemeinschaft versteht sich nach eigenen Aussagen als „große Familie“, als eine Community, für die es trotz aller Herausforderun- gen selbstverständlich ist, das Miteinander so zu gestalten, dass „alle mitgenommen werden können, auch in ihren Veränderungen.“ Inklusion wird ganz offensichtlich gelebt, auch wenn das Wort nicht benutzt wird. Reibungslos läuft das Geschehen des ehrenamtlichen Gesamtbetriebs dennoch selten ab, es bleibt ein stetiges soziales Lernen, vielleicht auch ein permanenter demokratieeinübender Modellversuch. Erfolgreich. Nachahmenswert. „Unter den Jugendlichen“, berichtet Telgheder, „gibt es unheimlich große Sozialkompetenzen, die vorhanden sind, die wir nicht eintrichtern, aber die sie einfach mitbekommen. Es gibt hier ein gewachsenes und total respektvolles Miteinander – egal, wie alt man ist. Es kommt auch nicht darauf an, mit welcher Qualifikation man einsteigt, sondern man ist hier Mitglied der Freilichtbühne und kooperiert dann eben mit dem, was man kann. Das ist wirklich toll zu sehen. Das ist ein unfassbarer Wert.“

Der Text basiert auf Interviews und Gesprächen, die im Rahmen der Forschung der Autorin zur Lage der Freilichtbühnen 2017–2019 erfolgten (hier online abrufbar).

 

Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2019 Beheimatet

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