Thüringer Landesverband verleiht KULTURRIESE 2024 an KuKo e.V. Die Preisverleihung findet am 11. Dezember 2024 in Ilmenau statt.
Der Ilmenauer Verein Kulturelle Koordinierung e.V. (KuKo) wurde vom Landesverband Soziokultur Thüringen mit dem Titel „KULTURRIESE 2024“ ausgezeichnet. Mit dem KULTURRIESE zeichnet die LAG Soziokultur Thüringen seit 2008 jährlich Vereine, Organisationen oder Initiativen aus Thüringen aus, die sich durch ein außergewöhnliches Engagement oder durch besondere Zugänge und Formate in der Soziokultur hervorgehoben haben.
Die Jury würdigt mit dem Preis insbesondere die beeindruckende Vielfalt an Veranstaltungen, Angeboten und Projekten, die der KuKo regelmäßig organisiert. Allein 15 Arbeitsgemeinschaften, drei Vereine und fünf Projekte sind unter seinem Dach aktiv. Damit trägt er entscheidend zur kulturellen Entwicklung Ilmenaus und der Region bei.
Die Preisverleihung findet am Mittwoch, 11. Dezember 2024, 19 Uhr im Café Bohne in Ilmenau statt.
Die Fachstelle Soziokultur MV hat den Förderpreis Soziokultur Mecklenburg-Vorpommern 2024 verliehen. Zwei Initiativen aus Bad Sülze und Schwerin wurden für ihre herausragenden Projekte zur Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe und kultureller Vielfalt ausgezeichnet.
Am 16. Oktober 2024 wurden im Rahmen der Landeskulturkonferenz in Parchim zwei Vereine für ihr soziokulturelles Engagement geehrt. Unter der Schirmherrschaft von Kulturministerin Bettina Martin verlieh die neu gegründete Fachstelle Soziokultur MV den Förderpreis an den Freundeskreis Popkultur e.V. aus Bad Sülze und den Verein Die Platte lebt e.V. aus Schwerin. Beide Preisträger beeindrucken mit ihren innovativen Projekten, die lokale Gemeinschaften stärken und kulturelle Teilhabe fördern.
Freundeskreis Popkultur e.V. aus Bad Sülze erhält Förderpreis
Der mit 2.000 Euro dotierte Förderpreis ging an den Freundeskreis Popkultur e.V. aus Bad Sülze. Der Verein begeistert mit einem breiten kulturellen Angebot, das lokale Gemeinschaften stärkt und Orte der Begegnung schafft. Mit monatlichen Veranstaltungen wie den Wunderbar-Konzerten und dem ROXSA-Festival bietet der Verein Plattformen für Austausch und kulturelle Teilhabe. Doch das Engagement geht über kulturelle Events hinaus: Durch Projekte wie das Ehrenamtsnetzwerk Klein.Stadt.Erwachen revitalisiert der Verein leerstehende Gewerberäume und unterstützt die demokratische Teilhabe mit Formaten wie der „Klappstuhlkonferenz“.
Sonderpreis für Die Platte lebt e.V. aus Schwerin
Der Verein Die Platte lebt e.V. wurde mit einem Sonderpreis in Höhe von 1.000 Euro für sein Projekt PlattenPark ausgezeichnet. Im Schweriner Stadtteil Mueßer Holz hat der Verein ein ehemaliges Brachgelände in einen lebendigen Ort der Begegnung verwandelt. Der „PlattenPark“ ist ein Vorzeigeprojekt für partizipative Stadtentwicklung, das soziale Teilhabe und gemeinschaftliches Engagement fördert. Der Verein schafft damit eine grüne Oase, die besonders in einem strukturell benachteiligten Stadtteil einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt leistet.
Förderpreis würdigt Engagement für gesellschaftliche Teilhabe und kulturelle Vielfalt
Mit insgesamt 24 Bewerbungen war das Interesse am Förderpreis groß. Eine unabhängige Jury, bestehend aus Vertreter*innen des Landesverbandes Soziokultur MV e.V., des Amtes für Bildung, Kultur und Sport Greifswald sowie des Landesverbandes Freie Darstellende Künste MV, bewertete die Einreichungen. Im Fokus standen Kriterien wie demokratische Wertevermittlung, soziale Teilhabe und kulturelle Bedarfsorientierung.
Ab 2024 wird der Förderpreis Soziokultur alle zwei Jahre vergeben. Er setzt ein starkes Zeichen für die Bedeutung von soziokulturellen Projekten in Mecklenburg-Vorpommern.
Auf dem Aller.Land.Treffen sprach Referentin Carolin Viktorin über die Bedeutung strukturierter Prozesse für die erfolgreiche Digitalisierung in der Soziokultur. Sie kündigte ein Dashboard zur Visualisierung der Daten für die Soziokultur an.
In ihrem Vortrag auf dem Aller.Land.Treffen am 17. Oktober 2024 in Weimar thematisierte Carolin Viktorin, Referentin für Digitalisierung und Wissensmanagement beim Bundesverband Soziokultur, die zentrale Rolle von Prozessen in der Digitalisierung. Sie betonte, dass Digitalisierung kein zufälliger Vorgang sei, sondern das Ergebnis eines sorgfältig geplanten und strukturierten Prozesses. Es gehe nicht um Selbstzweck, sondern darum, durch Digitalisierungsprojekte spezifische Herausforderungen zu lösen und die eigene Arbeit zu optimieren.
Digitalisierung als Prozess erfordere nicht nur eine sorgfältige Planung und technische Umsetzung, sondern auch die Einbindung aller Beteiligten, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse und Anforderungen der Akteur*innen in jeder Phase berücksichtigt werden.
Viktorin führte aus, dass der Bundesverband Soziokultur in den letzten Jahren viele seiner Prozesse digitalisiert hat. Der erste Schritt war die Einführung eines zentralen CRM-Systems zur Verwaltung von Förderanträgen. Dieser Schritt ermöglichte die Digitalisierung weiterer Prozesse und die strukturierte Erfassung von Mitgliedsdaten.
Dashboard für die Soziokultur
In ihrem Vortrag kündigte sie die Entwicklung eines Dashboards an, das die erfassten Daten grafisch aufbereiten und somit zugänglicher machen soll. Das Dashboard soll eine zentrale Plattform werden, um relevante Informationen über soziokulturelle Einrichtungen, ihre Lage und Bedürfnisse systematisch darzustellen.
Der Bundesverband Soziokultur berichtet in der aktuellen Ausgabe des Magazins stadtkultur magazin des Landesverbandes STADTKULTUR HAMBURG über die Kampagne “Wir leben Demokratie!“.
Hier lesen.
Noch bis zum 29.09. findet in Hamburg, in der Bahnhofspassage vor der S-Bahn Wilhelmsburg, die Ausstellung des diesjährigen Lehmbaufestivals statt. Eintritt frei.
Wir erleben die Demokratie seit Längerem zunehmend im Verteidigungsmodus. Die einen verteidigen die geltenden Spielregeln, andere das, was sie als hier Geborene für ihre Rechte und Vorrechte halten. Nicht selten tritt in den Hintergrund, wie überhaupt unter den durch Geburt oder Wanderung Hinzugekommenen demokratische Verhältnisse täglich neu geschaffen werden. Es geht um die elementare Aufgabe, zwischen Menschen, die durch Milieus, Bubbles, Alter, durch Bildungs-, Glaubens-, soziale oder körperliche Dispositionen voneinander getrennt sind, lebendige, konstruktive Bindungen entstehen zu lassen.
Genau das ist es, wofür der gemeinnützige Verein Bunte Kuh e.V. mit dem Lehmbaufestival seit 40 Jahren wirkt.
Starker Verein: Bunte Kuh e.V.
Das jährlich stattfindende, kostenlose und mehrwöchige Projekt verbindet zirka 6000 Kinder, ihre Eltern, Freund*innen und Pädagog*innen. Sie bauen gemeinsam nach eigenen Entwürfen eine immer völlig neue Stadt aus Lehm. Damit das gelingt, unterstützt sie das Team von Bunte Kuh. Darin arbeiten viele ehrenamtlich und neben dem Geschäftsführer und Projektleiter sowie der Verantwortlichen für PR, Dokumentation und Evaluation seit Jahren um die 25 freie Mitarbeiter*innen auf Honorarbasis. Sie kommen aus fünf Nationen, sind Künstler*innen, Architekt*innen, Bauingenieur*innen Keramiker*innen, Sozialpädagog*innen, Lehmproduzenten.
Der Verein erhält keine institutionelle Förderung. Die rund 250 000 Euro, die das Lehmbaufestival braucht, müssen Jahr für Jahr neu beantragt und eingeworben werden.
Schöpfen
Spiritus Rector des Projekts, das die vielen Teilnehmenden alljährlich kaum erwarten können, ist Nepomuk Derksen. Er kommt 1956 als zweites von acht Geschwistern in einer Pädagogenfamilie zur Welt, studiert überwiegend in Hamburg, aber auch in Berlin und Frankreich Kunst und Architektur. Er weiß, sozusagen von Kindesbeinen an, was Bildung für Kinder und was Kunst für Bildung bedeutet. Mit einem Kunstverständnis, das sich im Dreieck von Markt, Distinktion und einsamer Arroganz bewegt, kann er nichts anfangen.
Kunst ist für ihn eine andere Art von Sprache, in der sich alle ausdrücken und miteinander verständigen können sollen. Partizipation gehört also zu den grundlegenden Ansprüchen seines künstlerischen und sozialen Handelns.
Lehm als Symbiose von Architektur und Skulptur
Schon während des Studiums hat er die Idee, Architektur und Skulptur zur Symbiose zu bringen. Dafür Lehm zu verwenden liegt nahe. Das Material kann Lasten tragen. Vor allem ist es leicht formbar. Unabhängig von Alter und Geschlecht, Vorbildung oder physischer Konstitution kann beinahe jeder Mensch damit umgehen.
Dem Lehm wohnt auch eine paradoxe Symbolik inne. Als Gott Adam formte, benutzte er dazu sicher weder Torf noch trockene Ackerkrume, sondern vermutlich eher lehmige Erde. Gleichzeitig lässt sich aber gerade mit Lehm leicht beweisen: Menschen sind nicht Objekte, sie sind Subjekte der Gestaltung. Ihnen wird nicht von außen Leben eingehaucht, sie tragen den Funken in sich. Und dies nicht nur als Möglichkeit, sondern als Bedürfnis. Hindern Umstände sie daran, in ihrem Leben selbst gestaltend zu wirken, fühlen sie sich als ohnmächtig Geworfene, was wiederum in Aggressionen und Depressionen mündet.
Die aktuell krisen- und transformationsgeschüttelte Demokratie ist existenziell auf Räume angewiesen, in denen Menschen ganz unmittelbar erfahren, dass sie gemeinsam mit anderen, mit Unbekannten, mit Fremden selbst gestaltend wirksam werden.
Mehr als Anekdoten
Das Konzept des Bunte Kuh e.V. funktioniert. Davon zeugen 16 Auszeichnungen und Preise, ein Netz von zirka 100 Kooperationspartner*innen und vor allem: tausend kleine Begebenheiten und Erlebnisse während der Festivals:
- Eine extrem schüchterne Frau ringt sich durch, sich an einen der Tische zu setzen und sich ein Stück Lehm zu nehmen. Daraus formt sie wunderschöne Bäume. „Hier finde ich meine Seele wieder“, sagt sie.
- Hamburg hat schon vor mehr als zwanzig Jahren Erfahrungen mit extrem Rechten in der Stadtregierung gemacht. Dazu gehört, dass Obdachlose und Junkies aus dem Zentrum vertrieben wurden. Einer davon lebt seit Jahren versteckt im Gebüsch des Parks. Barfuß, aus zweihundert Meter Entfernung, verfolgt er das Geschehen beim Lehmbaufestival, kommt zögernd immer näher und näher, holt sich schließlich einen Klumpen Lehm. Es ist, als ob ihm die organisch-plastischen Strukturen direkt aus den Händen fließen. Sie krönen dann die Lehmbauten mit kathedralenartigen Turmspitzen.
- Ein Achtjähriger aus Afghanistan ist erst seit drei Wochen da. Er spricht kein Deutsch und modelliert Riesen mit zwei Köpfen, voller Kraft und Zuversicht. Später hilft er, die Riesen als vier Meter hohe Skulpturen zu bauen.
- Zwei migrantisch wirkende junge Männer stehen am Rande und gucken ein bisschen zu. Nach anderthalb Stunden setzen sie sich zu einem Vater mit zwei blonden Söhnen. Einer der beiden drückt und rollt den Lehm zu zauberhaften Tierfiguren. Die Kinder sind begeistert. Der Vater fragt: „Woher kommst du?“ Er kommt aus Syrien und hat Angst, das preiszugeben. Es ist kurz nach Solingen. Sie verabreden sich zu weiteren Gesprächen.
Wachstum: Das Lehmbaufestival wächst und wächst
Seit dem Beginn im Jahr 1985 wächst und wächst das Festival. Karen Derksen lernt es – und ihren Mann Nepomuk – 1986 kennen. Jahrgang 1962 studiert sie in Hamburg, Tübingen und Florenz Germanistik und Romanistik, arbeitet dann unter anderem in einem Verlag und bei Greenpeace.
Über die Jahre verfolgt sie, wie sich das Lehmbaufestival nicht nur der Größe nach ändert. Hauptsächlich über die Kinder entstehen dauernd Begegnungen zwischen Menschen, die sich bis dahin nicht kannten. Sie kommen wieder und bringen Freund*innen mit. Haben in den ersten Jahren hauptsächlich die Mamas ihre kleinen Baumeister*innen begleitet, nimmt dann die Anzahl der Papas stetig zu. Es gibt fast niemanden, der hier am Handy hängt.
2005 hat das Projekt eine Größe und Komplexität erreicht, die erfordern, dass jemand neben Nepomuk hauptamtlich die Verantwortung unter anderem für PR, für die Evaluation und Dokumentation und für tausenderlei organisatorische Aufgaben übernimmt. Karen steigt ein. Sie und Nepomuk, das ganze Team und die Teilnehmenden spüren hautnah, dass das Lehmbaufestival gute Spuren in der Gesellschaft zieht. Jetzt hat sich die Fern-Uni Hagen in Kooperation mit der Mercator-Stiftung aufgemacht, die Wirkungen ihres Projekts wissenschaftlich zu „messen“.
Kritische Zeiten
Wahrscheinlich war soziokulturelles Engagement wie das in der Bunten Kuh selten so notwendig wie gerade jetzt. Doch gerade jetzt wird es auch besondere Kraft kosten, das Lehmbaufestival kontinuierlich fortzuführen. Nepomuk und Karen sind mit ihm, sind organisch in seine hohe Komplexität hineingewachsen. Nun ist es an der Zeit, dass sie ihr Lebenswerk an die nächste Generation übergeben. Die es weiterleben lassen, werden sich neuen Herausforderungen stellen.
Die Kulturzentren Treibhaus in Döbeln und Rabryka in Görlitz waren vor den Landtagswahlen in Sachsen Teil einer internationalen medialen Berichterstattung. Sogar die New York Times gab alltagsnahe Einblicke in die aktuelle Situation und Arbeit der beiden soziokulturellen Zentren. Wir stellen diese Einrichtungen näher vor.
Das Treibhaus in Döbeln
Döbeln befindet sich in Mittelsachsen mitten im Dreieck Leipzig, Dresden, Chemnitz. Der soziokulturelle Verein Treibhaus e.V. bietet hier seit 1997 Projekte und Veranstaltungen für ein generationenübergreifendes Publikum an. Das Programm reicht von Kunstprojekten und Ferienangeboten für Kinder über Vorträge und Konzertabende bis hin zu Seniorentanzkursen. Auch Werkstätten wie Siebdruck, eine Fahrradwerkstatt oder ein Nähcafé gehören zum Angebot. Der Verein organisiert Veranstaltungen vor allem im Café Courage und im Haus der Vielfalt. Seit der Gründung des Treibhaus gestalten hier Jugendliche und junge Leute das Programm mit.
Die Rabryka in Görlitz
In Ostsachsen, an der polnischen Grenze in Görlitz, ist die Rabryka seit 2020 in einem sanierten Waggonwerk zu finden. „Rabryka” ist ein Kunstwort, das aus dem polnischen „fabryka“ und dem deutschen „rot“ zusammengesetzt ist und so auf das Backsteingebäude anspielt. Das Kulturzentrum verfügt über Konzertsaal und Kneipe, ein Tonstudio, einen selbstverwalteten Jugendklub, einen Gemeinschaftsgarten, eine Holzwerkstatt und einen Makerspace. Der Trägerverein Second Attempt e.V. gründete sich schon 2003 – als Plattform für bürgerschaftliches Engagement, die engagierten Menschen ein Netzwerk, Infrastruktur und personelle Unterstützung zur Verfügung stellt.
Urban Lefties und Roller Skate Disco
Ein jährlicher Höhepunkt auf dem Rabryka-Gelände ist das „Fokus Festival“. Die New York Times ordnet es in einer Dokumentation über Görlitz so ein: „There, L.G.B.T.Q. activists mingle with recent arrivals to Germany and unabashed urban leftists. People can learn to salsa, party at the old-fashioned roller skate disco, take in an exhibition on nature or simply hang out.
Organizers are careful to keep politics out of the event, saying their goal is to reduce barriers. Still, for many, the festival is a safe zone where they can enjoy themselves without having to be on guard against their far-right peers.“
[„Dort mischen sich L.G.B.T.Q.-Aktivisten mit Neuankömmlingen in Deutschland und linken Städtern. Man kann Salsa lernen, in der altmodischen Rollschuhdisco feiern, eine Ausstellung über die Natur besuchen oder einfach nur abhängen.
Die Organisator*innen bemühen sich, die Politik außen vor zu lassen. Ihr Ziel ist es, Barrieren abzubauen. Dennoch ist das Festival für viele ein geschützter Raum, in dem sie sich amüsieren können, ohne sich vor ihren rechtsextremen Mitmenschen in Acht nehmen zu müssen.“]
Wo das Miteinander gelingt
Treibhaus und Rabryka arbeiten intensiv an der Schnittstelle von Jugend(sozial)arbeit und Kulturarbeit. Ihr Anliegen ist es, Menschen vor Ort in Austausch zu bringen, gerade vor dem Hintergrund sehr kontroverser Meinungen in der Bevölkerung über aktuelle Themen wie Migration, Klimaschutz oder Sicherheit.
Im Podcast „Kompressor“ von Deutschlandfunk Kultur berichtet Clemens Albrecht, Geschäftsführer des Treibhaus e.V., von einem entspannt verlaufenen Vortrags- und Diskussionsabend zum Thema „Remigrationsrecherche“ mit Marcus Bensmann, Investigativjournalist für das Recherchenetzwerk Correctiv. Entspannt deshalb, weil an dem Abend niemand anwesend war, der der AfD offen gegenübersteht. Andere Veranstaltungen, zum Beispiel zum Thema Klimaschutz, verlaufen jedoch durchaus kontrovers.
Frei, offen und beschützt leben
Der Beitrag „Wo das demokratische Miteinander gelingt” des Deutschlandfunk beleuchtet das Treibhaus ausgehend von seiner Funktion als Schutzraum vor rechten Angriffen, besonders in den 90er Jahren, und seiner Aufgabe, alternative Jugendkultur zu fördern und ihr einen Raum zu geben. Inzwischen gehören die Beratung von Migrant*innen und Senior*innen, Projekte zur Demokratiestärkung sowie Vorträge zu Rassismus und NS-Geschichte zum Portfolio des Treibhaus. „Wir möchten frei, offen und beschützt leben können“, sagt Clemens Albrecht im Hörbeitrag.
Soziokultur als pauschalisiertes Feindbild
Die Ergebnisse der Landtagswahlen in der Region Mittelsachsen, zu der Döbeln zählt, bestätigten den prognostizierten Rechtsruck. „Natürlich waren die Ergebnisse ein Schock. Aber sie kamen natürlich auch nicht unerwartet“, so Albrecht. Der Verein hat ein Statement zur Landtagswahl auf die Homepage gestellt: „Für uns haben die Ergebnisse der Landtagswahl große Bedeutung, weil unsere Arbeit zu großen Teilen von Fördermitteln abhängig ist. Dies betrifft unter anderem unsere Projekte ‚Willkommen in Döbeln‘ und ‚Werkstadt‘. Deren Fortführung ab Januar 2025 ist ungewiss.“
Und im Landkreis Görlitz erreichte die AfD teilweise sogar bis über 40 Prozent der Stimmenanteile. Auch für Julia Schlüter, Geschäftsführerin des Second Attempt e.V., keine wirkliche Überraschung. „Diese Entwicklung war vor fünf Jahren schon abzusehen … und Soziokultur ist eben ein pauschalisiertes Feindbild der AfD.“ Bisher konnte sich der Trägerverein der Rabryka gegen die AfD-Anträge auf Fördergeldkürzungen und Kündigungen erfolgreich wehren. Denn die Rabryka hat Fürsprecher in der Politik. „Die Zusammenarbeit mit der Kommune empfinden wir als vertrauensvoll,“ ergänzt Julia Schlüter.
Das Problem Projektförderung
Die zeitlich auf ein Jahr begrenzten Fördermittel sind seit jeher ein Problem. Julia Schlüter und Clemens Albrecht sind sich da einig. Die kurzfristige Planung und Umsetzung der Angebote sind sie inzwischen gewohnt, genau das ist aber auch sehr herausfordernd und eben nicht zukunftssicher. Hier besteht die akute Gefahr, dass sich der wachsende Einfluss der AfD bemerkbar macht. Förderungen könnten durch sie verhindert werden. Stimmt die Kommune der jährlichen Förderung nicht zu, würde auch die Kulturraumförderung des Landes Sachsen zur Disposition stehen. Ebenso umgekehrt: Die personelle Zusammensetzung der vom Land besetzten fachspezifischen Gremien und Konvente könnte sich durch die Wahlergebnisse ändern – im ungünstigen Fall zugunsten rechtsorientierter Mehrheiten. „Abwarten“, sagen Rabryka und Treibhaus. Sie verfolgen weiter einen pragmatischen und essenziell wichtigen Weg, indem sie Begegnungsorte für Offenheit, Toleranz, Experiment und Kreativität anbieten.
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Weitere Informationen:
Im April 2024 startete der Bundesverband Soziokultur in Kooperation mit seinen 15 Landesverbänden die gemeinsame Kampagne “Wir leben Demokratie!” Seither senden Zentren und Initiativen, Projekte und Kulturschaffende mit dem Kampagnenmaterial ein Ausrufezeichen, dass sie sich für Vielfalt und eine offene, demokratische Gesellschaft einsetzen.
Mitmachen und eigene Arbeit sichtbar machen
Soziokulturelle Formate und Methoden befördern oftmals den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und doch bleibt diese Arbeit oft unsichtbar. Die Kampagnenmaterialien versehen Programme, Flyer, Bildmaterialien mit einem Ausrufezeichen, das ausstrahlt: Wir machen Demokratiearbeit! Die Materialien können dabei vielfältig zum Einsatz kommen: Um die Programmarbeit des soziokulturellen Zentrums zu zeigen, um das Social Media Profil zu gestalten, um Statements der Mitarbeitenden zu rahmen.
Kampagne soll zeigen: Wir sind da, wir sind viele
Jede Veranstaltung, jeder Workshop, jedes Konzert in einem Haus mit offenen Türen stärkt ein gleichberechtigtes und demokratisches Miteinander. Jedes Team, das Vielfalt lebt, arbeitet praktisch an einer offenen, toleranten Gesellschaft. Das wollen wir zeigen! Nicht nur, um die Arbeit am jeweiligen Kulturort zu feiern, sondern vor allem auch, um als tragfähiges, starkes Netzwerk sichtbar zu werden: Wir sind da und wir sind viele.
Gemeinsam setzen wir ein Ausrufezeichen für Demokratie!
Hier geht’s zum Kampagnenmaterial und zu einigen Beispielen, wie andere die Materialien einsetzen.
Unter der Schirmherrschaft von Staats- und Kulturminister Rainer Robra lädt die Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren Sachsen-Anhalt e.V. (LASSA e.V.) am 25. September 2024 nach Quedlinburg ein, um die Vielfalt und Bedeutung der Soziokultur in Sachsen-Anhalt zu präsentieren. Die Veranstaltung dient als zentraler Treffpunkt für Akteur*innen, Verbände und Partner*innen der soziokulturellen Szene.
Im Fokus steht der öffentliche Austausch über die aktuellen Strukturen, Herausforderungen und Zukunftsperspektiven der Soziokultur in Sachsen-Anhalt.
Soziokultur trifft Politik und Verwaltung
Ein Highlight ist der Programmpunkt „Soziokultur trifft Politik und Verwaltung”. Vertreter*innen der Landespolitik, darunter der Staatssekretär für Kultur Dr. Sebastian Putz, sowie Akteur*innen der Soziokultur diskutieren über Bedarfe und Entwicklungsstrategien. Ziel ist es, im Dialog konkrete Maßnahmen zur Stärkung der soziokulturellen Landschaft in Sachsen-Anhalt zu erarbeiten.
Vielfalt soziokultureller Arbeit sichtbar machen
Das Soziokulturelle Zentrum Dachverein Reichenstraße e.V. wird dabei zur zentralen Plattform für Austausch und Vernetzung. Neben dem politischen Diskurs bietet das Kulturfest in der Reichenstraße über 20 Akteuren und Akteurinnen Raum, um die Vielfalt der soziokulturellen Arbeit sichtbar zu machen, Mitmachangebote und Bühnenprogramm zu gestalten und neue Kooperationen anzustoßen.
Die Veranstaltung wird von zahlreichen soziokulturellen Akteur*innen und Initiativen gestaltet, gefördert und unterstützt durch das Land Sachsen-Anhalt, der Partnerschaft für Demokratie Quedlinburg und der Welterbestadt Quedlinburg.
Per Livestream verbunden: Burg und Stendal feiern mit!
Neben dem Straßenfest in der Welterbestadt Quedlinburg wird auch in den Städten Burg (benvivo Kulturturm) und Stendal (Kunstplatte), der TAG DER SOZIOKULTUR mit einem eigenen Programm gestaltet. Die Feste schalten sich im Livestream des Offenen Kanal Wernigerode zwischen 16:07 und 17:40 Uhr zu.
Programm am Tag der Soziokultur in Quedlinburg
Wo? Reichenstraße, Quedlinburg
Wann? Mittwoch, 25. September 2024
Was? Straßenfest: 15:00 – 19:00 Uhr
Programmpunkt “Soziokultur trifft Politik”: 17:00-19:00 Uhr (nur mit Anmeldung)
Abendprogramm: 19:00 – 21:00 Uhr
Die Teilnahme ist kostenfrei und offen für alle Interessierten.
Weitere Informationen unter www.lassa-ev.de
Im Vorfeld der Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen stellen sich für die Situation der Soziokultur viele Fragen. Carsten F. Hiller, Geschäftsführer von ImPuls Brandenburg e.V., Landesverband für Soziokultur, Popularmusik und Festivals, positioniert sich im Gespräch mit dem Redaktionsteam des Bundesverbandes zu Entwicklungen und zur Lage in Brandenburg.
RT: Seit der Wende hat in Brandenburg in unterschiedlichen Konstellationen die SPD regiert. Es gab mehr als 30 Jahre lang eine strukturelle Mehrheit von Rot-Rot-Grün. Oder Rot-Schwarz und Grün. Wie im Moment. Das ändert sich gerade. Woran spürst du die politische Klimaänderung im Alltag?
Carsten: Mich erinnern einfach viele Dinge an die Zeit kurz vor und kurz nach der Wende.
Die Wendezeit war ein wildes, anarchistisches Aufblühen
RT: Ach? Déjà-vus also, an den bleiernen Sommer von 1989, in dem die sogenannte Partei- und Staatsführung so sprach- und ratlos war?
Carsten: Ja, durchaus, unter anderem. Mein Umfeld, meine Freunde und ich, wir waren sehr jung damals. In der allgemeinen Hilflosigkeit hatten wir das Gefühl, zu uns guckt keiner so richtig hin. Wir können machen, was wir wollen. Das haben wir auch. Wir fanden die Wende toll. So ein wildes, anarchisches Aufblühen.
RT: Aber ihr hattet auch mit der Deindustrialisierung zu kämpfen.
Carsten: Klar. Eine Menge junge Leute gingen weg, besonders Frauen. Es gab viel Frust bei jungen Menschen. Die Freiräume, die wir für unser eher links-anarchistisches Milieu gefunden haben, die haben auch Rechtsextreme gefunden und genutzt. Die waren – und sind! – nur ein ganz kleiner Teil der Bevölkerung. Aber der Frust kann eben leicht bei ihnen andocken.
Wendezeit in Brandenburg: Soziokulturelle Zentren buchstäblich mit den Körpern verteidigt
RT: Wie seid ihr damit umgegangen?
Carsten: Soziokultur wurde zu einem Sündenbock, war etwas wie ein rotes Feindbild. Es gab viel physische Gewalt. Wir haben so manches soziokulturelle Zentrum buchstäblich mit unseren Körpern verteidigt. Aber in den Jahren seit der Wende hat sich die Zivilgesellschaft entwickelt. Die Politik ist quer durch die Parteien aktiv geworden.
RT: Es gab demnach ein Aufwärts …
Carsten: Für eine Reihe von Jahren ja, spürbar. Das änderte sich um 2015/2016 herum wieder. Und nicht nur wegen der sogenannten Flüchtlingskrise.
RT: Wir hatten 2016 eine Ausgabe des Magazin SOZIOkultur zum Thema EUROPA ERBEN. Da spielten multiple Systemkrisen eine Rolle.
Carsten: Eben, die haben die Menschen wahrgenommen und nehmen sie verstärkt wahr. Nicht als diffuses Gefühl, sondern als Abwärtstrend im Alltag. Ob Wohnungen oder öffentlicher Nahverkehr, es gab massive Strukturverluste im ländlichen Raum, Schließungen von Schwimmbädern, wachsende Mängel in der Gesundheitsversorgung … Überall Entwicklungen nach unten.
RT: Da kamen dann die Asylsuchenden sozusagen obendrauf. Sie konkurrieren ja bekanntlich nicht mit den gut Betuchten um Wohnraum, Bildung oder Ärzte, sondern mit denen, die ohnehin knapp leben.
Ostdeutsche sind besonders sensibel für Situationen, in denen das Offensichtliche entweder gar nicht ausgesprochen oder zurechtinterpretiert, eben irgendwie hingebogen wird.
Carsten: Richtig. Mir kommt es vor, als hätten viele Politiker bis jetzt nicht begriffen, dass da mit Parolen und hohlen Phrasen, auch mit dauernd wiederholten Bekenntnissen zu Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat rein gar nichts zu machen ist. Die bringen die Leute erst recht auf. Ostdeutsche sind besonders sensibel für Situationen, in denen das Offensichtliche entweder gar nicht ausgesprochen oder zurechtinterpretiert, eben irgendwie hingebogen wird.
RT: In der späten DDR gab es staatlich verordneten und propagierten Zweckoptimismus und an bröckelnden Mauern die Losung „Der Sozialismus siegt.“
Carsten: Deshalb riechen die Ostdeutschen Propaganda und hilflose Regierungen wirklich schnell. Sie haben auch einen Blick für politische Absurditäten, zum Beispiel wenn der Bau von Moscheen gefördert wird, obwohl dort das Grundgesetz der Gleichberechtigung der Frauen mit voller Absicht nicht gelten soll.
Wenn Soziokultur ohne Scheuklappen und nicht dogmatisch daherkommt, kann sie eine unglaublich starke Kraft sein.
RT: Was denkst du, was Soziokultur in dieser vielfach vertrackten Situation konstruktiv tun kann?
Carsten: Wenn Soziokultur ohne Scheuklappen und nicht dogmatisch daherkommt, kann sie eine unglaublich starke Kraft sein. Dazu muss sie die realen Voraussetzungen ihrer Arbeit zur Kenntnis nehmen.
RT: Das heißt?
Carsten: Zum Beispiel, dass die Leute sich nicht immer oder nicht mehr so stark für abstrakte Ideen begeistern können und dass viel Gewalt von allen Seiten unterwegs ist. Dass es zunächst einmal darum geht, angstfreie Räume zu schaffen und dann sehr konkret daran zu arbeiten, dass die Menschen sich gegenseitig verstehen und respektieren. Dafür haben wir ja sehr viele Mittel und Wege.
RT: In Brandenburg gibt es sicher wie in Thüringen und Sachsen auch nicht wenige Orte, in denen bis zur Hälfte der Wähler*innen sich für die AfD entscheiden. Da kann, was du eben gesagt hast, leicht blauäugig klingen.
Ich gehe davon aus, dass die tatsächlich Rechtsextremen seit 1989 nicht mehr geworden sind
Carsten: Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, weshalb das eben gerade nicht blauäugig, sondern der Situation angemessen ist.
Erst einmal gehe ich davon aus, dass die tatsächlich Rechtsextremen seit 1989 nicht mehr geworden sind. Wir haben mehr Leute, zum Beispiel auch die zugezogenen Russland- oder Wolgadeutschen, die sogenannten Spätaussiedler, die sich sehr über ihr Deutschtum, also national definieren. Aber die sind ja nicht alle gleich rechtsextrem. Genauso wenig, wie alle Muslime Islamisten sind. Und auch nicht alle, die aus anderen nahöstlichen Ländern außer aus Israel zu uns kommen, sind Antisemiten.
Die AfD begegnet uns vor Ort überall – wir müssen mit ihnen umgehen. Einzige Bedingung: Das Grundgesetz gilt. Punkt.
Von einer Brandmauer gegen die AfD halte ich im Alltag nichts. Ihre Vertreter*innen begegnen uns vor Ort überall, in ganz konkreten Situationen. Wenn ich in einer Stadtverordnetenversammlung ein vernünftiges und nützliches Projekt vorstelle und anschließend ein Stadtverordneter kommt und sagt: „Herr Hiller, bei dem was Sie da vorhaben, unterstütze ich Sie hundertprozentig.“ – wenn sich dann dieser Mann als ein AfD-Mitglied herausstellt, soll ich dann von dem Projekt lassen?
Ja, das kann schwierig und unangenehm sein, trotzdem müssen wir mit ihnen reden, wie mit allen anderen auch. Einzige Bedingung: Das Grundgesetz gilt. Punkt.
RT: Im Blick auf Grüne oder die Linke hat man öfter mal gehört, man müsse sie entzaubern, indem man ihnen Regierungsverantwortung gibt.
Man muss jedem Menschen zugestehen, dass er sich im Lauf seiner Interaktionen mit Andersdenkenden ändert.
Carsten: Dabei wird davon ausgegangen, dass es nur darum geht, die jeweils unbeliebten politischen Mitbewerber*innen in ihrer ganzen Unzulänglichkeit vorzuführen. Das ist nicht mein Punkt. Erstens sind die nicht alle zwingend blöd. Zweitens muss man jedem Menschen zugestehen, dass er sich im Lauf seiner Interaktionen mit Andersdenkenden ändert. Sieht man der heutigen FDP noch an, dass ein Großteil ihrer Gründer*innen Nazis waren? Oder der Linken die SED-Betonköpfe von früher? Sind die Grünen noch so radikalpazifistisch wie 1980? Das ist nicht der Fall. Alle haben sich geändert.
RT: Im Moment hören und lesen wir dauernd mit großem Selbstbewusstsein vorgetragene Ressentiments, Pauschalisierungen und Vorurteile. Da hilft ein möglicher späterer positiver Wandel der entsprechenden Politiker*innen wenig.
Hat ein Teenie daheim eher rechtsextrem gestrickte Eltern, die sagen: Alle Muslime sind doof, dann hilft es sehr, wenn er in einem soziokulturellen Zentrum auf Augenhöhe einem muslimischen Teenie begegnet und feststellt, ich kenne zumindest eine Person, die nicht doof ist. Dann schließt er oder sie daraus: Die Alten daheim haben nicht immer recht.
Carsten: Deshalb ist es ja so wichtig, dass wir, also auch die Soziokultur, die vielen im Einzelnen durchaus vielleicht kleinen Exempel schaffen, die genau diese Ressentiments und Pauschalurteile widerlegen. Hat ein Teenie daheim eher rechtsextrem gestrickte Eltern, die sagen: Alle Muslime sind doof, dann hilft es sehr, wenn er in einem soziokulturellen Zentrum auf Augenhöhe einem muslimischen Teenie begegnet und feststellt, ich kenne zumindest eine Person, die nicht doof ist. Dann schließt er oder sie daraus: Die Alten daheim haben nicht immer recht.
RT: Leider ist es aber nicht selten auch so, dass Teenies Dinge erleben, die rechtsextreme Parolen eher zu bestätigen scheinen.
Carsten: Wem sagst du das. Inzwischen haben wir auch in Brandenburg Schulen mit einem sehr hohen Ausländeranteil. Es ist einfach eine Tatsache, dass dort von den Gruppen der Zugewanderten vergleichsweise sehr oft physische Gewalt ausgeht. Es hat gar keinen Zweck, das laut überschweigen zu wollen. Wir müssen offen über all die Schwierigkeiten sprechen, die die Integration so mit sich bringt. Und dabei möglichst zeigen, dass die Populisten nicht wirklich die Lösungen haben. Wir müssen einfach unseren Job besser machen als die Populisten, Fanatiker und Dogmatiker.
RT: Soziokultur ist ja so etwas wie der kulturelle Antipode der AfD. Machst du dir Sorgen um die Zukunft?
Die finanzielle Situation der Soziokultur ist jetzt schon ein Desaster
Carsten: Ja und nein. Ja, weil die finanzielle Situation der Soziokultur jetzt schon ein Desaster ist. Nein aus einer Vielzahl von Gründen.
Ich glaube nicht, dass sich die Menschen das wegnehmen lassen, was sie jetzt an kultureller Freiheit haben. Viele unserer Mitgliedseinrichtungen machen auch Jugendarbeit. Da trauen sich andere politische Mehrheiten hoffentlich nicht so ohne weiteres ran.
Wir können und sollten viel selbstbewusster sein, wenn es darum geht, Begriffe und Handlungsfelder wie Heimat oder Tradition in unserem Sinne positiv zu besetzen.
Außerdem sind Krisen ja tatsächlich meist auch Chancen. Wir können und sollten viel selbstbewusster sein, wenn es darum geht, Begriffe und Handlungsfelder wie Heimat oder Tradition in unserem Sinne positiv zu besetzen. Viele Zentren sind selbst so stark Heimat, dass Nutzer*innen und Besucher*innen noch lange nach ihrer stürmischen Jungend und zum Teil aus weiter Ferne immer wieder nach Hause kommen. Oder sogar wieder „heimkehren“. Manche von Popularmusik getragene Festivals existieren inzwischen seit Jahrzehnten. Das sind doch auch unsere Traditionen.
RT: Euer Landesverband hat unter seinen Mitgliedern einen hohen Anteil an Festivals. In den anderen Bundesländern sind die Mitgliedseinrichtungen weit überwiegend als dauerhafte Anlaufpunkte und Dritte Orte sozusagen fest in ihren Kommunen verankert. Macht das eigentlich einen Unterschied?
Anerkennung und Offenheit von beiden Seiten: Die „Nation of Gondwana“ ist als Ehrenmitglied in die örtliche Freiwillige Feuerwehr aufgenommen
Carsten: Was die Ziele und Absichten der Soziokultur betrifft? Am Ende nicht. Da ist zum Beispiel das „Nation of Gondwana“-Festival. Die jeweils drei tollen Tage finden seit fast dreißig Jahren statt. Die Macher*innen begegnen den Menschen in Grünefeld, einer kleinen Gemeinde im Umland von Berlin, total entspannt und undogmatisch. Und sie gehören auf ihre Weise mittlerweile dazu. Während des Festivals kommen an die zehntausend Teilnehmende in den Ort. Sie machen Krach, aber sie lassen auch viel Geld und gute Laune da. Die Einwohner*innen sagen dann: Die verrückten Festivalleute sind echt okay. Und ihre Anerkennung geht bis dahin, dass sie zum Beispiel die „Nation of Gondwana“ als Ehrenmitglied in die örtliche Freiwillige Feuerwehr aufgenommen haben. So kann Soziokultur funktionieren.
RT: Das macht wirklich Hoffnung.
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Carsten F. Hiller ist Geschäftsführer von ImPuls Brandenburg e.V.
ImPuls Brandenburg e.V. fordert in seinem aktuellen Positionspapier 1,50 € pro Einwohnende Brandenburgs für Soziokultur, Popularmusik und Festival jährlich.
Vor über 50 Jahren öffneten die ersten „Kommunikationszentren“ in Deutschland als neue Form von Kulturhäusern. Fünf Jahre später war der Begriff „Soziokultur“ geprägt. Initiiert durch die börse Wuppertal und sechs weitere Zentren schlossen sich die soziokulturellen Kulturorte zur „Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren“ zusammen, heute Bundesverband Soziokultur. Seit 45 Jahren tritt der Bundesverband Soziokultur für die Stärkung der Soziokultur, für ihre Sichtbarkeit und angemessene Förderung ein.
Gemeinsam mit Engagierten aus Kultur und Politik, mit Interessierten und Involvierten möchten wir die Expertise der Soziokultur bündeln, über Kulturpolitik diskutieren und feiern. Auf der Veranstaltung werden illustre Gäste vertreten sein, mit denen wir uns freuen, ins Gespräch zu kommen, wie wir gemeinsam die Zukunft der Soziokultur gestalten können.
Programmüberblick: Das Große Einmaleins der Soziokultur
13:00 — 17:00 Uhr Fachtag
Wir möchten die Expertise aus der Soziokultur bündeln, uns in Workshops und Panels austauschen, gegenseitig fortbilden und vernetzen.
18:00 — 20:00 Uhr Podiumsdiskussion „50 Jahre Soziokultur – Teilhabe als Treibstoff für Demokratie“
Videobotschaft durch Claudia Roth MdB, Staatsministerin für Kultur und Medien
Gratulation durch Mechthild Eickhoff, Geschäftsführung des Fonds Soziokultur
Paulina Fröhlich leitet die Podiumsdiskussion mit einem Impulsvortrag ein.
Podiumsdiskussion mit
- Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft NRW
- Helge Lindh, MdB, medien- und kulturpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
- Paulina Fröhlich, Leiterin „Resiliente Demokratie“ und stv. Geschäftsführerin von Das progessive Zentrum
- Lukas Hegemann, Geschäftsführer börse Wuppertal
- Heike Herold, Vorstandsmitglied im Bundesverband Soziokultur und Geschäftsführerin von Soziokultur NRW
- Moderation Vivian Perkovic
ab 20:00 Uhr Gala der Soziokultur
mit Essen, Getränken und einer Würdigung der Soziokultur live auf der Bühne und in Videostatements