Was mich als Medienpädagogen in der Debatte um künstliche Intelligenz am meisten irritiert, ist die Tatsache, wie der Diskurs geführt wird.
Künstliche Intelligenz
Komplexe Thematiken wie künstliche Intelligenz sind nicht dichotom und schon gar nicht durch populistische Vereinfachungen zu beschreiben. Reduzieren wir diese Auseinandersetzung auf ein Schwarz-Weiß-Denken, ob künstliche Intelligenz nun gut oder schlecht ist, verfehlen wir den Kern der Debatte. Mit der allgemeinen Verfügbarmachung von Tools, die mit KI arbeiten, hat sich der Kulturwandel bereits vollzogen. Damit erübrigt sich die Debatte, ob wir diese nutzen wollen oder nicht. Vielmehr geht es darum, wie wir sie einsetzen und wie wir als Menschen mit diesem Kulturwandel umgehen wollen. Und in eben diesem Diskurs steckt die eigentliche Wirkmacht. Schon heute reproduzieren künstliche Intelligenzen Rassismen, Stereotype und diskriminierende Strukturen. Dazu muss eine KI keine Superintelligenz mit „eigenem Bewusstsein“ sein.
ChatGPT - Chance für die Soziokultur?
Maschinelles Lernen funktioniert, indem der Computer auf Textbausteine, sogenannte Parameter, zugreift und diese auswertet. Das im Februar 2023 gestartete ChatGPT-4 arbeitet beispielweise bereits mit unvorstellbaren 100 Billionen Parametern. Wenn bei diesen Prozessen nun Rassismen, Stereotype und diskriminierende Strukturen reproduziert werden, heißt das nichts anderes, als dass es global ein strukturelles Problem mit diesen Themen gibt. Dementsprechend darf die Debatte nicht dichotom, sondern muss sozialkonstruktivistisch geführt und analysiert werden.
In der Interaktion von Mensch und Maschine werden soziale Wirklichkeiten und soziale Phänomene konstruiert, institutionalisiert und in Traditionen überführt. Die enge und intensive Begleitung dieser Debatte gehört für mich damit zu den Kernaufgaben der modernen Soziokultur – nicht zuletzt durch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem noch neuen Medium und eine andere Sicht auf den Kunstbegriff vor dem Hintergrund maschineller künstlerischer Produkte. Die Soziokultur muss ihre Rolle im gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess einnehmen und sich über ihre Kompetenzen und Verantwortungen im Bildungssystem bewusst werden.
Die Aufgabe der Soziokultur im Zuge der Digitalisierung
Es ist die ureigenste Aufgabe der Soziokultur, offene, niedrigschwellig zugängliche, kapitalismuskritische und demokratiefördernde Räume und Orte für alle Menschen zu schaffen, in denen wertfrei und prozessorientiert soziales Handeln erprobt und verhandelt werden kann. Eben diese Räume braucht es, um partizipative, nachhaltige und zukunftsfähige Debatten führen zu können. Die Debatte, wie wir kollektiv mit Themen der KI umgehen wollen, braucht die volle Aufmerksamkeit und eine starke Lobby der Soziokultur.
Natürlich ist es eine große Herausforderung für alle Akteur*innen, medienpädagogisches Handeln und Denken in das Alltagsgeschäft mit aufzunehmen. Vor dem Hintergrund ihrer Theorie und Geschichte sehe ich die Soziokultur dabei in einer besonderen Verantwortung. Was sie dafür braucht, sind erst einmal das Bewusstsein und eine Offenheit, sich dieser Thematik zu widmen. Indem sie Räume und Orte für diesen Diskurs schafft, wäre schon viel gewonnen.
Selbstverständlich braucht die Soziokultur in diesem Transformationsprozess eine neue finanzielle Sicherheit, vor dem Hintergrund der dichotomen Debattenkultur, gezielten Desinformationskampagnen und wachsender Akzeptanz von rassistischen und populistischen Thesen eher früher als später.
Außerdem gehören niedrigschwellige, kreative und partizipative Medienprojekte zum modernen Aufgabenbereich von Jugendkunstschulen und soziokulturellen Zentren. Selbstverständlich braucht die Soziokultur in diesem Transformationsprozess eine neue finanzielle Sicherheit, vor dem Hintergrund der dichotomen Debattenkultur, gezielten Desinformationskampagnen und wachsender Akzeptanz von rassistischen und populistischen Thesen eher früher als später. Daher muss diese schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden.
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 4/2023 Digitalität