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23.06.2020

Nachhaltigkeit, Netzwerk Soziokultur, Zahlen und Fakten

Jetzt in Zukunft: Eine Zwischenbilanz

Von: Patrick Adamscheck

Jetzt ist Nachhaltigkeit noch eine Utopie; in Zukunft gelebter Konsens! Zwischen Mai 2018 und September 2020 entstehen bei Jetzt in Zukunft – einem aus den Mitteln des Fonds Nachhaltigkeitskultur des Rats für Nachhaltige Entwicklung geförderten Kooperationsprojekt des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim und der Bundesverband Soziokultur – praxisnahe Handlungsansätze nachhaltiger Entwicklung in der Soziokultur. Wie steht es aktuell um Nachhaltigkeit in soziokulturellen Zentren? Wie kann klimafreundlich veranstaltet werden? Und wie können Nachhaltigkeit sowie entsprechende Leistungen nicht nur Besucher*innen, sondern auch der Kulturpolitik oder der Öffentlichkeit kommuniziert werden? Diesen Fragen nähert sich Jetzt in Zukunft mit vielfältigen Formaten vom Workshop bis hin zur Evaluation.

Soziokulturelle Zentren sind schon längst auf dem Weg
Um eine Antwort vorwegzunehmen: Soziokulturelle Zentren befinden sich schon längst auf dem Weg. Diese Erkenntnis gewann Jetzt in Zukunft durch die statistische Erhebung des Bundesverbandes, mit der sie zweijährlich rund 600 soziokulturelle Zentren und Initiativen nach ihrer aktuellen Situation befragt. 2018 wurde die Statistik im Rahmen des Projektes um das Thema Zukunftsfähigkeit, synonym für Nachhaltigkeit, erweitert. 46 Prozent der Befragten gaben an, dass Nachhaltigkeit eine Rolle in ihrem Programm spielt, weitere 28 Prozent arbeiten darauf hin. Die genannten Beispiele reichen vom Repaircafé, über Upcycling-Kunst bis hin zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. In zahlreichen soziokulturellen Zentren bestimmt Nachhaltigkeit sowohl Struktur als auch Arbeitsprozesse. 44 Prozent nutzen Strom aus erneuerbaren Energien, weitere 22 Prozent streben das an und 27 Prozent haben in den letzten fünf Jahren eine Energieberatung durchgeführt. Ressourcenverbrauchsziele werden in 20 Prozent der soziokulturellen Einrichtungen verfolgt.

 

Die Ergebnisse der statistischen Erhebung zeigen, dass Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag also bereits eine große Rolle spielt.

 

Auf Fair Trade, Bio-Siegel und recycelbare Materialien achten bei der Beschaffung 68 Prozent. Knapp 90 Prozent der Zentren können mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden und gut 30 Prozent weisen auf ihren Websites auf die ÖPNV-Anbindung hin. Da die Zukunftsfähigkeit der Einrichtungen unmittelbar von der Kompetenz der Mitarbeiter*innen abhängt, bieten 74 Prozent vielfältige Fortbildungsmöglichkeiten an. 33 Prozent der soziokulturellen Zentren und Initiativen engagieren sich bewusst für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen. Verantwortliche Personen oder Arbeitsgruppen für das Thema Zukunftsfähigkeit gibt es bereits in 23 Prozent der befragten Zentren und weitere 27 Prozent planen mit der Einrichtung solcher Verantwortlichkeiten. Die Ergebnisse der statistischen Erhebung zeigen, dass Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag also bereits eine große Rolle spielt. Noch in diesem Jahr wird sich mit der kommenden Befragung zeigen, wie sich das Thema Nachhaltigkeit in der Soziokultur entwickelt.

Kriterien und Indikatoren für die Soziokultur
Die Fragen der statistischen Erhebung zur Nachhaltigkeit leiteten sich aus einem zuvor durchgeführten Workshop in Erfurt ab. Vertreter*innen der Landesverbände und Mitgliedseinrichtungen arbeiteten gemeinsam mit Expert*innen an Kriterien und Indikatoren, die eine zukunftsfähige Arbeitsweise in soziokulturellen Zentren abbilden und erfassbar machen sollten. Ziel dieses Workshops war es, den vom Rat für Nachhaltige Entwicklung publizierten Deutschen Nachhaltigkeitskodex an die spezifischen Anforderungen der Soziokultur anzupassen.

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex ist ein flexibles Instrument zur Berichterstattung über das eigene Nachhaltigkeitsverständnis und dessen Verankerung in Strategie und Arbeitsabläufen; über Ressourcenverbräuche, den Einfluss auf das Gemeinwesen und weitere Aspekte der Nachhaltigkeit. Ein auf die Soziokultur abgestimmtes Berichtssystem wäre auch als kulturpolitisches Instrument zu verstehen und könnte den soziokulturellen Zentren die Möglichkeit bieten, ihre vielfältigen Beiträge zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft gebündelt und einheitlich nach außen zu kommunizieren. Intern würde eine regelmäßige Berichterstattung außerdem dem Monitoring und Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie dienen können. Um die Kriterien und Indikatoren des soziokulturspezifischen Kodexes weiter auszuarbeiten, sollte im Mai 2020 ein zweiter Workshop folgen. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie ist allerdings noch ungewiss ob, wann und in welcher Form der Workshop realisiert werden kann.

Klimaverträgliches Veranstalten – Weimar 2019
Elementare Bestandteile von Jetzt in Zukunft – neben der Bestandsaufahme und der Kommunikation – sind die Praxis und die Bildung eines Netzwerks. Darum ging es im März 2019 zwei Tage lang in Weimar auf der Veranstaltung „Nachhaltige Kulturarbeit“. Während der erste Tag mit Vorträgen zu unterschiedlichen Aspekten nachhaltiger Kulturarbeit in das Thema einführte, wurde am Folgetag in kleinen Gruppen mit der Unterstützung von Expert*innen die Brücke zur praktischen Umsetzung geschlagen. Die erste Gruppe widmete sich der nachhaltigen Beschaffung. Der Markt an fairen und zukunftsfähigen Alternativen vieler Produkte und Dienstleistungen sei groß, so die Ausgangslage. Entscheidend sei also vor allem eine gezielte Marktanalyse, aber auch die Aufklärung der Mitarbeiter*innen über diese Alternativen. In der zweiten Gruppe wurde die Bildung für nachhaltige Entwicklung diskutiert und überlegt, wie Besucher*innen bzw. Teilnehmer*innen bestmöglich erreicht werden können. So müsse es immer darum gehen, individuell zu schauen, welche Methoden und Mittel für die jeweilige Zielgruppe angemessen sind. Oft sei schon das formlose Gespräch über Nachhaltigkeit ein guter Einstieg. Ein großes Problem dagegen sei, das globale und komplexe Spannungsfeld in lokales Handeln umzusetzen und dabei alles in eine pädagogische Praxis zu verpacken. Zu guter Letzt ging es in der dritten Gruppe um klimaneutrales Veranstalten. Im Kern wichtig seien immer die drei Schritte: vermeiden, reduzieren und kompensieren. In der Praxis zeigte sich jedoch schnell die große Herausforderung der Klimaneutralität. Ziel dieser Gruppe war es nämlich, die CO2-Emmissionen der Veranstaltung zu berechnen. Obwohl bei der Planung, Organisation und Durchführung der beiden Tage Klimaverträglichkeit bewusst fokussiert wurde, wäre eine echte Klimaneutralität nur durch das nachträgliche Pflanzen von fünf Bäumen gegeben gewesen. Ohne den letzten Schritt der Kompensation war die Veranstaltung somit eher klimafreundlich als –neutral.

Die Zwischenbilanz ist positiv
Ohne Zweifel kann Jetzt in Zukunft eine positive Zwischenbilanz bescheinigt werden. Auch wenn das Projekt sehr viele Bereiche berührt und diese im Rahmen der begrenzten Projektlaufzeit dadurch nicht in der vollständigen Tiefe bearbeiten kann, hat Jetzt in Zukunft bereits wichtige Prozesse angestoßen sowie dringende Bedarfe aufgedeckt. Der soziokulturspezifische Nachhaltigkeitskodex wird mit oder ohne den zweiten Workshop in einer Entwurfsfassung veröffentlicht, die es zunächst unbedingt in der Praxis zu erproben gilt. Die Veranstaltung „Nachhaltige Kulturarbeit“ in Weimar hat gezeigt, dass es in der Soziokultur einen großen Austauschbedarf und Wunsch nach Qualifizierung zum Thema Nachhaltigkeit gibt. Diese Erfahrung deckt sich auch mit den Ergebnissen der Statistik, die die nachhaltige Entwicklung soziokultureller Zentren in vollem Gange beschreibt – die Soziokultur hat bereits einen großen Schritt getan und will weitermachen! Nötig dafür ist letztlich eine gezielte Förderung.

Erschienen in: infodienst – Das Magazin für kulturelle Bildung Nr. 135

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