Ein Netzwerk für mehr Nachhaltigkeit – „Oje, noch ein Netzwerk!“ oder „Endlich“? Wie kann ein Netzwerk nachhaltiges Organisationshandeln in der Soziokultur fördern? Was muss es leisten und welche Elemente sind dafür zentral? Ausgehend von den wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit fasst dieser Beitrag zusammen, was das aktuell wichtigste Nachhaltigkeitsnetzwerk für Kultur und Medien bereits leistet und was darüber hinaus das gemeinsame Ziel – mehr Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb – weiter fördern könnte.
Mit einem Netzwerk können Akteur*innen eigene Ziele leichter erreichen
Ein Netzwerk ist ein Bündnis von Akteur*innen, die sich zusammentun, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen oder ein Problem zu lösen. Dafür bringen sie unterschiedliche Fähigkeiten und Ressourcen in das Netzwerk ein. Attraktiv und erfolgreich ist ein Netzwerk dann, wenn die Beteiligten mit Hilfe des Netzwerkes ein für sie wichtiges Ziel überhaupt oder mit einem geringeren Aufwand erreichen, als wenn sie es allein umsetzen würden. Die Frage nach dem gemeinsamen Ziel ist deshalb zentral: Ein Netzwerk braucht explizite Ziele, die für alle Mitglieder wichtig sind.¹
Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) nennt vier Faktoren für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit: Zielorientierung, Verbindlichkeit, Kommunikation und Konfliktkompetenz. Netzwerken basiert auf transparenten Strukturen und verbindlichen gemeinsamen Regeln der Zusammenarbeit und Steuerung. Erfolgreiche Netzwerkarbeit unterliegt damit einem gemeinsamen Prozess, der durch transparente Planung und Steuerung und eine gemeinsame Weiterentwicklung gekennzeichnet ist.² Anders ausgedrückt zeigt sich die Qualität eines Netzwerkes darin, dass sich die unterschiedlichen Akteur*innen aktiv einbringen und es gemeinsam gestalten.
Das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien
Das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien (ANKM) bezeichnet sich selbst als „eine spartenübergreifende Anlaufstelle für das Thema Betriebsökologie im Bereich Kultur und Medien“. Das gemeinsame Ziel ist eine „klimaneutrale Kultur“. Um dies zu erreichen, vernetzt das von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien geförderte Netzwerk Pionier*innen mit interessierten Akteur*innen, macht Erfahrungen im Kontext der Betriebsökologie zugänglich und initiiert Projekte und Kooperationen. Das Netzwerk versteht sich als „neutraler intermediärer Akteur zwischen Politik, Verwaltung und handelnden Unternehmungen“ und möchte für Kultur und Medien zur zentralen Anlaufstelle für betriebsökologische Fragen, Beratung und Koordination werden.³
Im Fokus des Netzwerkes steht die Aktion. Dies wurde bei der Auftaktveranstaltung im September 2020 deutlich. Es ging von Anfang an darum, Dinge zusammen zu tun, damit Kultur perspektivisch die Pariser Klimaziele, allen voran das 1,5-Grad-Ziel, einhält und sich betriebsökologisch entsprechend aufstellt. Man wolle eine „Brücke zwischen Wissenschaft und Handeln bauen“, wie Jacob Bilabel, der Leiter des Netzwerkes, es damals ausdrückte. Dennoch ging es nicht nur um betriebsökologische Aspekte in den Organisationen, sondern auch um die Kommunikation nachhaltiger Aktivitäten. Kunst und Kultur als „Transformationsarena“, das war ein zentraler Begriff.
Von Anfang an waren neben der Kulturpolitischen Gesellschaft und dem Deutschen Kulturrat die IHK Köln, die Energieagentur.NRW, das Wuppertal Institut und Julie’s Bicycle Partner des Netzwerkes. 2022 gehören 46 Akteure dem Netzwerk an. Auch der Bundesverband Soziokultur möchte sich in Zukunft aktiv in das Netzwerk einbringen.
Was das Netzwerk leistet:
- Plattform für Informationen: Wer sucht, findet in einem sehr reichhaltigen Informationsangebot (fast) alles, was für die Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements mit Fokus auf Betriebsökologie benötigt wird. Handlungsleitfäden, Fallstudien, CO2-Rechner und gute Beispiele sind nach Kultursparten geordnet.
- Das Netzwerk versammelt Akteur*innen: Auf der Webseite des Netzwerkes können Akteur*innen aus Kultur und Medien eigene Bemühungen und Ansätze der Betriebsökologie darstellen. Hier finden sich Theater, Museen und Orchester sowie Stiftungen und Verbände als Vertreter verschiedener Kultursparten. So bietet das Netzwerk einen Überblick über bereits Unternommenes. Über regelmäßige Veranstaltungen fördert das Netzwerk den Austausch untereinander, wenn auch hauptsächlich auf digitaler Ebene.
- Das Qualifizierungsangebot – ein zentraler Baustein: Die Weiterbildung für Nachhaltigkeitsmanagement vermittelt die wichtigsten Inhalte und Ansätze, um den eigenen Kulturbetrieb ökologisch auszurichten. Entwickelt wurde das Angebot, das sich aus verschiedenen Online-Modulen zusammensetzt, gemeinsam mit der IHK Köln und der Energieagentur.NRW. Es trifft auf großen Bedarf, was an den Wartelisten für die Weiterbildung abzulesen ist. Mindestens so wichtig wie das vermittelte Wissen ist das wachsende Alumni-Netzwerk als Ort des Austausches und gegenseitiger Unterstützung.
Das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit wird von einem vierköpfigen Team betreut, das die Plattform betreibt, Veranstaltungen organisiert und einzelne Projekte initiiert.
Ein Netzwerk für die Soziokultur
Das ANKM ist eine wichtige Anlaufstelle, wenn es um Nachhaltigkeitsmanagement in Kultur und Medien geht, und ist in seiner Funktion bereits jetzt nicht wegzudenken. Es ist zu einem Zeitpunkt entstanden, als es für viele Kultureinrichtungen schwierig war, den eigenen Bedarf in Bezug auf Nachhaltigkeit zu formulieren, fehlten doch sowohl Erfahrungen als auch ein Anforderungsrahmen seitens der Politik. Nun formiert sich der Rahmen und das Ziel einer klimaneutralen Kultur weist den Weg.
Der Bundesverband Soziokultur möchte und wird sich aktiv in das Netzwerk einbringen und ist dazu im Austausch mit den Mitarbeiter*innen des Netzwerks. Ansatzpunkte für eine Kooperation gibt es einige: Die Soziokultur kann mit ihrer heterogenen Mitgliedschaft und dem breiten Spektrum an Angebotsformaten neue Perspektiven sowohl in Bezug auf betriebsökologische Ansätze als auch auf die Vermittlung von Nachhaltigkeit beisteuern. Der Bundesverband Soziokultur hat mit dem Nachhaltigkeitskodex für die Soziokultur bereits 2018 eine wichtige Basis geschaffen. Außerdem kann er seine Erfahrungen mit der strukturellen Verankerung von Nachhaltigkeit in einem Verband einbringen. Er kennt die Bedarfe seiner Mitglieder in Bezug auf die Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements. Und er arbeitet derzeit an einem Beratungs- und Qualifizierungskonzept für kulturelle Einrichtungen.
Doch was heißt „sich einbringen“ konkret? Was könnte der Bundesverband tun und was erwartet er sich von seinem Engagement? Aus Perspektive des Bundesverbands Soziokultur sind folgende Themen attraktiv für eine gemeinsame Bearbeitung:
- Ausbau des Qualifizierungsangebotes unter Mitwirkung der Netzwerkakteur*innen: Der Bedarf an Qualifizierung ist größer als das Angebot. Gleichzeitig ist im Netzwerk mittlerweile viel praktisches Wissen versammelt. Der Pool an Dozent*innen könnte über Expert*innen aus dem Netzwerk erweitert werden. Der Bundesverband Soziokultur könnte hierfür seine praktischen Erfahrungen im strategischen Nachhaltigkeitsmanagement ebenso einbringen wie sein Fachwissen zu verschiedenen betriebsökologischen Themen und sein Wissen zu gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit.
- Aufbau eines Beratungsangebotes: Nachhaltiges Organisationshandeln erfordert häufig individuelle Beratung und Prozessbegleitung. Ein Beratungsangebot, das sich aus den Kompetenzen speist, die bereits im Netzwerk vorhanden sind, könnte eine Antwort auf den Bedarf vieler Kultureinrichtungen sein. Gleichzeitig könnte durch solche gemeinsamen Aktivitäten, die am besten zu gemeinsam vereinbarten Zielen beisteuern, die Verbindlichkeit im Netzwerk erhöht werden. Der Bundesverband Soziokultur entwickelt derzeit ein Beratungsangebot für seine Mitglieder und könnte seine Erfahrungen im Netzwerk teilen und an der Erarbeitung eines Beratungsangebotes mitwirken.
- Gemeinsam Ziele auf dem Weg zur Klimaneu tralität definieren: Indem die geteilten Erfahrungen und das Praxiswissen des ANKM mit einer konkreten Roadmap verknüpft werden, könnte das Ziel der Klimaneutralität plastischer und handhabbarer werden. Eine Möglichkeit wäre, messbare Zwischenziele zu formulieren. Der Bundesverband Soziokultur führt dafür dieses Jahr ein Nachhaltigkeitsmanagement ein. Bis Ende des Jahres sollen sich 50 Prozent der Landesgeschäftsstellen nachhaltig aufstellen und für soziokulturelle Einrichtungen soll ein Beratungs- und Qualifizierungskonzept entwickelt werden.
Sichtbarkeit, Aktion und ein gemeinsames Bekenntnis zu mehr Klimaschutz sind wichtig. Doch klar ist auch: Für das Erreichen des übergeordneten Ziels – eine klimaneutrale Kultur – reicht das nicht aus. Ein Netzwerk ermöglicht es einzelnen Akteure*innen, Aufgaben zu stemmen, die sie aus eigener Kraft nur schwer bewältigt hätten. Das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien könnte und sollte also Ausgangspunkt für eine gemeinsame Weiterentwicklung sein. Hierfür hat es eine großartige Basis geschaffen. Nun gilt es, gemeinsam das in ihm liegende Potenzial weiter auszubauen.
1 Büttner und Voigt (2015)
2 Das sind die vier Faktoren erfolgreicher Netzwerke – INQA – Initiative Neue Qualität der Arbeit | www.inqa.de
3 www.aktionsnetzwerknachhaltigkeit.de
Literatur:
Theoretische Grundlagen für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit. Büttner, Mareike; Voigt, Jana (2015). Download: www.stiftungtoleranz. de/wpcontent/uploads/2016/08/FlickStiftungNetzwerkeend.pdf
Dieser Beitrag ist erschienen im Magazin SOZIOkultur zum Thema ENERGIE.