Wir alle bewegen uns in verschiedenen sozialen Zusammenhängen. Diese Zusammenhänge sind mal enger, mal weniger eng miteinander verknüpft. Das gilt besonders für die Akteur*innen der Kulturpolitik, die sich oftmals nah und fern zugleich sind. Bei Gerd weiß ich fast nichts über seine Zentrums-Existenz und wenig über sein Privatleben. Ich kannte nur den „Bundesvereinigungs-Gerd“. Den aber ziemlich intensiv. Mit ihm habe ich über viele Jahre die Höhen und Tiefen eines mit der Selbstfindung befassten Bundesverbandes erlebt. Ein Weg, der bei der Gründergeneration, zu der Gerd und ich gehören, oftmals auch mit der eigenen Selbstfindung verbunden war.
Die Eckpunkte sind für mich hierbei eine Wohnung in Mainz und der Plenarsaal des Deutschen Bundestages. In der Wohnung in Mainz trafen sich 1990 die Vertreter*innen der damals noch ausschließlich westdeutschen Landesverbände. Man war sich halbwegs einig, dass man aus der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren einen professionell geführten Dachverband machen wollte und es war klar, dass man dazu eine Geschäftsstelle brauchte. Mit Andreas Bomheuer und Gerd Spieckermann waren zwei Personen anwesend, die bereit waren, den Job gemeinsam zu machen. Finanziert wurde das Ganze zeittypisch über ABM-Fördermittel. Es folgten Jahre, in denen zuerst von Andreas und Gerd im Duo, später dann von Gerd alleine, mit der Mitgliederbefragung, dem „Informationsdienst Soziokultur“, einigen großen Kongressen und vielem mehr elementare Aufbauarbeit geleistet wurde. Der Verband professionalisierte sich.
Und da wird der zweite räumliche Eckpunkt wichtig, der Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Gerd und ich hatten die kulturpolitischen Sprecher*innen der Bundestagsfraktionen abgeklappert. Dabei trafen wir auf den damaligen kulturpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und späteren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Der gemeinsame Ruhrgebiets-Hintergrund schuf rasch eine kommunikative Stimmung zwischen Lammert und Gerd und machte mich eher zum süddeutschen Side-Kick. Das machte mir nichts aus, denn ich merkte, dass wir auf einem guten Weg waren.
Ein Weg, der schließlich zur „Großen Anfrage zur Soziokultur“ führte, die von der damals in der Opposition befindlichen CDU/CSU-Fraktion im September 1999 in den Bundestag eingebracht und dort vom gerade neu ins Amt gekommenen Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin beantwortet wurde. In allen Etappen waren wir eng einbezogen: Bei der Formulierung der Anfrage, der Antwort darauf und bei der anschließenden Kritik der Antwort. Viele von uns trugen etwas dazu bei, aber letztlich kam der Hauptbeitrag von Gerd. Er führte die Dinge zusammen und gab ihnen die Richtung. Die soziokulturellen Zentren waren nun erstmals Thema im Deutschen Bundestag. Es war ein Durchbruch!
Ich denke, dass man ohne Übertreibung sagen kann, dass die Erfolgsgeschichte des Bundesverbandes ohne die Arbeit von Gerd so nicht möglich gewesen wäre. Er hat dem Dachverband der soziokulturellen Zentren von einer Hinterzimmerexistenz in einer Mainzer Wohnung zu ernstzunehmender Teilnahme am kulturpolitischen Diskurs der Republik verholfen.
Und was würde der notorisch uneitle Gerd sagen, wenn er diese Zeilen lesen würde? „Also, jetzt mach aber mal halblang! So doll war das nun auch wieder nicht!“ Dazu würde er sein typisches Gerd-Lachen lachen. Ich mochte ihn.
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Gerd Spieckermann starb am 2. Juni 2021 mit 67 Jahren. Unser aufrichtiges Beileid gilt im Besonderen seiner Familie und seinen engsten Freund*innen.