Soziokultur ist vor allem eines: Kultur vor Ort. Ob in der Metropole, Kleinstadt oder ländlichen Gemeinde – Zentren und Initiativen wirken in ihren Kommunen und gestalten das Zusammenleben mit. Wie das konkret aussieht, zeigt die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift SOZIOkultur.
Corinne Eichner und Carsten Nolte blicken auf die aktuelle Lage. Sie heben das Miteinander hervor, und betonen, wie wichtig soziokulturelle Angebote gerade jetzt sind, denn sie führen zu stabilen Bindungen, Kommunikation und Verständnis in den Kommunen – und damit gerade dort, wo die Umbrüche stattfinden.
Als Kulturberaterin ist Elke Flake mit der Soziokultur bestens vertraut und als Ratsmitglied mit der Kommunalpolitik. Sie unterstreicht die Notwendigkeit kommunaler Förderung der Soziokultur und gibt Tipps, wie es dieser gelingt, dafür die Voraussetzungen zu schaffen.
„Immer rein ins Getümmel“, rät Jörg Stüdemann. Aus der Soziokultur kommend, ist er heute Kulturstadtrat und Kämmerer in Dortmund. Er sieht die Gemeinsamkeit im Engagement von Kultur und Politik für ein besseres Leben in der Kommune und ermuntert die Soziokultur, sich mehr einzumischen.
Seit mehr als 20 Jahren kämpft die soziokulturelle Szene in Duisburg um einen Ort in der Stadt. Nun hat sie ihn mit dem Stapeltor 6 endlich gefunden: nach häufigem Scheitern, dank hartnäckigem Engagement und endlich offener Ohren im Rat.
Auch die laufenden Förderprogramme des Bundes kommen Soziokultur UND Kommunen zugute. Hans Hüller, Bürgermeister der Gemeinde Witzin in Mecklenburg, beschreibt, wie Kultur die Menschen zusammenbringt. Mithilfe von LAND INTAKT konnte eine alte Skaterhalle zu einer modernen Multifunktionshalle umgebaut werden.
In Kassel arbeiten das Umwelt- und Gartenamt und das Kulturzentrum Schlachthof eng zusammen. Im Rahmen des UTOPOLIS-geförderten Nachbarschafts-Kunstprojektes „Hier im Quartier“ konnten über partizipative Methoden Ideen zur Freiraumplanung der Stadt gesammelt und Menschen in der Pandemie direkt erreicht werden.
Das Beispiel der Lagerhalle Osnabrück zeigt, welch wichtige Rolle die Kulturförderung der Kommune spielt. Der Rat der Stadt machte den Zugang zum Förderprogramm NEUSTART KULTUR und damit den Einbau einer Lüftungsanlage möglich, indem er den städtischen Anteil erheblich aufstockte.
Bei Jugend ins Zentrum! stellen immer mehr kommunale Einrichtung Projektanträge für Ferienworkshops, weil die Förderung von Kurzformaten in 2021 und 2022 deutlich vereinfacht werden konnte.
Zwei vom NEUSTART Sofortprogramm geförderte Einrichtungen ziehen ein Fazit nach eineinhalb Jahren Pandemie: Die Alte Papierfabrik Greiz e.V. fordert die Stärkung des Ehrenamts, das Kl!ck Kindermuseum in Hamburg wünscht sich, dass Kinder und Jugendliche vermehrt an kommunalen Entscheidungen beteiligt werden.
Die Pandemie ist hoffentlich vorüber, aber die zu lösenden Aufgaben kommen erst – nicht nur für Wirtschaft und Handel, auch für die Demokratie. Die Soziokultur kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten – und die Kommunalpolitik ist gefragt, dies zu unterstützen. Je enger sie zusammenwirken, desto besser wird es gelingen.
Das und noch mehr in der aktuellen SOZIOkultur zum Thema KOMMUNE.
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Wir alle bewegen uns in verschiedenen sozialen Zusammenhängen. Diese Zusammenhänge sind mal enger, mal weniger eng miteinander verknüpft. Das gilt besonders für die Akteur*innen der Kulturpolitik, die sich oftmals nah und fern zugleich sind. Bei Gerd weiß ich fast nichts über seine Zentrums-Existenz und wenig über sein Privatleben. Ich kannte nur den „Bundesvereinigungs-Gerd“. Den aber ziemlich intensiv. Mit ihm habe ich über viele Jahre die Höhen und Tiefen eines mit der Selbstfindung befassten Bundesverbandes erlebt. Ein Weg, der bei der Gründergeneration, zu der Gerd und ich gehören, oftmals auch mit der eigenen Selbstfindung verbunden war.
Die Eckpunkte sind für mich hierbei eine Wohnung in Mainz und der Plenarsaal des Deutschen Bundestages. In der Wohnung in Mainz trafen sich 1990 die Vertreter*innen der damals noch ausschließlich westdeutschen Landesverbände. Man war sich halbwegs einig, dass man aus der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren einen professionell geführten Dachverband machen wollte und es war klar, dass man dazu eine Geschäftsstelle brauchte. Mit Andreas Bomheuer und Gerd Spieckermann waren zwei Personen anwesend, die bereit waren, den Job gemeinsam zu machen. Finanziert wurde das Ganze zeittypisch über ABM-Fördermittel. Es folgten Jahre, in denen zuerst von Andreas und Gerd im Duo, später dann von Gerd alleine, mit der Mitgliederbefragung, dem „Informationsdienst Soziokultur“, einigen großen Kongressen und vielem mehr elementare Aufbauarbeit geleistet wurde. Der Verband professionalisierte sich.
Und da wird der zweite räumliche Eckpunkt wichtig, der Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Gerd und ich hatten die kulturpolitischen Sprecher*innen der Bundestagsfraktionen abgeklappert. Dabei trafen wir auf den damaligen kulturpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und späteren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Der gemeinsame Ruhrgebiets-Hintergrund schuf rasch eine kommunikative Stimmung zwischen Lammert und Gerd und machte mich eher zum süddeutschen Side-Kick. Das machte mir nichts aus, denn ich merkte, dass wir auf einem guten Weg waren.
Ein Weg, der schließlich zur „Großen Anfrage zur Soziokultur“ führte, die von der damals in der Opposition befindlichen CDU/CSU-Fraktion im September 1999 in den Bundestag eingebracht und dort vom gerade neu ins Amt gekommenen Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin beantwortet wurde. In allen Etappen waren wir eng einbezogen: Bei der Formulierung der Anfrage, der Antwort darauf und bei der anschließenden Kritik der Antwort. Viele von uns trugen etwas dazu bei, aber letztlich kam der Hauptbeitrag von Gerd. Er führte die Dinge zusammen und gab ihnen die Richtung. Die soziokulturellen Zentren waren nun erstmals Thema im Deutschen Bundestag. Es war ein Durchbruch!
Ich denke, dass man ohne Übertreibung sagen kann, dass die Erfolgsgeschichte des Bundesverbandes ohne die Arbeit von Gerd so nicht möglich gewesen wäre. Er hat dem Dachverband der soziokulturellen Zentren von einer Hinterzimmerexistenz in einer Mainzer Wohnung zu ernstzunehmender Teilnahme am kulturpolitischen Diskurs der Republik verholfen.
Und was würde der notorisch uneitle Gerd sagen, wenn er diese Zeilen lesen würde? „Also, jetzt mach aber mal halblang! So doll war das nun auch wieder nicht!“ Dazu würde er sein typisches Gerd-Lachen lachen. Ich mochte ihn.
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Gerd Spieckermann starb am 2. Juni 2021 mit 67 Jahren. Unser aufrichtiges Beileid gilt im Besonderen seiner Familie und seinen engsten Freund*innen.