Partizipative Kulturarbeit in der Coronazeit ist paradox: Die Abstandsgebote sollen Menschen voneinander fernhalten, gleichzeitig gewinnen der ewig währende Kooperationsimperativ und der Einbezug von möglichst vielen gerade jetzt an besonderer Bedeutung. Mit projektübergreifenden Kooperationen ist aber nur der erste Schritt getan. Wichtig wird die Frage: Wie erreichen wir die Menschen, bei denen die Aktionen und Angebote ankommen sollen? Um zu aktivieren, Menschen und Stimmen zu stärken und Ideen in Umlauf zu bringen, braucht die Soziokultur darüber hinaus neue oder zumindest frisch polierte Werkzeuge, die genau das auch auf kontaktlosem Wege leisten können.
Die Freiraumkarte in Kassel
Das zeigt die Kooperation zwischen dem Kasseler Umwelt- und Gartenamt und dem Nachbarschafts-Kunstprojekt “Hier im Quartier” des Kulturzentrums Schlachthof in Kassel. Sie wurde im Rahmen der Entwicklung eines gesamtstädtischen Freiraumkonzepts ins Leben gerufen. […]
GERRIT RETTERATH, Projektleiter von “Hier im Quartier” im Kulturzentrum Schlachthof Kassel, und LOUISE LECONTE, Projektleiterin des Freiraumkonzeptes „Kasseler Stadtgrün“ beim Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel, berichten.
Der Artikel aus der aktuellen SOZIOkultur zum Thema KOMMUNE ist nachzulesen hier.
Das Projekt “Hier im Quartier” wird gefördert durch das Programm UTOPOLIS – Soziokultur im Quartier des Bundesverbandes Soziokultur e.V.
Mit dem Programm „LAND INTAKT – Soforthilfeprogramm Kulturzentren“ werden soziokulturelle Zentren, Kulturzentren, sowie Kultur- und Bürgerzentren in ländlichen Räumen gefördert.
Insgesamt 2,76 Millionen Euro hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien für nachhaltige Investitionen bereitgestellt. Wie wurden die Mittel eingesetzt und welche Ergebnisse wurden vor Ort erzielt?
Wir ziehen Bilanz.
Erstmals Investitionsmittel für Kulturzentren in ländlichen Räumen
Anfang letzten Jahres war die Freude groß: Erstmalig wurde ein Soforthilfeprogramm angekündigt, welches sich an Kulturzentren in ländlichen Räumen richtet und bundesweit Modernisierungsmaßnahmen sowie programmbegleitende Investitionen fördert. Bereits eine Befragung von Mitgliedern des Bundesverbands Soziokultur e.V. hatte vorab gezeigt, wie dringend Investitionsmittel zum Erhalt der Häuser benötigt werden. In Windeseile galt es für das neue Projektteam, Ausschreibungsunterlagen zu entwerfen und ein Antragsprozedere zu entwickeln. Um Förderanträge komplett digital verwalten zu können, wurde in enger Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister eine eigene Förderdatenbank entwickelt. Ein Novum für den Bundesverband – und ein großer Fortschritt zugleich. (…)
Fast 150 Kulturzentren erhielten eine Förderung – durchschnittlich 16 250 Euro +++ 2,21 Millionen Euro flossen in Bauunterhalt und Instandsetzung, davon rund 300 000 Euro in technische Modernisierung zur Steigerung der Energieeffizienz. +++ Mehr als 1 Million Euro wurden in Ausstattung für den Veranstaltungsbetrieb investiert, 291 000 Euro in den Verwaltungsbereich und in die Öffentlichkeitsarbeit.
Den gesamten Artikel, erschienen in der SOZIOKULTUR zum Thema “LAND”, lest ihr hier.
Im urbanen Kontext nimmt die Soziokultur einen festen Platz ein, aber auch auf dem Land ist sie längst fest verwurzelt. Als Ort für Begegnung und Bildung, Kreativität und Kunst ist sie oft der einzige kulturelle „Player“. Demografische Entwicklung und Digitalisierung lassen ihre Relevanz sogar noch steigen. Der Soziokultur in ländlichen Räumen widmet sich die aktuelle Ausgabe der SOZIOkultur.
Offenes, positives soziales Klima in soziokulturellen Zentren
Zu den ersten Zentren weitab städtischen Lebens gehörte das Haus Felsenkeller in Altenkirchen im Westerwald. Margret Staal beschreibt, wie nicht nur Angebote geschaffen, Akteur*innen vernetzt und Räumlichkeiten instandgesetzt wurden, sondern wie sich damit das soziale Klima generell wandelte, positiver und offener wurde. Das gilt bis heute und zeigt sich vielerorts: Die Künstlerstadt Kalbe in der Altmark begegnet den Folgen des demografischen Wandels.
Ein umgebauter Kleintransporter, die „Fette Elke“, tourt für Demokratie und Weltoffenheit durch Mecklenburg-Vorpommern. Im brandenburgischen Stechlin-Institut trifft Kunst auf Visionen und Zukunftsfragen. In Schleswig-Holstein lässt die KulturAkademie Segeberg während der „SE-KulturTage“ Scheunen und Ställe, Kirchen und Werkstätten zu ungewöhnlichen Kulturorten werden.
Mit Medienkunst befeuert der KulturBahnhof Viktoria in Itzehoe Partizipation und Teilhabe. Die aktuelle Krise ist dabei Katalysator für Entwicklungen, die sich ohnehin vollziehen. Gerd Dallmann ist gespannt, wie sich mit dem Leben auch die Soziokultur auf dem Land verändert.
Schwierig bleibt es allemal. Die strukturschwachen Regionen stellen die Akteur*innen vor große Herausforderungen. Deshalb fordert Katrin Budde, MdB (SPD), gerade im Hinblick auf ländliche Räume, dass Kultur fester Bestandteil der Daseinsvorsorge werden muss, denn kulturelle Angebote gehören zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse dazu.
Förderprogramme des Bundes
Mehrere Förderprogramme des Bundes helfen derzeit, die Programmarbeit fortzusetzen und die Rahmenbedingungen zu verbessern. Mit „LAND INTAKT – Soforthilfeprogramm Kulturzentren“ konnten die Ausstattung verbessert und dringend notwendige Baumaßnahmen realisiert werden. Das „NEUSTART Sofortprogramm“ und „NEUSTART KULTUR“ reagierten direkt auf die Pandemie. Die Förderprogramme „UTOPOLIS – Soziokultur im Quartier“ und „Jugend ins Zentrum!“ fördern die soziokulturelle Projektarbeit auch in ländlichen Räumen.
Mit der Umsetzung der Förderprogramme unterstützt der Bundesverband Soziokultur nicht nur soziokulturelle Zentren, sondern auch viele andere Kultureinrichtungen, um die einzigartige kulturelle Landschaft in Deutschland zu erhalten. Auch auf dem Land.
Das und noch mehr lesen Sie in der aktuellen SOZIOkultur.
Ihre Ute Fürstenberg und die Redaktion SOZIOkultur
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Die Pressemeldung hier zum Download.
Zum Download hier die Ausgabe der SOZIOkultur zum Thema „LAND“.
Die Printversion können Sie in der Geschäftsstelle des Bundesverbands Soziokultur bestellen.
Unser Landesverband ImPuls Brandenburg hat das bundesweit einzigartige “How to Festival” Handbuch herausgegeben. Das Handbuch schafft den Spagat, sowohl für Festivalveranstalter*innen als auch für Brandenburger Behördenmitarbeiter*innen ein Ratgeber und Wegweiser im Dschungel der Festival-Organisation zu sein.
Ziel ist es, die Festival-Szene und zuständigen Genehmigungsbehörden in ihren Belangen und Bedürfnissen zu stärken sowie das Know-how zu bestimmten Fachthemen und Prozessabläufen zu erhöhen.
Wie sieht die Organisation eines Festivals aus? Was für Genehmigungen sind notwendig? Wo und wann sollten Anträge gestellt werden?
Mit der Publikation will ImPuls Brandenburg die vielfältige Brandenburger Festivalszene stärken und die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten verbessern und erleichtern.
Hier findet ihr weitere Informationen und könnt das Festival-Handbuch durchblättern.
Der Bundesverband Soziokultur e. V. empfiehlt dringend einen politischen Beschluss zur Fortsetzung des Bundesprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) noch in dieser Legislaturperiode. Das Programm verbessert nachhaltig die Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen und sollte 2023 ohne Unterbrechung fortgeführt werden können.
Die Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen durch verlässliche Bildungsangebote dauerhaft zu verbessern, darüber besteht fraktionsübergreifend Konsens. Das ist ein Ergebnis des virtuellen „Parlamentarischen Abends“ zu dem die Partner*innen des Programms „Kultur macht stark“ Abgeordnete der Bundestagsausschüsse für Bildung, Kultur und Jugend sowie Expert*innen aus diesen Bereichen, am Mittwoch, den 24.03.2021 eingeladen hatten.
Vertreten waren u. a. der parlamentarische Staatssekretär im BMBF Thomas Rachel (CDU/CSU), die Mitglieder des Bundestags Yvonne Magwas (CDU/CSU), Ulrike Bahr (SPD), Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Birke Bull-Bischoff (Die Linke) und Hartmut Ebbing (FDP). Zu den Expert*innen der zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zählten u. a. Jutta Croll (Stiftung Digitale Chancen), Marc Grandmontagne (Deutscher Bühnenverein), Holger Hoffmann (Deutsches Kinderhilfswerk) und Prof. Dr. Susanne Keuchel (Deutscher Kulturrat).
Bisher rund 30.000 Projekte für Kinder und Jugendliche
Um die bildungsbezogenen Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen langfristig, nachhaltig und kontinuierlich zu stärken, ist es unabdingbar, das erfolgreiche Bundesprogramm „Kultur macht stark“ unmittelbar nach dem vorläufigen Ende 2022 fortzuführen. Wir beobachten, dass sich die strukturell begründete Bildungsungerechtigkeit insbesondere durch die Einschränkungen der Pandemie verschärft und die Möglichkeiten der kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe insbesondere von Kindern und Jugendlichen erschwert hat.
Kinder und Jugendliche, die in Risikolagen und mit geringen Möglichkeiten zur kulturellen Teilhabe aufwachsen, benötigen zukünftig noch größere Unterstützung durch zusätzliche Angebote der außerschulischen kulturellen Bildung. In den bisher rund 30.000 Projekten von „Kultur macht stark“ eröffnen sich außerhalb der schulischen Bildung und des familiären Kontextes Freiräume und Experimentierfelder: Sich in diesen Kontexten ausprobieren zu können, fernab von schulischer Bewertung aus freien Stücken Lernerfahrungen zu machen und Selbstwirksamkeit zu erfahren – darin liegt die große Stärke des Programms. Solche Angebote sind durch die pandemiebedingte Bildungskrise wichtiger denn je.
Nahtlose Fortführung gewährleisten
Das vom Bundesverband Soziokultur sowie weiteren bundesweit tätigen zivilgesellschaftlichen Fachverbänden und Initiativen durchgeführte Förderprogramm schafft dank seiner großen Vielfalt zahlreiche Zugänge zu Kunst und Kultur und fördert gezielt die kreativen Ausdrucks- und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Für mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland muss das Engagement des Bundes langfristig gesichert werden. Damit Kinder und Jugendliche kontinuierlich kulturelle Bildungsangebote wahrnehmen können, muss die nahtlose Fortsetzung des Programms „Kultur macht stark“ gewährleistet werden. Eine Unterbrechung der Förderung würde die lokal aufgebauten Netzwerke aus diversen (überwiegend ehrenamtlich geführten) Einrichtungen und Akteur*innen sowie die aufgebauten Strukturen, die den Erfolg des Programms garantieren, empfindlich schwächen und gefährden. Darum ist noch in dieser Legislaturperiode ein Beschluss des Bundestages notwendig, der dieses zentrale Bildungsziel bildungspolitisch verbindlich fixiert und entsprechend finanzielle Mittel dafür in Aussicht stellt.
Margret Staal, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Soziokultur e. V. und der LAG Soziokultur & Kulturpädagogik Rheinland-Pfalz e. V., spricht sich explizit für einen politischen Beschluss zur Forstschreibung des Förderprogramms vor der nächsten Bundestagswahl aus: „Das Jahr 2017 markierte das Ende der ersten Förderperiode ‚Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung‘. Damals gab es eine massive Lücke bis die Förderungen erneut auf lokaler Ebene umgesetzt werden konnten. Das ist für die Adressat*innen des Programms schwer erträglich – Beziehungsarbeit, Kontinuität und Verlässlichkeit sind für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen wichtig. Genauso essentiell ist die nahtlose Fortschreibung für die Akteur*innen in den soziokulturellen Einrichtungen, die die Projekte oftmals ehrenamtlich stemmen. Gerade jetzt und in der Folgezeit der Pandemie sind stabile Kontakte und verlässliche Fortsetzungen der Projekte notwendig, um die Kinder und Jugendlichen weiterhin zu erreichen. Wenn jetzt ein politischer Beschluss erfolgt, gibt es die Chance, dass sich die Unterbrechung aus 2018 nicht wiederholt.“
Prof.in Dr.in Susanne Keuchel, Vorsitzende des Deutschen Kulturrates: „Die fraktionsübergreifend große Unterstützung für das Programm ‚Kultur macht stark‘ ist enorm wichtig, da es das explizite Ziel verfolgt, Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu stärken, die aufgrund ihrer sozialen Lage kaum von außerschulischen kulturellen Bildungsangeboten erreicht werden. Da die Pandemie Bildungsungleichheiten noch einmal verschärft hat, ist es für die betroffenen Kinder und Jugendlichen wichtig, die Fortsetzung des Programms bereits jetzt verbindlich zu regeln, so dass keine Förderlücken entstehen. Ziel einer dritten Förderphase sollte es sein, die Projekte noch stärker innerhalb der lokalen Bildungslandschaften zu verankern, um langfristige Synergieeffekte zu ermöglichen. Als neue Programmatik sollte das Ziel verfolgt werden, mehr milieuübergreifende Begegnungen im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu ermöglichen und das Programm zugleich auch für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zu öffnen.“
“Jugend ins Zentrum!” des BV – Förderung für rund 8.000 Kinder und Jugendliche
Die 29 Programmpartner*innen der aktuellen Förderphase haben sich in einem Positionspapier für die Entwicklung einer dritten Förderphase „Kultur macht stark“ ausgesprochen und ihre Forderungen an den politischen Raum gerichtet. Hier können Sie das Positionspapier und die Forderungen nachlesen.
Der Bundesverband Soziokultur e. V. fördert mit dem Programm „Jugend ins Zentrum!“ im Rahmen von „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ seit 2013 über 500 Projekte Kultureller Bildung und konnte so bereits rund 8.000 Kinder und Jugendliche mit erschwerten Zugängen zu Kunst und Kultur erreichen.
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Die Pressemeldung steht hier zum Download bereit.
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Weitere Informationen und Kontakt:
Bundesverband Soziokultur e. V.
Katrin Jahn | Projektleitung „Jugend ins Zentrum!“
Lehrter Str. 49 HH |10557 Berlin
Katrin.Jahn@soziokultur.de
www.jugend-ins-zentrum.de | Facebook @jugendinszentrum
Mit dem milliardenschweren Förderprogramm NEUSTART KULTUR werden unter anderem dringend benötigte Investitionen in Kultureinrichtungen für den Weiterbetrieb unter Pandemiebedingungen unterstützt. Eine Analyse der eingegangenen Anträge zeigt, wo die Bedarfe besonders groß sind und was die Zentren tun, um auch in der Krise handlungsfähig zu bleiben.
Kleine Veranstaltungsräume, schlechte Luftverhältnisse und in die Jahre gekommene Sanitäranlagen: Soziokulturelle Zentren werden durch die aktuelle Situation vor besondere Herausforderungen gestellt. Die Maßnahmen zur Einschränkung des Infektionsgeschehens führen ohne entsprechende Investitionen für viele soziokulturelle Zentren wie für Kulturzentren zu enormen wirtschaftlichen Einbußen, sodass eine Öffnung der Häuser unter den gegebenen Umständen für viele aussichtslos erscheint. „Kein Abstand zur Kultur, aber Kultur mit Abstand zueinander“ – das fordern daher die Akteur*innen der (sozio-)kulturellen Szene.
Fördervolumen 25 Mio. Euro
Das Förderprogramm NEUSTARTKULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien unterstützt diese Forderung mit dem Programmteil „Pandemiebedingte Investitionen in Kultureinrichtungen zur Erhaltung und Stärkung der bundesweit bedeutenden Kulturlandschaft“. Vom Gesamtvolumen des Programmteils im Umfang von maximal 250 Millionen Euro stehen soziokulturellen Zentren, Kulturzentren und Literaturhäusern im Bereich 1d) („Zentren“) bis zu 25 Millionen Euro zur Verfügung, um ihren Weiterbetrieb und somit den Erhalt der vielfältigen (sozio-)kulturellen Landschaft zu gewährleisten.
Der Bedarf an Investitionen ist groß!
Dies wird schon durch den Ansturm auf das Förderprogramm deutlich. So schloss das Antragsportal für den Bereich „Zentren“ bereits am 28. Oktober 2020 wegen Überzeichnung, drei Tage vor dem spätesten Fristende. Insgesamt 626 Anträge mit Gesamtkosten in Höhe von rund 31 Millionen Euro sind beim Bundesverband Soziokultur, der mittelausreichenden Stelle für soziokulturelle Zentren, Kulturzentren und Literaturhäuser, eingegangen. Das Fördervolumen von 25 Millionen Euro ist damit voraussichtlich ausgeschöpft.
Den Anträgen lässt sich entnehmen, dass die Ausgangslage in den (sozio-)kulturellen Zentren und Literaturhäusern in Bezug auf die Corona-Maßnahmen nicht optimal ist. Lüftungsanlagen zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden Lufthygiene sind dort entweder in veraltetem Zustand oder gar nicht erst vorhanden. Die Lüftung über Fenster und Türen bedeutet eine Zumutung für die Gäste, gerade in der kälteren Jahreszeit. Bei Einhaltung der Abstandsregelungen und der Lufthygienevorschriften können Veranstaltungen also derzeit nicht oder nur mit einer stark reduzierten Besucher*innenzahl stattfinden.
Maßnahmen gegen die Aerosolbelastung
Für insgesamt rund sechs Millionen Euro¹ beabsichtigen knapp 40 Prozent der Antragstellenden den Einbau, die Aufrüstung oder Anschaffung von Klima- und Belüftungssystemen mit einem Durchschnittswert von rund 25000 Euro. Laut RKI erhöht der längere Aufenthalt in kleinen und schlecht bis nicht belüfteten Räumen die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung des Virus durch Aerosole auch über eine größere Distanz als anderthalb Meter. Neben der Einhaltung des Mindestabstandes ist also auch die Innenraumlufthygiene von immenser Wichtigkeit, um das Infektionsrisiko durch das SARS-CoV-2-Virus zu minimieren. Frische Luft zuzuführen und vorhandene Luft zu filtern sind Hauptaufgaben der raumlufttechnischen Anlagen. Ein reiner Umluftbetrieb sollte daher möglichst vermieden und stattdessen eine hohe Luftwechselrate durch Frischluft angestrebt werden.
Die Anträge beinhalten neben dem Einbau und der Reparatur von Frischluftanlagen auch die Anschaffung unterstützender Luftfiltersysteme. Laut Bundesregierung sind dabei HEPA-Filter (H13 und H14) generell zu bevorzugen. Die Antragstellenden sind angehalten, bei der Anschaffung oder Aufrüstung ihrer RLT-Anlagen vor allem den Gesundheitsschutz der Nutzenden, die technischen Möglichkeiten, die Art und Weise der Raumnutzung sowie das Verhalten der Nutzenden zu berücksichtigen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.
Lieber draußen statt drinnen
Wichtiger noch als die Aufrüstung der Innenräume ist für die Einrichtungen allerdings die Nutzbarmachung des Außenraums. Dies macht eine Analyse der eingegangenen Anträge deutlich. Laut RKI ist bei Wahrung des Mindestabstandes die Übertragungswahrscheinlichkeit im Außenbereich aufgrund der Luftbewegung sehr gering. Die kulturelle Arbeit soll entsprechend in den Außenbereich verlegt werden, besonders da, wo Innenräume mit den Vorgaben der Corona-Maßnahmen nicht mehr bespielbar sind. Knapp 4,5 Millionen Euro werden von den Antragstellenden für Maßnahmen zur Nutzbarmachung und Erweiterung der vorhandenen Nutzflächen benötigt. Dabei setzen die Antragstellenden auf kreative Lösungen wie den Ausbau von Dächern, aber auch auf die Erschließung von bisher brachliegendem Gelände.
Mit einem Antragsvolumen von über sieben Millionen Euro liegt der Schwerpunkt der Antragstellenden klar auf Ausstattungen für Open-Air Veranstaltungen. Gefragt sind sowohl mobile Bühnensysteme für das Außengelände als auch Licht- und Tontechnik. Wetterbefestigungen wie Pavillons, Zelte oder Überdachungen sowie Anschaffungen von Außenmobiliar, Stühlen und Tischen ergänzen die Anträge.
Kulturveranstaltungen, die normalerweise im Innenraum stattfinden, können mit der neuen Technik in den Außenraum verlagert werden. Dies entzerrt die Besucher*innenmassen und gewährleistet die gemeinsame Teilnahme an Veranstaltungen unter Einhaltung des Mindestabstandes und unter optimalen Luftverhältnissen.
Von Bad bis Büro: Modernisierungen machen die Zentren arbeits- und zukunftsfähig
Weitere Maßnahmen, deren bereits bestehende Dringlichkeit durch die Corona-Pandemie erneut hervorgehoben wurden, werden ebenfalls mithilfe des Förderprogramms angegangen. 26 Prozent der Antragstellenden planen die Modernisierung ihrer Sanitäranlagen, den Einbau barrierefreier Toiletten mit kontaktlosen Spülungen und Armaturen sowie adäquate Seifen- und Desinfektionsmittelspender mit Gesamtkosten von rund 2,5 Millionen Euro. Dies sorgt zum einen für die Einhaltung der erforderlichen Hygieneregeln, dient aber auch dem Wohlbefinden und dem gestiegenen Hygienebedürfnis der Gäste.
Die (sozio-)kulturellen Zentren werden mit entsprechenden Investitionen nicht nur für die aktuelle Situation gewappnet, sondern darüber hinaus zukunftsfähig ausgestattet. 44 Prozent der Antragstellenden nutzen das Programm mit dem Ziel, die eigene IT-Infrastruktur auszubauen, Streaming-Dienste einzurichten und technische Geräte anzuschaffen. So können Programme durch digitale Formate erweitert und kulturelle Angebote risikoarm genutzt werden. Workshops können gleichzeitig vor Ort und in den Wohnzimmern der Teilnehmenden stattfinden. Dies bedeutet einerseits eine Entzerrung der Gruppengrößen, befördert darüber hinaus aber auch in Zukunft die Zugänglichkeit zu kulturellen Angeboten und die kulturelle Teilhabe – ein erklärtes Ziel (sozio-)kultureller Arbeit.
Und nicht zuletzt kommt das Programm auch den Mitarbeitenden (sozio-)kultureller Zentren zugute. Digitale Aufrüstungen für Büroräume und die Einrichtung von Arbeitsplätzen im Homeoffice werden von den Antragstellenden beantragt, damit auch hier eine Entzerrung stattfinden kann.
„Kultur auf Abstand – aber kein Abstand zur Kultur“
Das Programm NEUSTART KULTUR wird einer Vielzahl soziokultureller Zentren, Kulturzentren und Literaturhäuser den Weiterbetrieb in Zeiten der Corona-Pandemie, aber auch darüber hinaus ermöglichen. Bis zu 15 Millionen Euro kommen soziokulturellen Zentren und Initiativen darüber hinaus in der Fördersäule „Programm“ zur Unterstützung ihrer Programmarbeit zugute.
Der Artikel erschien in der Zeitschrift SOZIOkultur zur Thema HÄUSER. Hier die Ausgabe zum Download.
Wie greifen die Förderungen? Was wird mit den Geldern umgesetzt? Erfahren Sie mehr auf www.neustartkultur.de.
Grafik © Johanna Götz
¹ Bei den Teilmengen handelt es sich um die Gesamtkosten der Maßnahmen, das heißt die Fördersumme plus den Eigenanteil.
In etwa zwei Wochen, am Sonntag, den 14. März 2021, finden in Rheinland-Pfalz Landtagswahlen statt. Wie sind die Positionen der Parteien zur Soziokultur? Wir haben nachgefragt: Welche Rolle spielt die Soziokultur in Ihren politischen Planungen?
GIORGINA KAZUNGU-HASS, MdL (SPD)
Kulturpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Soziokultur ein zentrales Handlungsfeld unserer Kulturpolitik. Wir wollen Kultur so fördern, dass sie breit in die Fläche wirkt und alle gesellschaftlichen Gruppen partizipieren lässt. In den vergangenen fünf Jahren haben wir deswegen die Mittel im Bereich der Soziokultur deutlich erhöht. Als neues Instrument der Kulturförderung wollen wir in der kommenden Legislaturperiode einen landesweiten Kulturentwicklungsplan erarbeiten. Dabei kommt der koordinierenden Kraft der Akteure der Soziokultur eine wichtige Aufgabe zu. Als nicht kommerzialisierte „Dritte Orte“ dienen soziokulturelle Zentren der Entfaltung des Einzelnen und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. In ihrer Vielfalt wollen wir sie weiter unterstützen und fördern.
MARION SCHNEID, MdL (CDU)
Kulturpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz
Neben den klassischen Kulturbereichen leistet die Soziokultur einen wertvollen Beitrag zur Vielfalt des kulturellen Angebots in unserem Land, vor allem auch im Hinblick auf Kinder und Jugendliche wie auch im interkulturellen Bereich. So sind zum Beispiel Jugendkunstschulen ein idealer Ort, um Heranwachsende in ihrer Kreativität durch künstlerisch-gestaltende Angebote zu fördern. Auch wird die Aufgabe der Kulturbüros, Kulturschaffende zu unterstützen und zu vernetzen, gerade jetzt noch notwendiger. Uns ist es wichtig, die kulturelle Vielfalt und den Zugang zu Kultur auch für die Zukunft zu sichern und Kulturförderung einen verpflichtenden Charakter zu geben. Daher werden wir uns für ein Kulturfördergesetz einsetzen, das die Wertschätzung aller Kulturbereiche umfasst und eine planbare, finanzielle Förderung aller Sparten sicherstellt.
THOMAS ROTH, MdL (FDP)
Kulturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion Rheinland-Pfalz
Die Vielfalt an unterschiedlichen Lebensentwürfen ist der Kern unserer liberalen Gesellschaft und die entscheidende Antriebskraft für Innovation und Weiterentwicklung – unabhängig, ob durch Arbeit, Kunst oder eben Kultur. Kultur ist die soziale Basis unserer Gesellschaft und muss – unabhängig, ob Stadt oder Land – zugänglich sein. Die Corona-Pandemie hat diesen Auftrag noch verschärft. Wir werden uns daher für eine Enquete-Kommission „Kultur“ einsetzen. Zusammen mit den Kulturschaffenden wollen wir Kulturangebote sichern und weiterentwickeln. Hierfür müssen wir Freiräume schaffen, sie fördern und unterstützen. Finanzielle Unterstützungen in und nach der Corona-Pandemie sind für den Erhalt von flächendeckenden Angebote entscheidend. Dafür werden wir uns einsetzen.
KATHARINA BINZ, MdL (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sprecherin für Integrations- und Asylpolitik, Hochschule, Wissenschaft, Forschung, Weiterbildung und Kultur, Verbraucherschutz, Gesundheit, Pflege und Drogenpolitik
Für uns GRÜNE ist Kultur absolut unverzichtbar für ein gutes Leben. Wir wollen deshalb sicherstellen, dass die Bedingungen für Künstler*innen und Kulturschaffende in unserem Land geeignet sind, sich mit voller Energie der Kunst zu widmen. In der kommenden Legislatur möchten wir eine Kultur-Enquetekommission einsetzen, mit dem Ziel, die Kulturförderung auf neue Füße zu stellen. Wir wollen mit den Kreativen über Fragen der Kulturförderung, aber auch über Entwicklungsmöglichkeiten der kulturellen Landschaft ins Gespräch kommen, um die Bedingungen für Kultur grundlegend zu verbessern. Die soziokulturellen Zentren nehmen wir dabei besonders in den Blick, da sie in einem Bundesland wie Rheinland-Pfalz oft die erste und manchmal die einzige Möglichkeit sind, Kultur mit allen Sinnen zu erleben.
Der Artikel erschien in der Zeitschrift SOZIOkultur zur Thema HÄUSER. Hier die Ausgabe zum Download.
v. l. n. r. Giorgina Kazungu-Haß, SPD. Foto © Susi Knoll | Marion Schneid CDU. Foto © LTW Thomas Roth, FDP. Foto © Sabrina Feige | Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Foto © Katharina Binz
Die Unterschiede bei den Förderbedingungen für die soziokulturelle Arbeit sind zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr groß. Die Corona-Krise hat diese Unterschiede noch einmal verdeutlicht.
Kultur gehört bekanntlich zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die deshalb auch durch die Kommunen zu finanzieren sind. Besonders in strukturschwachen Gebieten und in Problemquartieren von Großstädten reichen die kommunalen Einnahmen seit Jahrzehnten bei weitem nicht hin, um eine Grundfinanzierung der soziokulturellen Einrichtungen zu gewährleisten, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit bietet. Während der letzten Jahre weisen die Leistungen unserer Mitgliedseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ große Zuwächse auf. Parallel dazu hat sich beim Bund und in den Ländern das Bewusstsein vertieft, dass Soziokultur eine unverzichtbare Rolle für das demokratische Gemeinwesen spielt und mit vereinten Kräften unterstützt werden muss. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen aber zum Teil sehr große Unterschiede. Es gab sie bereits während der „normalen“ Vor-Pandemiezeiten, und es gibt sie in den landespolitischen Reaktionen auf die aktuelle Krise. Erstmalig geben die Landesverbände einen Überblick über beides.
Teil 7: Mecklenburg-Vorpommern
- Wenig Unterstützung für freie Künstler*innen trotz schneller finanzieller Hilfe für die Kultur.
- Neue Wege des Miteinanders halten die Kultur lebendig.
Die Corona-Pandemie hat das Land vor enorme Herausforderungen gestellt. Auch wenn die Fallzahlen der Infizierten sehr niedrig sind, stellt die Krise einen immensen Einschnitt in das wirtschaftliche und öffentliche Leben dar. In Mecklenburg-Vorpommern mit seinen zumeist ländlich geprägten Regionen sind die Kulturszene und der Tourismus besonders hart betroffen. Die Landesregierung hat mit dem Einreiseverbot sehr schnell auf die gesundheitliche Bedrohung reagiert. Die Schließung der touristischen Hotspots und kulturellen Einrichtungen und damit die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens war sicherlich die richtige Entscheidung. Aber die Folgen dieses Shutdowns sind kaum abzusehen.
Positiv hervorzuheben ist die schnelle Reaktion auf die Krise, das frühzeitige Bemühen, den Schaden in allen wirtschaftlichen und öffentlichen Bereichen zu minimieren und den Menschen – auf privater und beruflicher Ebene – Sicherheit zu geben, damit sie sich nicht alleingelassen fühlen. Dazu wurden verschiedene Hilfsprogramme aufgelegt.
So können im Rahmen des MV-Schutzfonds Nothilfen beantragt werden, die betriebliche Ausfälle abfedern sollen. Hier können bis zu 40.000 Euro Unterstützung beantragt werden, jedoch nicht für die Deckung von Lebenshaltungskosten. Für soziokulturelle Einrichtungen greift diese Soforthilfe, wenn sie über Räumlichkeiten und Angestellte verfügen. Kleinere, oft ehrenamtlich organisierte Initiativen ohne feste Räumlichkeiten und viele Künstler*innen und Solo-Selbständige können dieses Programm nicht nutzen.
Auch die angebotenen Kredite werden von ihnen weniger in Anspruch genommen, da fraglich ist, wie sie diese im späteren Verlauf zurückzahlen können. Die Kultur war schon vor der Krise kein einträgliches oder gewinnorientiertes Feld und unterfinanziert. Die meisten (sozio-) kulturellen Einrichtungen werden mit viel Herzblut und ehrenamtlichem Engagement betrieben. Ohne diesen oftmals an Selbstausbeutung grenzenden Einsatz würden viele von ihnen nicht überleben. Die Problematik wurde bereits von der Landesregierung erkannt. Sie versucht mit der Implementierung kulturpolitischer Leitlinien, die seit einiger Zeit in Entwicklung sind, diesem Missverhältnis entgegenzutreten. Denn eines ist allen klar: Die Kulturlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern steht für Vielfalt, lebendigen Austausch und ist nicht zuletzt demokratiestiftend.
Zusätzlich wurde ein Hilfsfonds für die Kultur geschaffen. Hier können Kulturschaffende, gemeinnützige Organisationen und Vereine Unterstützung wie folgt beantragen:
>>> institutionell und dazu analog geförderte Einrichtungen (3,5 Mio. Euro)
>>> Träger mit gemeinnützigen Projekten in der Kulturförderung (3,8 Mio. Euro)
>>> Träger mit gemeinnützigen Projekten außerhalb der Kulturförderung (1,5 Mio. Euro)
>>> Überbrückungsstipendien für freischaffende Künstler*innen (wird als zweckbestimmtes Einkommen nicht auf ALG II angerechnet)
>>> Träger der allgemeinen und politischen Weiterbildung (600.000 Euro)
>>> Träger der Gedenkstättenarbeit (200.000 Euro)
Leider finden auch in diesem Fonds viele Freiberufliche kaum Unterstützung. Daher möchte der Landesverband Soziokultur in Mecklenburg-Vorpommern dringend anregen, für hauptberuflich freischaffende Künstler*innen eine Soforthilfe in Höhe von 1.000 Euro pro Monat bis zum Ende der pandemiebedingten Einnahmeverluste nach dem Vorbild von Baden-Württemberg und Bayern einzuführen.
Bis es zu Öffnungen der Kulturbetriebe kommt und wir wieder uneingeschränkt Konzerte, Theater, Workshops und Ähnliches genießen können, scheint es noch ein langer Weg zu sein. Bis dahin halten wir die Kultur lebendig und nutzen andere Wege des Miteinanders. So wie das Kulturfestival „Nordischer Klang“, digital und sicher: Es wurde kurzfristig auf ein digitales Format umgestellt – für ein so umfangreiches Festival sehr beeindruckend. Auch das deutschlandweit bekannte „FiSH-Festival“ in Rostock ging in diesem Jahr digital an den Start. Viele unserer Mitglieder reagieren schnell und kreativ auf die veränderte Situation und demonstrieren so die Resilienz der Soziokultur.
(Stand 20. Mai 2020)
Der Vergleich zwischen den Bundesländern ist in der Zeitschrift SOZIOkultur 2/2020 Lock’n’Roll erschienen.
Die Programme von Bund und Ländern bieten bisher keine ausreichenden Hilfen für soziokulturelle Zentren. Wie den Unternehmen des Handels, der Gastronomie und des Tourismus zieht das Veranstaltungs- und Kontaktverbot auch der Soziokultur den Boden unter den Füßen weg. Dies unter der prekären Bedingung, dass die Akteure der Soziokultur sich bereits seit Jahrzehnten selbst ausbeuten.
Nicht profit-, sondern ideell und gemeinnützig orientiert, sind sie zudem gesetzlich an der Bildung von Rücklagen gehindert und sie müssen einen Großteil ihrer selbst erwirtschafteten Eigenmittel für Grundkosten aufbringen. Sie sind also besonders hart betroffen.
Soziokultur wird jetzt dringender den je gebraucht
Die Leistungen der soziokulturellen Zentren als »Role Models« und Energiequellen einer offenen, demokratischen Gesellschaft sind unverzichtbar. Ob in den Problemquartieren der Großstädte oder in strukturschwachen ländlichen Gebieten: Nach der Krise werden sie von den Menschen, die deren Folgen bewältigen und wieder Fuß fassen wollen, als Orte der Kultur und Kommunikation dringender denn je gebraucht. Bislang erhalten sie aber aus keinem der Hilfsprogramme und keiner der sonstigen Maßnahmen ausreichend Hilfe in ihrer Not. Diese muss jetzt sehr schnell und unbürokratisch erfolgen. Sowohl unsere Datenerhebung aus 2019 als auch eine aktuelle Umfrage, an der sich fast alle unserer 566 Mitgliedseinrichtungen beteiligten, zeigen: Die Lage ist äußerst ernst. Mehr als ein Drittel der Zentren sieht seine Existenz unmittelbar bedroht. Erste Einrichtungen haben bereits ihre Schließung angekündigt.
Ergebnisse der COVID-19 Blitzumfrage und der Statistik 2019
Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf den Zeitraum von einem Monat ab dem 15. März 2020. Sie zeigen, dass der landesweite Shutdown fundamental die kaum vorhandenen Reserven der soziokulturellen Zentren und Initiativen angreift. Als unmittelbare Auswirkung von Covid-19 sind mindestens 8.000, wahrscheinlicher aber nahe 13.500 Veranstaltungen von Absagen betroffen. Unter anderem je nach Dauer der Kontaktsperre lassen sich voraussichtlich nur zwischen 2.300 und 4.800 Veranstaltungen und kontinuierliche Angebote wie Kurse und Workshops verschieben. Dabei haben größere Zentren auch die größeren Chancen, Veranstaltungen später nachzuholen. Die durch die kleineren Zentren geleistete Nachbarschaftsarbeit entfällt hingegen meist ersatzlos. Mehr als zwei Drittel der befragten soziokulturellen Zentren verfügen für den Fall von Betriebsschließungen auf behördliche Anordnung über keine Versicherung. Sie müssen den finanziellen Verlust selbst tragen. Je Einrichtung wird er sich auf durchschnittlich 20.500 Euro, insgesamt auf mehr als 8 Millionen Euro belaufen. Die Verluste entstehen hauptsächlich aus fehlenden Eintrittsgeldern und Kursgebühren, aber auch aus entfallenden Mieteinnahmen. Beinahe zwei von drei Zentren bangen zudem um ihre Projektförderungen. Es handelt sich hier um ein Gesamtvolumen von fast 19 Millionen Euro.
Wir plädieren für die Einrichtung des Nothilfefonds »GAP« für die Soziokultur
Der Gesamtbetrag der Betriebs-, Gemein- und Personalkosten beläuft sich laut »Statistik 2019« auf jährlich 150 Millionen Euro. Das sind fast drei Viertel der Gesamtausgaben. Nur ca. 70 Millionen Euro davon sind über institutionelle Förderung gedeckt. Das heißt: 80 Millionen Euro müssen über Eigenmittel bzw. Projektmit-tel gestemmt werden. Für jeden Monat bedeutet das Kosten in Höhe von ca. 6,7 Millionen Euro. Wegen der finanziellen Einbußen fehlt also vor allem für Betriebs-, Gemein- und Personalkosten die Deckung. Der Mittelwert der Unterdeckung liegt bei knapp 13.000 Euro pro Einrichtung, die Gesamtsumme voraussichtlich bei nahezu knapp 5 Millionen.Das führt zu Rupturen in der Beschäftigungssituation. In soziokulturellen Zentren sind nur 10 Prozent der Akteure versicherungspflichtig angestellt, davon wiederum nur ein Viertel mit Voll-zeitstellen und die anderen mit Teil-zeitstellen in Mini- und Midijobs oder im Ausbildungsverhältnis. Das Kurzarbeitergeld greift hier entweder gar nicht oder nicht existenzsichernd, denn 75 Prozent der Stellen werden mangels ausreichender finanzieller Mittel nicht tariflich vergütet. In der jetzt akuten Situation behelfen sich Zentren mit weiteren Stundenkürzungen und mit der Anordnung von Urlaub. 33 Einrichtungen müssen bereits zum jetzigen Stand Entlassungen vornehmen. Nur 27 Einrichtungen können das Modell der Kurzarbeit nutzen. Aufgrund der gegebenen prekären Ausgangslage müssen die betroffenen Mitarbeiterinnen zusätzlich Transferleistungen beantragen.
Sofortmaßnahmen werden benötigt
Um die für die Soziokultur mit Sicherheit ernst bleibende Lage wenigstens abzumildern, plädieren wir vor allem für folgende Sofortmaßnahmen: Bereits bewilligte bzw. in Aussicht gestellte Projektförderungen werden – bei entsprechenden Modifizierungen der Förderbedingungen und Kompensations-maßnahmen durch die Antragsteller – in voller Höhe ausgezahlt. Zur Aufrechterhaltung der Strukturen wird der Nothilfefonds »GAP« eingerichtet, mit dem subsidiär zu allen anderen Hilfsprogrammen der Länder und Kommunen die Bedarfe für Grundkosten, aktivitätsbezogene Kosten und Personalkosten abgefangen werden können. Werden diese beiden Empfehlungen nicht aufgegriffen, bedeutet das einen soziokulturellen Kahlschlag.
Dieser Beitrag ist in Zeitung des Deutschen Kulturrates Politik & Kultur 04/2020 erschienen.