standard-logo

Ende November 2022 ging ChatGPT, ein textbasiertes Dialogsystem, ans Netz. Seitdem ist das Thema Künstliche Intelligenz allgegenwärtig. Durch maschinelles Lernen und künstliche Sprachverarbeitung wird der Chatbot zu einem Gesprächspartner, der Antworten auf Wissensfragen gibt, Texte schreibt oder Apps programmiert. Die Reaktionen reichen von Begeisterung über Datenschutzbedenken bis hin zu Unbehagen. Denn es ist unklar, auf welcher konkreten Basis Antworten generiert werden.

ChatGPT stellt die Gesellschaft und Politik nicht nur vor rechtliche und ethische Herausforderungen, sondern auch vor energetische. Denn KI-Anwendungen erfordern eine enorme Rechenleistung. Damit wird einmal mehr die Frage relevant, wie angesichts der Klimakrise dem steigenden Energie- und Ressourcenbedarf digitaler Lösungen begegnet wird. Und wer dabei die Stoßrichtung vorgibt.

„Nachhaltig by design“

Im März 2023 fand der digitalpolitische Kongress der Bundestagsfraktion der Grünen unter dem Titel „Nachhaltig by design – für eine klimaneutrale digitale Zukunft“ statt. Dabei ging es zum einen um Strategien der Reduktion des Energie- und Ressourcenverbrauchs bei Hard- und Software. Zum anderen waren digitale Lösungen im Kampf gegen die Erderwärmung Thema. Zur Diskussion eingeladen waren Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Zum Auftakt gab der Klimaforscher Dr. Mojib Latif zu bedenken, dass das Internet, wäre es ein Land, den sechstgrößten Energieverbrauch weltweit hat. Zugleich zeigte er Möglichkeiten auf, wie Digitalisierung beispielweise im Gebäudesektor hilft, Energie einzusparen.

Zehn Workshops widmeten sich zahlreichen Facetten digitaler Nachhaltigkeit. Ein für Vereine wichtiges Thema ist die Langlebigkeit von Geräten, die nicht nur von der Hardware abhängt. Häufig verhindern Software, zu kurzer Support und Gehäuse selbstständige Reparaturen. Die Diskutanten stellten fest, dass Software Bestandteil einer nachhaltigen Produktpolitik sein muss. Zudem soll bereits bei der Programmierung auf Effizienz und Langlebigkeit geachtet werden. Gestärkt wurde der im Koalitionsvertrag festgehaltene Anspruch, bei Auftragsvergaben vermehrt auf Open-Source-Software zu setzen. Durch offene Codes kann man die Energieeffizienz besser prüfen, vermeidet Abhängigkeiten von einzelnen Herstellern und kann Wissen über nachhaltige Software teilen.

Digitales Nachhaltigkeitsgesetz gefordert

Ein zentrales Ergebnis des Kongresses ist: Es braucht ein digitales Nachhaltigkeitsgesetz, um Maßnahmen zur nachhaltigen Ausgestaltung von Digitalisierung sowie die Unterstützung der Klimaziele durch Digitalisierung zu koordinieren. Dadurch könnten Daten über den Energie- und Ressourcenverbrauch digitaler Infrastrukturen einheitlich erfasst werden. Diese fehlen aktuell häufig, um zum Beispiel den Energieverbrauch von Software vergleichen zu können und Umweltauswirkungen von KI-Anwendungen zu bestimmen.

Zunächst soll das Klimaschutzgesetz, das eine Reduktion von CO₂-Emissionen vorsieht, um digitale Aspekte ergänzt werden. Daran anschließend ist ein digitales Nachhaltigkeitsgesetz geplant, das die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen aufgreift, auch soziale Aspekte miteinbezieht und Digitalisierung als Querschnittsaufgabe gestaltet. Umweltministerin Steffi Lemke betonte zudem, dass für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung die Mitgestaltung durch die Zivilgesellschaft unerlässlich sei. Ein Beispiel sei die ressortübergreifende Initiative „Civic Coding ‒ Innovationsnetz KI für das Gemeinwohl“, die Projekte fördert, die KI für das Gemeinwohl entwickeln.

„100xDigital Community Convention 2023 – Das Netzwerk-Event für Digitalisierung im Ehrenamt”

Die gemeinwohlorientierte Mitgestaltung der Digitalisierung hat sich in letzten Jahren zu einem zentralen Thema zivilgesellschaftlichen Engagements entwickelt. Das zeigte auch die „Community Convention“ des Programms „100xDigital“ der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) im März 2023. Die Veranstaltung bot Vereinen nicht nur die Möglichkeit zur Vernetzung, sondern regte durch ein Rahmenprogramm Debatten über Digitalisierung im Ehrenamt an.

Zahlreiche Organisationen, die für Engagierte Angebote zu Themen wie Datenkompetenz, digitale Bildung, Teilhabe, digitale Zivilcourage, Nachhaltigkeit, Open-Source-Software und Professionalisierung der Vereinsarbeit anbieten, stellten ihre Arbeit vor Ort vor. Im Fokus stand dabei nicht nur die Nutzung digitaler Tools oder ein bloßes Reagieren auf technologische Entwicklungen. Sondern es ging auch um den Anspruch, die Rahmenbedingungen von Digitalisierung mitzugestalten und dies nicht bloß der Politik und gewinnorientierten Unternehmen zu überlassen.

Von der Not-Digitalisierung zur Mitgestaltung des digitalen Wandels

Katarina Peranić, Vorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, sieht diese veränderte Mentalität auch bei den Anträgen des Programms „100xDigital“. Während zu Beginn der Pandemie schnell gehandelt werden musste und oft auf bekannte proprietäre Lösungen gesetzt wurde, wird mittlerweile verstärkt darauf geachtet, dass die Werte der Anbieter von Software den eigenen Werten entsprechen.

Alternative Modelle jenseits der Big-Tech-Firmen, die sich auf die Bedarfe kleinerer Vereine konzentrieren, gibt es bereits. Die Genossenschaft WeChange bietet eine Plattform an, die sich über ein solidarisches Preismodell finanziert. Die Software wird auf Servern gehostet, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Die auf Open-Source-Software basierende Plattform ermöglicht die Zusammenarbeit an Dokumenten, das Abhalten von Videokonferenzen. Sie bündelt einen Messenger, eine Cloud und die Möglichkeit, sich mit anderen zu vernetzen. Die Nutzerdaten werden nicht zu Werbezwecken verwendet oder an Dritte weitergegeben.

Nur mit der Zivilgesellschaft

Um solche Modelle zu etablieren, braucht es politische Rahmenbedingungen, die langfristig den Betrieb einer digitalen Infrastruktur fördern, welche gemeinwohlorientiert ist und nachhaltig agiert. Katarina Peranić diskutierte dazu mit Tabea Rößner, Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag und Mitinitiatorin von „Nachhaltig by design“. Einig waren sich beide, dass mehr Kollaboration zwischen Staat und Zivilgesellschaft erfolgen muss und wir unsere „Kollaborationsmuskeln“ trainieren müssen.

Die „Community Convention“ der DSEE machte genau dafür Mut. Sie hat gezeigt, dass die Digitalisierung nicht ohne die Zivilgesellschaft stattfinden darf! Nur mit ihr kann sie nachhaltig, gemeinwohlorientiert und gesellschaftsstärkend gestaltet werden. Wichtig ist, eben diese Beteiligung einzufordern, Angebote zu bündeln und digitales Engagement in der Fläche sichtbarer zu machen.

 

Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 2/2023 Audio