Die Unterschiede bei den Förderbedingungen für die soziokulturelle Arbeit sind zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr groß. Die Corona-Krise hat diese Unterschiede noch einmal verdeutlicht.
Kultur gehört bekanntlich zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die deshalb auch durch die Kommunen zu finanzieren sind. Besonders in strukturschwachen Gebieten und in Problemquartieren von Großstädten reichen die kommunalen Einnahmen seit Jahrzehnten bei weitem nicht hin, um eine Grundfinanzierung der soziokulturellen Einrichtungen zu gewährleisten, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit bietet. Während der letzten Jahre weisen die Leistungen unserer Mitgliedseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ große Zuwächse auf. Parallel dazu hat sich beim Bund und in den Ländern das Bewusstsein vertieft, dass Soziokultur eine unverzichtbare Rolle für das demokratische Gemeinwesen spielt und mit vereinten Kräften unterstützt werden muss. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen aber zum Teil sehr große Unterschiede. Es gab sie bereits während der „normalen“ Vor-Pandemiezeiten, und es gibt sie in den landespolitischen Reaktionen auf die aktuelle Krise. Erstmalig geben die Landesverbände einen Überblick über beides.
Teil 8: Niedersachsen
- Ende 2020 läuft die aktuelle Zielvereinbarung mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur aus. Mindestens Inflationsausgleich ist nötig.
- Öffentlicher Druck brachte Zusage für Corona-Hilfen für die Kultur.
Der Landesverband Soziokultur Niedersachsen erhält seit 1989 eine institutionelle Landesförderung. 1991 wurden Gelder für die Einrichtung regionaler Beratungsstellen sowie die Vergabe von Investitions- und Projektmitteln vom Land bereitgestellt. Als Etat wurden jährlich circa vier Millionen D-Mark eingerichtet. 2006 kam es unter der neuen Landesregierung der CDU/FDP-Koalition zu einem extremen Einbruch: Ab 2007 gab es nur noch circa 40 % Streichung des Investitionsetats und die anteilige Kürzung der Projekt- und Verbandsmittel, was Entlassungen sowie Kürzungen der Gehälter nach sich zog. Zusätzlich wurde dem Verband die Mittelvergabe für Projekte entzogen.
Mit Kulturministerin Johanna Wanka (2010–2015, CDU) begann ein Landeskulturentwicklungsprozess, der die Kulturakteure mit einbezog und die Soziokultur stärkte: Ein Etat in Höhe von einer Million Euro für Investitionen wurde vom Land eingerichtet und vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) vergeben. Mit der Regierung SPD-Kulturministerin ging die Vergabe der Projektmittel 2015 wieder an den Landesverband.
Für die Jahre 2016 bis 2018 wurden bis zu 500.000 Euro des Investitionsetats für den Förderschwerpunkt „Neue künstlerische Formate“ umgewidmet. Unter dem aktuellen Kulturminister Björn Thümler (CDU) wurden nach 2018 diese 500.000 Euro vom Land nicht mehr bereitgestellt, auch nicht für Investitionen. Aktuell vergibt das MWK jährlich weiterhin 500.000 Euro für Investitionen.
Seit 2017 gibt es zusätzlich ein vom Parlament eingerichtetes Investitionsprogramm für alle kleinen Kulturvereine (Höhe circa 2,5 Millionen Euro), bei dem auch kleine soziokulturelle Vereine Geld beantragen können. Die aktuelle Zielvereinbarung des Landesverbandes mit dem MWK läuft Ende 2020 aus, notwendig wären dringend Erhöhungen, um Wertverluste unter anderem aufgrund von Inflation auszugleichen.
Zur Situation mit Corona: Auch in Niedersachsen kann die Bundessoforthilfe von Vereinen und gGmbHs beantragt werden, jedoch unter der Bedingung, „wirtschaftlich und damit dauerhaft am Markt als Unternehmen tätig“ zu sein beziehungsweise gewinnorientiert zu arbeiten.
Einerseits wurden bereits Zuschüsse an Vereine ausgereicht, andererseits gab es Ablehnungen. Bislang gibt es in Niedersachsen kein Landeshilfsprogramm explizit für Kulturvereine, auch nicht für freie Kulturschaffende, wie in anderen Bundesländern. Einzelne Stiftungen und Städte in Niedersachsen haben Förderungen für Kulturvereine und/oder Kulturschaffende bereitgestellt.
Um vom Land Unterstützung für die Kulturvereine und -einrichtungen sowie Selbstständigen zu erhalten, hat der Arbeitskreis niedersächsischer Kulturverbände (AKKU), dessen Mitglied der Landesverband ist, seit März vier Brandbriefe an das MWK, den Ministerpräsidenten und die Politik geschrieben und hielt sogar eine Mahnwache am 23. April vor dem Landtag im Rahmen einer Sondersitzung des Parlaments ab. Der NDR und die Hannoversche Allgemeine Zeitung griffen dies auf. Nun war aktuell zu lesen, dass zehn Millionen Euro für die Kultur kommen sollen. Ob es genau so erfolgen wird, wer antragsberechtigt ist – all das ist noch nicht bekannt.
Der Landesverband hat im Zuge von Corona früh auf seiner Website Informationen für alle Kulturschaffenden in Niedersachsen bereitgestellt und eine themenspezifische Beratungssprechstunde eingerichtet. Als mutmachend haben die Mitglieder auch die Programme LAND INTAKT und NEUSTART empfunden sowie die aufgrund von Corona ins Leben gerufene Sonderförderung des Fonds Soziokultur.
Die Unterschiede bei den Förderbedingungen für die soziokulturelle Arbeit sind zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr groß. Die Corona-Krise hat diese Unterschiede noch einmal verdeutlicht.
Kultur gehört bekanntlich zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die deshalb auch durch die Kommunen zu finanzieren sind. Besonders in strukturschwachen Gebieten und in Problemquartieren von Großstädten reichen die kommunalen Einnahmen seit Jahrzehnten bei weitem nicht hin, um eine Grundfinanzierung der soziokulturellen Einrichtungen zu gewährleisten, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit bietet. Während der letzten Jahre weisen die Leistungen unserer Mitgliedseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ große Zuwächse auf. Parallel dazu hat sich beim Bund und in den Ländern das Bewusstsein vertieft, dass Soziokultur eine unverzichtbare Rolle für das demokratische Gemeinwesen spielt und mit vereinten Kräften unterstützt werden muss. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen aber zum Teil sehr große Unterschiede. Es gab sie bereits während der „normalen“ Vor-Pandemiezeiten, und es gibt sie in den landespolitischen Reaktionen auf die aktuelle Krise. Erstmalig geben die Landesverbände einen Überblick über beides.
Teil 7: Mecklenburg-Vorpommern
- Wenig Unterstützung für freie Künstler*innen trotz schneller finanzieller Hilfe für die Kultur.
- Neue Wege des Miteinanders halten die Kultur lebendig.
Die Corona-Pandemie hat das Land vor enorme Herausforderungen gestellt. Auch wenn die Fallzahlen der Infizierten sehr niedrig sind, stellt die Krise einen immensen Einschnitt in das wirtschaftliche und öffentliche Leben dar. In Mecklenburg-Vorpommern mit seinen zumeist ländlich geprägten Regionen sind die Kulturszene und der Tourismus besonders hart betroffen. Die Landesregierung hat mit dem Einreiseverbot sehr schnell auf die gesundheitliche Bedrohung reagiert. Die Schließung der touristischen Hotspots und kulturellen Einrichtungen und damit die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens war sicherlich die richtige Entscheidung. Aber die Folgen dieses Shutdowns sind kaum abzusehen.
Positiv hervorzuheben ist die schnelle Reaktion auf die Krise, das frühzeitige Bemühen, den Schaden in allen wirtschaftlichen und öffentlichen Bereichen zu minimieren und den Menschen – auf privater und beruflicher Ebene – Sicherheit zu geben, damit sie sich nicht alleingelassen fühlen. Dazu wurden verschiedene Hilfsprogramme aufgelegt.
So können im Rahmen des MV-Schutzfonds Nothilfen beantragt werden, die betriebliche Ausfälle abfedern sollen. Hier können bis zu 40.000 Euro Unterstützung beantragt werden, jedoch nicht für die Deckung von Lebenshaltungskosten. Für soziokulturelle Einrichtungen greift diese Soforthilfe, wenn sie über Räumlichkeiten und Angestellte verfügen. Kleinere, oft ehrenamtlich organisierte Initiativen ohne feste Räumlichkeiten und viele Künstler*innen und Solo-Selbständige können dieses Programm nicht nutzen.
Auch die angebotenen Kredite werden von ihnen weniger in Anspruch genommen, da fraglich ist, wie sie diese im späteren Verlauf zurückzahlen können. Die Kultur war schon vor der Krise kein einträgliches oder gewinnorientiertes Feld und unterfinanziert. Die meisten (sozio-) kulturellen Einrichtungen werden mit viel Herzblut und ehrenamtlichem Engagement betrieben. Ohne diesen oftmals an Selbstausbeutung grenzenden Einsatz würden viele von ihnen nicht überleben. Die Problematik wurde bereits von der Landesregierung erkannt. Sie versucht mit der Implementierung kulturpolitischer Leitlinien, die seit einiger Zeit in Entwicklung sind, diesem Missverhältnis entgegenzutreten. Denn eines ist allen klar: Die Kulturlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern steht für Vielfalt, lebendigen Austausch und ist nicht zuletzt demokratiestiftend.
Zusätzlich wurde ein Hilfsfonds für die Kultur geschaffen. Hier können Kulturschaffende, gemeinnützige Organisationen und Vereine Unterstützung wie folgt beantragen:
>>> institutionell und dazu analog geförderte Einrichtungen (3,5 Mio. Euro)
>>> Träger mit gemeinnützigen Projekten in der Kulturförderung (3,8 Mio. Euro)
>>> Träger mit gemeinnützigen Projekten außerhalb der Kulturförderung (1,5 Mio. Euro)
>>> Überbrückungsstipendien für freischaffende Künstler*innen (wird als zweckbestimmtes Einkommen nicht auf ALG II angerechnet)
>>> Träger der allgemeinen und politischen Weiterbildung (600.000 Euro)
>>> Träger der Gedenkstättenarbeit (200.000 Euro)
Leider finden auch in diesem Fonds viele Freiberufliche kaum Unterstützung. Daher möchte der Landesverband Soziokultur in Mecklenburg-Vorpommern dringend anregen, für hauptberuflich freischaffende Künstler*innen eine Soforthilfe in Höhe von 1.000 Euro pro Monat bis zum Ende der pandemiebedingten Einnahmeverluste nach dem Vorbild von Baden-Württemberg und Bayern einzuführen.
Bis es zu Öffnungen der Kulturbetriebe kommt und wir wieder uneingeschränkt Konzerte, Theater, Workshops und Ähnliches genießen können, scheint es noch ein langer Weg zu sein. Bis dahin halten wir die Kultur lebendig und nutzen andere Wege des Miteinanders. So wie das Kulturfestival „Nordischer Klang“, digital und sicher: Es wurde kurzfristig auf ein digitales Format umgestellt – für ein so umfangreiches Festival sehr beeindruckend. Auch das deutschlandweit bekannte „FiSH-Festival“ in Rostock ging in diesem Jahr digital an den Start. Viele unserer Mitglieder reagieren schnell und kreativ auf die veränderte Situation und demonstrieren so die Resilienz der Soziokultur.
(Stand 20. Mai 2020)
Der Vergleich zwischen den Bundesländern ist in der Zeitschrift SOZIOkultur 2/2020 Lock’n’Roll erschienen.