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26.03.2020

Gemeinnützigkeitsrecht

Interview mit Andreas Kämpf

Dem Demokratischen Zentrum – DemoZ in Ludwigsburg, Mitglied der LAKS Baden-Württemberg, wurde im Spätherbst 2019 vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit entzogen. Bundesweit haben sich soziokulturelle Akteure, Zentren und Initiativen, aber auch (Bundes-) Politiker*innen in den sozialen Netzwerken mit dem DemoZ solidarisiert. Andreas Kämpf, erster Vorsitzender der LAKS und Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung, war früh in den Fall involviert.

Wie ist die Entscheidung des Finanzamtes zu bewerten und warum ist der Entzug der Gemeinnützigkeit so gravierend?

Wir waren natürlich alle sehr betroffen, als wir gehört haben, dass unserer Mitgliedseinrichtung DemoZ vom örtlichen Finanzamt die Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Die Gemeinnützigkeit bringt steuerliche Vorteile. Sie ermöglicht, Spendenquittungen auszustellen. Vor allem aber ist sie oftmals die Bedingung für den Erhalt von öffentlichen Zuschüssen, auf die die Zentren für ihre Arbeit angewiesen sind. Der Entzug der Gemeinnützigkeit stellt folglich die Existenz einer Einrichtung in Frage.

Die Begründung des Finanzamtes Ludwigsburg nimmt eine dezidiert politische Bewertung vor. Warum ist das problematisch?

Bisher wurde die Gemeinnützigkeit einer Einrichtung überwiegend nach formalen Kriterien vonseiten der Finanzämter geprüft. Das Finanzamt Ludwigsburg ist aber von dieser Linie abgewichen und hat ausdrücklich die alltägliche Arbeit des DemoZ bewertet. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob das DemoZ seine Arbeit mit der angemessenen „geistigen Offenheit“ verrichtet. Ein Begriff, der je nach Belieben ausgelegt werden kann. Es wurde des Weiteren aus der Tatsache, dass über Alternativen zum Kapitalismus diskutiert werden soll, auf Verfassungsfeindlichkeit geschlossen. Obwohl der Kapitalismus im Grundgesetz gar nicht vorkommt. Es klingt fast kurios: Finanzbeamte wollen über gute und schlechte soziokulturelle Arbeit entscheiden, obwohl sie für ein solches Urteil über keinerlei fachliche Expertise verfügen.

Hat sich die politische Stimmung in Deutschland grundsätzlich verändert, und ist etwas an dem vielfach geäußerten Verdacht dran, dass die Freiheiten des zivilgesellschaftlichen Engagements zunehmend bedroht werden?

Das Finanzamt Ludwigsburg folgt beim Umgang mit dem DemoZ offensichtlich dem Entzug der Gemeinnützigkeit bei Attac und Campact. Hier wurde erstmals von der bisherigen Praxis einer rein formalen und steuerlichen Prüfung abgewichen und das Gemeinnützigkeitsrecht offenbar bewusst gegen politisch missliebige Organisationen eingesetzt. Dass das mit einer veränderten Stimmung im Land zusammenhängt, könnte naheliegen. Was die sozio­kulturellen Zentren angeht, so wissen wir ja, dass wir zu den Lieblingsfeindbildern rechter Kreise gehören, wenn es um die „Versiffung“ des Kulturbetriebs geht. Die LAKS Baden-Württemberg sieht hierhin eine gefährliche Entwicklung für alle soziokulturellen Zentren in Deutschland, zu deren Arbeit neben der Präsentation von professioneller Kunst und der Ermöglichung von kultureller Eigenaktivität eben auch die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Fragen gehört.

Die Reaktionen auf den Fall DemoZ waren erheblich. Was plant die Soziokultur und insbesondere der Bundesverband jetzt?

Das Gemeinnützigkeitsrecht, das in vieler Hinsicht reformbedürftig ist, muss dringend neugestaltet werden. Dass von Seiten des Bundesfinanzministers die öffentliche Diskussion auf die Frage reduziert wurde, ob künftig Männergesangsvereine auch Frauen aufnehmen müssen, macht nicht eben hoffnungsvoll. Wir haben das Thema bei der Vorstandssitzung und der Mitgliederversammlung der Bundesvereinigung in Kassel diskutiert und beschlossen, dass wir der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ beitreten, in der sich zahlreiche zivil­gesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen haben. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene soll das Gespräch mit den Finanzministerien gesucht werden. Ziel muss ein Gemeinnützigkeitsrecht sein, das zivilgesellschaftlichen Organisationen ermöglicht, gesellschaftliche Fragen zu diskutieren und hierzu auch Stellung zu beziehen. Es darf nicht als Mittel des direkten Eingriffs in die inhaltliche Arbeit von Einrichtungen verwendet werden.

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