Aufbruch nach 27 Jahren: Ende Oktober 2022 eröffnete das Kulturzentrum Karlstorbahnhof erneut seine Pforten, nachdem ein historisches Gebäude auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne in der Heidelberger Südstadt bezogen wurde. Der Umzug erwies sich als perfekter Startpunkt, um eine neue Sparte der Kulturarbeit im renommierten Kulturzentrum zu etablieren.
Mit den „Community Arts“ möchte das Zentrum sichtbare Impulse für Offenheit und Zusammenhalt setzen und zu gemeinsamer Kreativität auffordern. Künstler*innen und Menschen aus der Region arbeiten zusammen und erschaffen Kunst – im öffentlichen Raum, auf den eigenen Bühnen oder anderswo. Die neue Programmsäule ermöglicht Menschen vor Ort, Kunst persönlich als bedeutsam zu erleben, die eigenen Potenziale künstlerisch auszudrücken, wahrzunehmen und gemeinschaftlich zu stärken. Sowohl ein erweiterter physischer Raum als auch der mit dem Neustart verbundene inhaltliche Raum für neue Ideen machte dies möglich.
Text: Lisa Rölle
Lisa Rölle leitet die Geschäftsstelle der LAG Soziokultur Saarland.
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2023 Strategien
Die Soziokultur stärkt durch kreative und partizipative Prozesse das Gemeinschaftsgefühl und fördert die gesellschaftliche Resilienz. Um dieser Verantwortung gerade in Krisenzeiten gerecht zu werden, sind die soziokulturellen Akteur*innen darauf angewiesen, neue Wege zu finden und zu erfinden. Dies erleben wir hautnah in der NEUSTART KULTUR-Förderung.
Bedarf nach Austausch
Bereits zu Beginn der Förderung machte die Blitzumfrage „3,2,1 … auf! Lage der soziokulturellen Zentren und Initiativen, Literatur- und Kulturzentren und kulturellen Initiativen 2021“ deutlich, dass neben der monetären Unterstützung auch Bedarf an Austausch und Vernetzung besteht, um der Ausnahmesituation bestmöglich zu begegnen und als Kultureinrichtung bestehen zu können. Im Projektverlauf des Förderprogramms konnte das Team von NEUSTART KULTUR diesen Bedarf aufgreifen und initiierte die bundesweite Gesprächsreihe „Schwarmwissen“.
Hier trafen sich im Herbst 2022 Kulturakteur*innen im digitalen Raum, um sich in Kleingruppen auszutauschen. Themen waren kreative Lösungen durch Investitionen, innovative Formate und neue Formen von Kooperationen. In einer gemeinsamen Abschlussveranstaltung wurden die Ergebnisse präsentiert. Neben den Kurzberichten aus den teilnehmenden Einrichtungen wurden auch Ideen präsentiert, wie die Kulturszene weiterhin ihre Resilienz stärken kann.
Themen werden selbst gesetzt
Auch im Jahr 2023 blieb der Bedarf an Austausch und gegenseitiger Unterstützung konstant hoch, da gesellschaftlich multiple Krisen bewältigt werden müssen. Deshalb wurde das Austauschformat „Schwarmwissen“ als monatlicher offener Treff im ersten Halbjahr fortgeführt. Pro Veranstaltung fanden zwischen 10-50 Teilnehmer*innen zusammen. Die Themen wurden von den Teilnehmenden zum ersten Treffen im Januar selbst gesetzt.
Einen ersten Einblick in die hochaktuelle Praxis der CO2-Bilanzierung gab der Workshop im Februar: „Ist digital besser? – Vergleich verschiedener Veranstaltungsformate mit Hilfe der CO2-Bilanz“ mit Franziska Mohaupt, Referentin für nachhaltige Entwicklung. Der Workshop „Erste Schritte – Nachhaltiges Organisationshandeln“ im Mai vermittelte einen praxisbezogenen Einstieg in die Handlungsfelder des Nachhaltigkeitsmanagements in einer Organisation. Beide Workshops werden im zweiten Halbjahr wiederholt angeboten.
Der Erfahrungsaustausch zum Thema „Förderung“ stand im März im Fokus. Hier teilten Kulturakteur*innen untereinander ihre Probleme und Praxistipps hinsichtlich passender Förderungen und politischer Netzwerkarbeit. Im April wurde unter dem Titel „Arbeit“ über faire Bezahlung, Personalgewinnung und Generationenwechsel in der Soziokultur diskutiert. Um „Strategien in der Krise“ und die Frage, wie die Faktoren Investitionen, Netzwerke und Teamgeist eine Einrichtung in Krisenzeiten stärken können, ging es im Mai. Im Juni wurde die Wirkung des Raumes auf die Kulturarbeit in „Stadt und Land“ näher beleuchtet. Akteur*innen aus urbanen und ländlichen Räumen teilten ihre Erfahrungen hinsichtlich Zielgruppe, Einbindung von Engagierten, Kulturangebot und Netzwerk.
Synergieeffekte
„Schwarmwissen“ war für alle Beteiligten ein Erfolg. Das Austauschformat auf Bundesebene brachte soziokulturelle Akteur*innen aus ganz Deutschland zusammen. Trotz regionaler Unterschiede und vielfältiger Ausgangslagen entdeckten die Teilnehmenden Gemeinsamkeiten, gaben sich Tipps und entwickelten zusammen Ideen.
Mit dem Workshop CO2-Bilanz von Veranstaltungen am 10. Oktober 2023 endet die von NEUSTART KULTUR beim Bundesverband Soziokultur organisierte Reihe. Der Wunsch nach mehr Austausch bleibt bestehen. Denn für alle ist klar: Krisenfest sind wir nur gemeinsam.
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2023 Strategien
Im Jahr 2023 investiert der Freistaat Bayern 965 Millionen Euro in Kunst und Kultur – mehr als jedes andere Flächenland – vor allem in Betrieb, Erhalt und Sanierung von mehr als 1.350 Museen, Theatern, Bühnen, Opern- und Konzerthäusern. Gegenwärtig findet eine breite Debatte der von Markus Blume vorgestellten Kulturagenda statt.
Die Fragen stellte CARSTEN NOLTE
Herr Staatsminister, im Rahmen Ihrer Agenda streben Sie zur Förderung der Kunst und Kultur eine neue Partnerschaft mit den Kommunen an. Welche Schwerpunkte wollen Sie dafür diskutieren? Wird Soziokultur eine Rolle spielen?
Bayern ist Kulturstaat: Die Staatsregierung ist Förderer und Partner der Kultur! Die Verfassung legt die Kultur aber in die Hände von Land und Kommunen. Bei der Kulturförderung sind also Staat und Kommunen gleichermaßen gefordert. Wir stellen aber fest, dass sich die Balance seit Jahren verschiebt: Im Vergleich zu anderen bevölkerungsreichen Ländern ist der kommunale Beitrag in Bayern mit 49,5 Prozent (2020) deutlich geringer. In Nordrhein-Westfalen liegt dieser zum Beispiel bei 71 Prozent.
Ich sage deutlich: Der Freistaat steht voll und ganz hinter seiner Finanzierungsaufgabe. Ich meine aber auch, dass Staat und Kommunen künftig noch stärker an einem Strang ziehen sollten. Deshalb spreche ich eine Einladung an die Kommunen aus, die Bedeutung der Förderung von Kunst und Kultur durch ein klares Bekenntnis beider Seiten zu unterstreichen und zusammen über die Umsetzung dieses Auftrags nachzudenken.
Dabei müssen wir die Kultur in all ihren Facetten in den Blick nehmen – von der freien Szene über staatliche Kultureinrichtungen bis hin zur kulturellen Bildung oder zur Soziokultur. Meine Überzeugung ist: Gemeinsam können wir mehr erreichen!
Im Unterschied zu anderen Kulturakteur*innen wendet sich die Soziokultur nicht hauptsächlich an zahlendes Publikum, sondern an Teilnehmer*innen, die künstlerisch und in gesellschaftlichen Debatten selbst aktiv werden. Welche Bedeutung messen Sie dem bei? Sehen Sie hier einen Beitrag zum Gelingen der Demokratie?
Kunst und Kultur sind die Stimme unserer freiheitlichen Gesellschaft. Wir brauchen das gemeinsame Erleben und die verbindende Kraft von Kunst und Kultur. Gerade in Zeiten des Umbruchs ist freie Kultur Wesensmerkmal, Identitätsstifter und Impulsgeber der Demokratie. Unsere Kulturschaffenden zeigen jeden Tag, welche unglaubliche Kraft Kunst und Kultur haben. Das ist wirklich beeindruckend! Klar ist: Ohne Kunst geht es nicht!
Der Bundesverband Soziokultur ermutigt und unterstützt Akteur*innen, die mit neuen kulturell-künstlerischen Projekten an der Gestaltung ihrer unmittelbaren Lebensumwelt teilnehmen wollen. Welche konkreten Möglichkeiten kann und will der Freistaat Bayern dafür eröffnen?
Unsere von globalen Veränderungen geprägte Zeit zeigt: Wir brauchen eine Standortbestimmung auch im Kulturbereich. Kunst und Kultur stehen inmitten eines Transformationsprozesses. Die Kulturagenda Bayern verstehe ich daher nicht als fertiges Produkt, sondern als Einladung zu einem Beteiligungsprozess: Ich will gemeinsam mit Stadt und Land, Jung und Alt, freier Szene und staatlichen Einrichtungen, Kommunen und Privatleuten Eckpunkte für einen modernen Kulturstaat entwickeln. Gute Ideen sind willkommen!
In Bayern fallen Aktivitäten im Bereich Soziokultur oft in kommunale Zuständigkeiten. Dennoch denken wir auch von staatlicher Seite diesen Bereich mit. Mit dem Kulturfonds Bayern existiert ein bewährtes Förderinstrument, um die Entfaltung des kreativen Potentials zu unterstützen. Der Kulturfonds zeichnet sich durch eine Offenheit aus, die gerade auch unkonventionelle oder genreübergreifende Formate in die Förderung einschließt. Menschen in allen Regionen Bayerns profitieren von diesen vielfältigen und lebendigen Kulturangeboten.
Auch im Hinblick auf die Energiekrise hat der Freistaat umgehend Initiative ergriffen und ein Hilfsprogramm aufgelegt, das explizit auch Energiemehrkosten soziokultureller Zentren einschließt. Aktuell fördern wir zudem ein Projekt der Landesvereinigung Kulturelle Bildung Bayern, welches Kulturakteur*innen jeglicher Ausrichtung überregional vernetzen will. Durch Initiativen wie diese können wir unsere Kulturlandschaft in all ihren Facetten effektiv und nachhaltig weiterentwickeln. Unser Ziel: Bayern will Vorbild für den modernen Kulturstaat sein!
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2023 Strategien
Am 8. Oktober 2023 wird ein neuer Bayerischer Landtag gewählt. Welche Rolle spielt Soziokultur in den politischen Planungen für die nächste Legislaturperiode? Wir haben bei den demokratischen Parteien nachgefragt.
_______________
Kerstin Radler, MdL, FREIE WÄHLER
Kulturpolitische Sprecherin der FREIEN WÄHLER
Soziokultur spielt für die politische Planung der FREIEN WÄHLER eine wichtige Rolle auf verschiedenen Ebenen. Aus unserer Sicht trägt Soziokultur maßgeblich dazu bei, das politische Bewusstsein zu schärfen, die demokratische Teilhabe zu fördern, kulturelle Vielfalt zu wahren, gesellschaftlichen Wandel anzustoßen und Gemeinschaften zu stärken. Insbesondere fördern soziokulturelle Aktivitäten die Anerkennung und Wertschätzung kultureller Vielfalt. Wir FREIEN WÄHLER wollen daher entsprechende politische Rahmenbedingungen schaffen, die die kulturelle Vielfalt im Freistaat – insbesondere auch im ländlichen Raum – schützen und fördern.
_______________
Volkmar Halbleib, MdL, SPD
Kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
Die soziokulturellen Zentren und Initiativen mit ihren zumeist ehrenamtlich Beschäftigten müssen ihre Arbeit bestmöglich leisten können. Dafür setze ich mich, setzt sich die bayerische SPD mit Nachdruck ein. Wir wollen eine kontinuierliche und bedarfsgerechte Förderung einführen, wie sie in anderen Bundesländern bereits existiert. Das sind wir den Akteuren der Soziokultur schuldig, die schließlich wichtige Aufgaben erfüllen. Sie bringen Menschen zusammen, fördern den Dialog und stellen sich den gesellschaftlichen Herausforderungen. Ein solches Engagement für demokratische Werte ist gerade jetzt von großer Bedeutung.
_______________
Sanne Kurz, MdL, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sprecherin für Kultur und Film der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bayern ist das einzige Land, das Soziokultur nicht fördert. Ein Armutszeugnis für einen Kulturstaat. Überall in Bayern wird das soziokulturelle Leben vom Engagement einzelner geprägt. Orte der Soziokultur sind gefährdet, sie verschwinden, wenn jemand wegzieht oder Engagement aus anderen Gründen aufgeben muss. Damit Soziokulturorte auch in Bayern nachhaltig wachsen können, spannende und erfolgreiche Programme anbieten und attraktive Lebens- und Arbeitsräume für kommende Generationen sein können, ist ein Landesförderprogramm Soziokultur unerlässlich. Auch müssen lokale, regionale und spartenübergreifende Netzwerke, die professionell organisiert sind, gefördert werden.
_______________
Dr. Wolfgang Heubisch, MdL, FDP
Landtagsvizepräsident und kulturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion
Bayerns Kultur ist reich und vielfältig, von der freien Szene bis hin zu Kulturinstitutionen, von den Metropolen bis in die ländlichen Räume. Kreativität und Kunst sind nicht nur Motor für Innovationen – sie bedeuten Reflexion der eigenen Werte und der Werte anderer Menschen. Kultur belebt Traditionen und wirkt identitätsstiftend. Der Soziokultur kommt eine besondere Aufgabe zu: Sie vereint unterschiedlichste kulturelle Perspektiven, sie fördert Teilhabe durch bürgerschaftliches Engagement, sie integriert, sie verbindet. Das ist die gesellschaftliche Chance der Soziokultur, für die ich mich in Bayern gerne einsetzen werde.
_______________
Anmerkung: Wir haben nicht vergessen, auch den Sprecher der CSU-Fraktion und Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst zu fragen. Er hat der Redaktion ausrichten lassen: „Ein Statement von unserer Seite ist derzeit nicht geplant.“
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2023 Strategien
Elektrische Leitungen sind im Veranstaltungsbetrieb, auf Bühnen oder im Freien hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt. Personen treten darauf, es werden schwere Cases mit Rollen darüber geschoben und auch Glasbruch ist anzutreffen. Hinzu kommt, dass die Leitungen aufgrund der angeschlossenen Geräte und der hohen elektrischen Leistungen oft erheblichen thermischen Belastungen ausgesetzt sind.
Welche Kabel bieten Sicherheit?
Haushaltskabel und günstige Baumarkt-Steckdosenleisten sind hier völlig ungeeignet. Die verwendeten Isolierstoffe können sehr leicht mechanisch beschädigt werden und die Leitungsquerschnitte sind im Normallfall nicht für die angeschlossenen Geräteleistungen ausgelegt. Zudem weisen die Materialien dieser Kabel häufig ein ungünstiges Brandverhalten auf. Nach der Vorschrift DIN VDE 0100 711 dürfen in Veranstaltungsstätten (in Innenräumen sowie im Open-Air-Bereich) nur Leitungen vom Typ (mindestens) H07RN-F 3G 1,5 (= schwere flexible Gummischlauchleitung) Anwendung finden. Bei Verbrauchern mit hohen Leistungen beziehungsweise größeren Kabellängen sind entsprechend höhere Querschnitte zu verwenden.
Investieren und regelmäßig prüfen
Ja, diese Leitungen kosten etwas mehr! Allerdings weisen sie aufgrund ihrer thermischen und vor allem mechanischen Belastbarkeit eine deutlich höhere Betriebssicherheit auf als die billigen Haushaltskabel. Die Gefahr, dass eine Veranstaltung aufgrund eines Fehlers in der Elektrik unterbrochen werden muss, ist so um ein Vielfaches geringer.
Unabhängig davon, welche Leitungen letztendlich zur Anwendung kommen, müssen alle Verlängerungs- und Geräteanschlussleitungen sowie alle ortsveränderlichen elektrischen Geräte (zum Beispiel Scheinwerfer) in regelmäßigen Abständen auf ihren ordnungsgemäßen Zustand geprüft werden. Auch das reduziert die Gefahr von Veranstaltungsunterbrechungen erheblich. Durchführen kann diese Prüfung nur eine Person mit einer elektrotechnischen Fachausbildung.
Die entsprechenden Regelwerke dazu sind die DGUV Vorschrift 3 §5, die Technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 1201 sowie die DGUV Information 203-071.
___________________
Text: Thomas Schiffmann ist Technischer Betriebswirt sowie Meister für Veranstaltungstechnik und arbeitet in der Stabsstelle der Geschäftsführung im Kulturzentrum E-Werk, Erlangen.
Dieser Artikel ist erschienen in der SOZIOkultur 2/2023 Audio
Wer in Wuppertal-Elberfeld in das Café in der Luisenstraße 102 a einkehrt, dem erschließt sich erst auf den zweiten Blick die damit verbundene Ideen- und Projektfabrik. Kreativwirtschaft, ökologische und soziale Nachhaltigkeit sowie Soziokultur werden hier gemeinsam gedacht.
Der Kultur- und Begegnungsort heißt Swane Café. Die Ideenschmiede ist die Kookaburra gGmbH. Kookaburras sind durchaus bunte und laute Vögel. Die Beschreibung trifft auch auf die zehn Idealist*innen und ihr Netzwerk zu. Die Entstehung von Swane Café und Kookaburra ist eng mit der Geschäftsführerin und Gründerin Selly Wane verbunden. Sie kam 19-jährig aus Dakar im Senegal und studierte in Wuppertal Wirtschaftswissenschaften. Schon frühzeitig fokussierte sie sich auf Nachhaltigkeitsthemen, die sie dann in ihrer Arbeit beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie intensivieren konnte.
Senegal meets Wuppertal
2010 begann sie, erste Upcyclingprojekte in Zusammenarbeit und im Austausch mit Handwerker*innen aus dem Senegal in die Praxis umzusetzen. Mit traditionellen Handwerkstechniken entstanden Recyclingmöbel und -accessoires. Das Design-Konzept und auch manche der Möbel wurden 2014 in das neu eröffnete Swane Café integriert. Damit kam es zur lang ersehnten Erweiterung mit Kunst und Kultur. Heute gibt es eine breite Veranstaltungspalette von Konzerten, Lesungen, politischen Talks und Filmabende oder Kunstaustellungen und ein vielseitiges gastronomisches Angebot. Das Swane-Café hat sich zu einem Ort für Diskurs und Vielfalt und einem Anlaufpunkt für viele People of Color entwickelt.
Ehrgeizige Ziele sind das Geheimnis des Swane-Cafés …
Seit 2017 finden regelmäßig Workshops zum Vereinsmanagement für Migrant*innenorganisationen, Veranstaltungen zu Nachhaltigkeit, Integration und Vernetzung statt. Anfänglich noch unter der Firmierung Allianz für Diversität, Dialog & Empowerment agierend, entstand 2021 die Kookaburra gGmbH, die die bisherigen Ziele noch weiter fasst. Kookaburra möchte milieuübergreifend Begegnungen auf Augenhöhe zwischen Dominanzgesellschaft, Institutionen, Behörden, Politik und strukturell benachteiligen Gruppen ermöglichen und gegenseitige Lern- und Empowermentprozesse fördern. Katalysator sind soziale wie künstlerische Veranstaltungsformate. Neben den monatlichen Kulturveranstaltungen wurden die projektbezogenen Angebote erweitert, vom Co-Working-Space bis zu offenen Kochgruppen.
… und stärken die CommuniTIES
Finanzielle Unterstützung kommt von unterschiedlichen Ressorts aus Bund und Land. Eine institutionelle Förderung durch die Kommune gibt es bislang nicht. Aktuell wird im Rahmen einer dreijährigen Förderung durch Soziokultur NRW und das Kulturministerium des Landes Nordrhein-Westfalen die Einrichtung eines Community-Managements unterstützt. Das Projekt „communiTIES” will die kulturpolitische Arbeit, die Strategieentwicklung und die Teilhabe von People of Color und Indigenen an Kunst- und Kulturangeboten verbessern. Der Fokus ist zunächst auf Wuppertal gerichtet. Angedacht sind Partnerschaften mit soziokulturellen Zentren, um gemeinsam Strategien zu erarbeiten, wie sich strukturelle Barrieren in Kunst und Kultur ab- und Sichtbarkeit und Zusammenarbeit aufbauen lassen, beispielsweise durch Kooperationsveranstaltungen.
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2023 Strategien
Die Hessische Landesregierung hat im Februar den „Masterplan Kultur“ verabschiedet. Er entstand im Ergebnis eines umfassenden Beteiligungsprozesses und denkt erstmalig die Folgen der Corona-Pandemie und die aktuellen Fragen der Kulturpolitik zusammen. Der Masterplan skizziert Visionen, zentrale Handlungsfelder und mögliche konkrete Wege. 6,7 Millionen Euro stellt der Doppelhaushalt 2023/2024 für erste Schritte bereit.
Die Fragen stellte EDDA RYDZY.
Frau Ministerin, Sie durchbrechen mit dem „Masterplan Kultur“ bewusst den politischen Denkhorizont von Legislaturperioden. Hatten Sie viel Gegenwind? Wer waren Ihre wichtigsten Verbündeten?
Die Arbeit am „Masterplan Kultur“ hat mit dem „Kulturatlas“ begonnen, einer 2018 veröffentlichten Bestandsaufnahme der hessischen Kulturlandschaft. Darauf haben wir aufgesetzt, in einem breit angelegten Beteiligungsprozess mit allen im Land, die mit Kultur zu tun haben. Das ist aus meiner Sicht die Grundlage dafür, dass dieser Kulturentwicklungsplan auch kommenden Landesregierungen wichtige Hinweise geben kann: Niemand kann einen Plan ignorieren, der mit so vielen so kundigen und engagierten Menschen so intensiv diskutiert wurde. Da sind spannende Debatten entstanden, etwa zum Verhältnis von freien Trägern wie in der Soziokultur und staatlichen Einrichtungen. In Bezug auf die Corona-Pandemie standen hier nicht nur Konkurrenzsituationen im Fokus, sondern auch Ideen der Kooperation und die Frage, wie man sich gegenseitig unterstützen kann.
Die Corona-Pandemie verzögerte und erschwerte den Prozess teilweise, war aber zugleich eine Hilfe: Die Herausforderungen an die Kultur wurden wie unter einem Brennglas deutlich. Unser Masterplan ist der erste Kulturentwicklungsplan eines Bundeslandes, der in einem so umfassenden Prozess so dezidiert die Herausforderungen der Pandemie und die aktuellen Fragen der Kulturpolitik bündelt und realistische Lösungen skizziert.
Als eines der strategisch wichtigen Handlungsfelder haben Sie die Vereinfachung der Förderrichtlinien definiert. Welche Ergebnisse konnten Sie bis jetzt erzielen?
Der „Masterplan Kultur“ soll langfristig wirken, aber wir haben für erste Prioritätensetzungen bereits im aktuellen Doppelhaushalt 2023/2024 Mittel in Höhe von 6,7 Millionen Euro eingestellt. Und es gibt Schritte, die eher Hirnschmalz kosten als Geld – so auch die neue Kulturförderrichtlinie. Die gilt schon seit April und erleichtert vor allem für Förderungen von bis zu 10 000 Euro Antragstellung, Förderbedingungen und Nachweisverfahren. Denn gerade kleine Kulturinitiativen und individuelle Künstlerinnen und Künstler wollen kreativ sein und Kunst auf die Beine stellen – Antragsformulare empfinden sie als lästige Hürde. Zugleich müssen wir als Land darauf achten, dass wir sorgfältig mit Steuergeld umgehen und die Mittel auch ihren Zweck erfüllen. Die neue Richtlinie stellt das weiterhin sicher, legt aber die bürokratischen Hürden deutlich niedriger. Sie gilt für alle Sparten der Kulturförderung, zusammen mit den jeweiligen spezifischen Regeln etwa für Literatur- oder Musikförderung.
Sie streben einen regelmäßigen Dialog mit dem Kulturbereich in einem Kulturbeirat an. Sie wollen Kultur in Stadt und Land gleichermaßen stärken. Welche Rolle spielen dabei die Soziokultur, die Kommunen und ihre Spitzenverbände?
Sowohl die Pandemie als auch der Beteiligungsprozess zum Masterplan haben den Dialog des Ministeriums mit den Kultureinrichtungen und auch der Kultur untereinander deutlich verstärkt.
Bei der Frage, wie wir Stück für Stück das Ideal „Kultur für alle“ Wirklichkeit werden lassen können, haben wir Institutionsgrenzen überschritten, es haben sich neue Partnerschaften gebildet. Das wollen wir verstetigen und fortsetzen – in welcher Form genau, wollen wir mit den Beteiligten diskutieren. Denn entsprechende Formate dürfen nicht zu groß und damit letztlich beliebig werden, sollen aber auch niemanden ausschließen. Wir wollen eine kluge Mischung hinbekommen, damit alle gehört werden.
Nicht nebenbei: Wir haben die Förderung für die soziokulturellen Zentren in dieser Legislaturperiode noch einmal verdoppelt – über zwei Legislaturperioden hinweg sogar verfünffacht.
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2023 Strategien
Welche Rolle spielt Soziokultur in den politischen Planungen für die nächste Legislaturperiode in Hessen?
Andreas Hofmeister, MdL, CDU
Sprecher für Wissenschaft und Kunst der CDU-Fraktion
Als CDU haben wir die gesamte Breite der hessischen Kulturlandschaft im Blick. Ihre Freiheit und Entwicklung gilt es weiter zu fördern. Die Förderung der Soziokultur werden wir gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren in Hessen e.V. (LAKS), die als erster Ansprechpartner in Sachen Soziokultur fungiert, fortsetzen. Dabei haben wir in dieser Legislaturperiode mit dem „Masterplan Kultur“ die Grundlage für einen umfassenden Blick auf die hessische Kulturlandschaft geschaffen, um daran orientiert an einer weiterhin attraktiven, breit aufgestellten und krisenfesten Kulturszene zu arbeiten.
________________
Mirjam Schmidt, MdL, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sprecherin für Kultur und Kunst der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Hessens soziokulturelle Zentren sind Orte für gelebte Demokratie, Partizipation und Dialog. Deshalb haben wir die Förderung unserer 41 soziokulturellen Zentren von einer Projekt- auf eine Strukturförderung umgestellt, auf 2 Millionen Euro jährlich angehoben und damit seit 2014 mehr als vervierfacht. Dabei erfolgt die Weiterleitung der Fördergelder über die LAKS Hessen e.V. als Dachverband. Auch in der kommenden Wahlperiode wollen wir die Förderung kontinuierlich weiter steigern und unsere soziokulturellen Zentren bei ihrer strategischen Weiterentwicklung unterstützen, damit sie sich krisenfest und zukunftsorientiert aufstellen können.
________________
Daniela Sommer, MdL, SPD
Parlamentarische Geschäftsführerin und Sprecherin für Wissenschaft und Kunst der SPD-Fraktion
Soziokultur bildet ein Herzstück der sozialdemokratischen Kulturpolitik. Soziokulturelle Zentren bereichern in der Breite, mit den unterschiedlichsten Auffassungen von Kultur, kultureller Beteiligung und kreativ-kulturellen Kompetenzen und Formen die hessische Kulturlandschaft. Für die Sicherung und Weiterentwicklung der Szene ist es für uns von erheblicher Bedeutung, dass es gute Arbeitsbedingungen gibt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Förderungen erhöht werden, gerade in Ballungsräumen günstige Arbeitsräume gesichert werden, Mindesthonorare gezahlt und die Sichtbarkeit von freien Künstler*innen insgesamt deutlich verbessert wird.
________________
Dr. Stefan Naas, MdL, FDP
Sprecher für Kunst, Kultur und Erinnerungsarbeit der FDP-Fraktion
Für uns Freie Demokraten ist die Soziokultur unverzichtbarer Bestandteil der vielfältigen Kultur in Hessen, denn soziokulturelle Angebote bieten oft einen besonders niedrigschwelligen Zugang zu Kultur. Mit einem Kulturgesetz wollen wir einen verlässlichen rechtlichen und kulturpolitischen Rahmen für das kulturelle Leben in Hessen und damit auch für die Soziokultur schaffen. Die Kulturförderung sollte entbürokratisiert und Förderstrukturen transparent, digital, übersichtlich und leicht zugänglich gestaltet werden. Zur Stärkung der kulturellen Bildung und ihrer Akteure wollen wir zudem ein Kulturbudget an den Schulen einführen.
________________
Elisabeth Kula, MdL, DIE LINKE
Vorsitzende und Sprecherin für Bildung, Schulpolitik, Jugend, Kultur, Forschung, Wissenschaft und Kunst der Fraktion DIE LINKE
Für die kommende Legislaturperiode ist die Soziokultur für uns von großer Bedeutung. Soziokultur ermöglicht eine breite kulturelle Teilhabe und kann als Plattform alternative Perspektiven fördern, die in den etablierten Strukturen unterrepräsentiert sind. Wir wollen die soziokulturellen Zentren so aufstellen, dass sie finanzielle Engpässe überwinden, Gentrifizierung widerstehen und von stärkenden Regelungen profitieren können. Dazu gehören eine bedarfsgerechte Aufstockung der Mittel, eine nachhaltige Kulturförderung, gute Arbeitsbedingungen und die Stärkung des Ehrenamtes durch hauptamtliche Strukturen. Um Freiräume zu erhalten, wollen wir Kulturschutzgebiete ausweisen.
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2023 Strategien
Höme ist ein Zusammenschluss aus aktiven und ehemaligen Veranstaltenden, der Erfahrungen aus vielen Produktionen und Projekten bündelt. Die Beteiligten arbeiten daran, der Veranstaltungsbranche ein Update zu verschaffen. Denn nach den Krisenjahren greifen gängige Veranstaltungskonzepte nicht mehr, Kosten steigen stetig und beim Klimawandel läuft die Zeit davon.
Die Gründer*innen von Höme glauben an Veranstaltungen als Orte für gesellschaftlichen Wandel
Das Netzwerk möchte dazu beitragen, dass das Durchführen und Besuchen von Veranstaltungen für alle gleichermaßen zugänglich, unkompliziert, nachhaltig und erschwinglich wird. Mit der Politik arbeitet es aktiv zusammen. Es wurden kostenlose Guides zu Themen wie Nachhaltigkeit, Mental Health oder Inklusion gestaltet und ein Ticketsystem erarbeitet. Auch die Forschung von innovativen, ökologisch oder sozial nachhaltigen Projekten im Festival- und Veranstaltungskontext wird gefördert.
Als Teil der deutschen Allianz des Erasmus+ Youth Projektes „FUSION“ setzt sich Höme damit auseinander, wie Veranstaltungen als Plattform für soziale Innovation, NGOs und junge Initiativen dienen können.
Text: Jannis Burkardt
Dieser Beitrag ist erschienen in der SOZIOkultur 3/2023 Strategien
„Für mich hat die Soziokultur bis heute einen hohen Stellenwert in Bezug auf eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragestellungen. In den oftmals selbst organisierten Strukturen können Kulturschaffende viel stärker jenseits des spartenüblichen Kanons agieren, neue Verbindungen zwischen unterschiedlichen Funktionsbereichen (Bildung, Soziales, Kultur) eingehen und dabei andere kulturelle Ausdrucksformen mit einer nicht zu unterschätzenden Wirkung auf soziale Zusammenhänge ermöglichen.
Das Institut für Kulturpolitik steht seit der Gründung in einem intensiven, deutschlandweiten Austausch mit den unterschiedlichen Strukturen und Akteuren der Soziokultur. Nicht zuletzt besteht eine enge Verbindung mit dem Fonds Soziokultur, der seinerzeit auf Initiative der Kulturpolitischen Gesellschaft eingerichtet wurde. In einer Vielzahl verschiedener Forschungsprojekte konnten entscheidende Erkenntnisse gesammelt werden, die die Praxis der Soziokultur bereichert und dadurch die Entwicklung innovativer Formate vereinfacht haben. Diese Zusammenarbeit bleibt auch in Zukunft bestehen. Es sind weitere anwendungsnahe Forschungsprojekte in Zusammenarbeit mit Akteuren der Soziokultur geplant, um bestehende Zusammenhänge direkt in der Praxis zu reflektieren und durch neues Wissen zu bereichern.”
Das Interview mit Dr. Henning Mohr ist in der Zeitschrift SOZIOkultur 1/2020 erschienen.
Henning Mohr wechselt 2023 in den Förderbereich der RAG-Stiftung, nachdem er knapp vier Jahre das Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. (Bonn) leitete. Der Kultur- und Innovationsmanager arbeitete u. a. für das Deutsche Bergbau-Museum Bochum, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und die Zukunftsakademie NRW.