Ein Vergleich zwischen den Bundesländern
Die Unterschiede bei den Förderbedingungen für die soziokulturelle Arbeit sind zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr groß. Die Corona-Krise hat diese Unterschiede noch einmal verdeutlicht.
Kultur gehört bekanntlich zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die deshalb auch durch die Kommunen zu finanzieren sind. Besonders in strukturschwachen Gebieten und in Problemquartieren von Großstädten reichen die kommunalen Einnahmen seit Jahrzehnten bei weitem nicht hin, um eine Grundfinanzierung der soziokulturellen Einrichtungen zu gewährleisten, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit bietet. Während der letzten Jahre weisen die Leistungen unserer Mitgliedseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ große Zuwächse auf. Parallel dazu hat sich beim Bund und in den Ländern das Bewusstsein vertieft, dass Soziokultur eine unverzichtbare Rolle für das demokratische Gemeinwesen spielt und mit vereinten Kräften unterstützt werden muss. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen aber zum Teil sehr große Unterschiede. Es gab sie bereits während der „normalen“ Vor-Pandemiezeiten, und es gibt sie in den landespolitischen Reaktionen auf die aktuelle Krise. Erstmalig geben die Landesverbände einen Überblick über beides.
Teil 4: Bremen
- Nach langem Stillstand wurden mehr Mittel für Soziokultur in den neuen Haushalt eingestellt.
- Das Land legte Soforthilfen auf und richtete eine Taskforce der Kulturbehörde ein.
In Bremen ist die derzeitige Situation von der Haushaltsaufstellung nach der Wahl im letzten Jahr geprägt. Der Haushalt soll im Juni 2020 verabschiedet werden. Mit dem 2018 vorgestellten Kulturförderbericht, der in enger Kommunikation mit der Kulturszene der Stadt entwickelt wurde, ist ein wichtiger Grundstein für die Haushaltsverhandlungen gelegt worden. Die freie Szene wird stärker gefördert. Es sind höhere Projektmittel in den Haushalt eingestellt. Das wird die Situation der Einrichtungen in der Stadt stabilisieren und wieder Bewegungsspielraum in der freien Szene schaffen. Nach jahrelangem Stillstand, einer zusammengesparten kulturellen Infrastruktur und realen Kürzungen der Förderungen ist dies ein erster positiver Schritt.
Erhöht werden mit 5,2 Millionen Euro für das Jahr 2020 und 5,4 Millionen Euro für 2021 vor allem die konsumptiven Mittel im städtischen Haushalt, also das Geld, mit dem die kulturellen Institutionen dauerhaft gefördert werden. Der andere Teil der Mittel, je 3,3 Millionen Euro, wird für Tariferhöhungen benötigt.
Die aktuellen Planungen betreffen die Bereiche Stadtkultur, Museen und Theater/Tanz. Die Arbeit der Bürgerhäuser wird gestärkt und es wird mehr variabel einsetzbare Projektmittel geben. Auch die junge Szene und die Subkultur können sich auf mehr Unterstützung einstellen. Die Politik lobte den Einsatz der Kulturbehörde in den Haushaltsverhandlungen und hob die Wichtigkeit der Förderung von Kultur für eine lebendige Stadtgesellschaft hervor. In Bremen sind viele kulturelle Einrichtungen über einen Haushaltstitel institutionell gefördert.
Durch die Auswirkungen der Pandemie sind jetzt jedoch viele Einrichtungen gefährdet. Die Eigeneinnahmen (Ticketverkauf, Gastronomie, Kursgebühren, Teilnahmebeiträge) sind weggebrochen und die Mischfinanzierungen, in denen die meisten Einrichtungen agieren, sind plötzlich nicht mehr auskömmlich. Kurzarbeitergeld, Soforthilfeprogramme des Bundes und speziell vom Land Bremen aufgelegte Soforthilfen werden derzeit von allen gesichtet und beantragt. Auch die freien Künstler*innen der Stadt suchen nach Möglichkeiten für Soforthilfen und Unterstützung.
216 freie Kulturschaffende haben bis zum 2. Mai einen Zuschuss aus dem Sofortprogramm für Künstlerinnen und Künstler des Senators für Kultur erhalten. Die Taskforce der Kulturbehörde bewilligte Zuschüsse von rund 383.000 Euro. Der Bremer Senat hatte das mit insgesamt 500.000 Euro dotierte Programm am 31. März auf Vorschlag der Kulturbehörde auf den Weg gebracht. „Wir haben mit dem Sofortprogramm eine der Lücken in der bisherigen Architektur der Hilfsprogramme in Corona-Zeiten schließen können“, sagte Staatsrätin Carmen Emigholz. Anders als in anderen Förderflächen nimmt das Kulturressort keine weiterlaufenden Betriebskosten in den Fokus, sondern wegbrechende Einnahmen der Antragsteller*innen. Das Programm ist für diejenigen Künstler*innen gedacht, bei denen nicht die fortlaufenden Kosten bei fehlenden Einnahmen und ein daraus entstehender Liquiditätsengpass – wie im Bundesprogramm –, sondern allein die fehlenden Einnahmen das Problem sind. Derzeit stellen wir fest, dass sich in der Umsetzung des Programms noch Probleme ergeben. Wir kommunizieren sie mit der Kulturverwaltung.
Bremen unterstützt den Bundesratsantrag „Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativlandschaft in Deutschland sichern – Hilfen für Kulturschaffende und Kultureinrichtungen spezifisch und mittelfristig wirkend ausgestalten“, der sich zum Ziel setzt, die Existenz selbstständiger Künstler*innen zu sichern und weite Teile der Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft zu stützen.
Unsere Verbandsarbeit wird an die veränderten Bedingungen angepasst. Wir planen unsere Jahreshauptversammlung als Videokonferenz und hoffen, dass wir sie bis Ende Juni vielleicht (fast) normal durchführen können.
(Stand 20. Mai 2020)
Der Vergleich zwischen den Bundesländern ist in der Zeitschrift SOZIOkultur 2/2020 Lock’n’Roll erschienen.
Ein Vergleich zwischen den Bundesländern
Die Unterschiede bei den Förderbedingungen für die soziokulturelle Arbeit sind zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr groß. Die Corona-Krise hat diese Unterschiede noch einmal verdeutlicht.
Kultur gehört bekanntlich zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die deshalb auch durch die Kommunen zu finanzieren sind. Besonders in strukturschwachen Gebieten und in Problemquartieren von Großstädten reichen die kommunalen Einnahmen seit Jahrzehnten bei weitem nicht hin, um eine Grundfinanzierung der soziokulturellen Einrichtungen zu gewährleisten, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit bietet. Während der letzten Jahre weisen die Leistungen unserer Mitgliedseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ große Zuwächse auf. Parallel dazu hat sich beim Bund und in den Ländern das Bewusstsein vertieft, dass Soziokultur eine unverzichtbare Rolle für das demokratische Gemeinwesen spielt und mit vereinten Kräften unterstützt werden muss. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen aber zum Teil sehr große Unterschiede. Es gab sie bereits während der „normalen“ Vor-Pandemiezeiten, und es gibt sie in den landespolitischen Reaktionen auf die aktuelle Krise. Erstmalig geben die Landesverbände einen Überblick über beides.
Teil 3: Brandenburg
- Popularmusik und Festivals erleben einen Aufschwung.
- Viele Einrichtungen der Soziokultur befinden sich trotz Hilfen in ungewisser Situation.
Die LAG Soziokultur Brandenburg e.V. richtet sich seit 2018 neu aus und öffnet sich seitdem über das Projekt „Musicbase“ Akteuren und Verwertern der Popularmusik, inklusive der Festivals. In der Folge wurde die Geschäftsstelle über Landesfördermittel personell mit vier Teilzeitstellen aufgestockt. Neben und mit der Geschäftsführung sind momentan eine Projektleiterin und eine Referentin im Projekt „Musicbase“, eine Referentin für die Belange der Soziokultur und eine Sachbearbeiterin tätig. Der Geschäftsstellenhaushalt hat sich damit mehr als verdreifacht. Ebenfalls geändert haben wir die Satzung und den Namen der LAG in ImPuls Brandenburg e.V./Landesverband für Soziokultur, Popularmusik und Festivals. Während die Projektförderung des Landes für soziokulturelle Einrichtungen, Initiativen und Projekte in den letzten Jahren nicht signifikant erhöht werden konnte, wurde diese für Popularmusik und Festivals deutlich aufgestockt beziehungsweise erstmalig aufgelegt.
Auf Basis unserer Rahmenvereinbarung mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) Brandenburg wurde im Jahresgespräch 2019 mit der Kulturabteilung des MWFK Konsens darüber erzielt, im Zuge steigender Mitgliederzahlen die Landesförderung anpassen zu wollen. Seit dem Shutdown ab dem 11. März 2020 stellten wir die Arbeit in der Geschäftsstelle und in den Mitgliedseinrichtungen zügig auf Krisenbewältigungsstrategien um. In wöchentlichen Telefonkonferenzen der kulturellen Landesverbände mit der MWFK wurden zeitnah Maßnahmen diskutiert, die massive Schäden an der kulturellen Infrastruktur des Landes verhindern helfen sollen. Parallel wurden mit von der Geschäftsstelle initiierten Blitzumfragen zur aktuellen Situation in Einrichtungen unserer Praxisfelder relevante Daten abgefragt, hochgerechnet und gemeinsam mit dem Abteilungsleiter Kultur des MWFK Brandenburg analysiert. Zudem half der regelmäßige Austausch mit dem Bundesverband Soziokultur, dem Bundesverband Pop und der LiveKomm, nicht den Überblick über die bundesweit erforderlichen und realisierten Rettungsschirme zu verlieren. Nicht zuletzt waren und sind wir im engen Kontakt mit den kultur- und haushaltspolitischen Sprecher*innen des Landtags, um sie für die spezifischen Problemlagen in unserem Arbeitsumfeld zu sensibilisieren. In einem wöchentlichen Corona-Newsletter informieren wir über Ergebnisse der Gespräche mit Politik und Verwaltung, wichtige Maßnahmen, Förderprogramme aller Ebenen sowie Praxistipps.
Der Rettungsschirm des Landes Brandenburg wurde von ursprünglich 500 Millionen Euro auf zwei Milliarden Euro aufgestockt. Seit dem 29. März 2020 werden – neben dem Soforthilfeprogramm für Solo-Selbstständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen – aus diesen Mitteln 38,9 Millionen Euro für eine Corona-Kulturhilfe bereitgestellt, insbesondere für kommunale und gemeinnützige private Kultureinrichtungen und Projektträger, die als Teilausgleich von Einnahmeausfällen bis zu 50 Prozent für den Zeitraum vom 11. März bis zum 31. August 2020 verstanden werden.
In der Richtlinie zur Kulturhilfe wird darauf hingewiesen, dass sich der finanzielle Teilausgleich grundsätzlich und ausschließlich auf entstandene Einnahmeausfälle im „ideellen Zweckbetrieb“ bezieht. Insofern ist zu vermuten, dass diese Kulturhilfe soziokultureller Praxis nur bedingt und unzureichend gerecht werden wird. Unabhängig von den Hilfsprogrammen soll die bereits beantragte Projektförderung grundsätzlich fortgeführt werden, um eine existenzielle Gefährdung von Einrichtungen und Projekten zu verhindern beziehungsweise abzudämpfen. Da die entsprechenden Zuwendungsbescheide en gros noch auf sich warten lassen, bleibt abzuwarten, wie hier im Detail tatsächlich verfahren wird. Lobenswerterweise verknüpft das Land unter #KulturBB in Social Media veröffentlichte Inhalte auf der Metaplattform www.kultur-bb.digital. Das Tool hilft.
(Stand 20. Mai 2020)
Der Vergleich zwischen den Bundesländern ist in der Zeitschrift SOZIOkultur 2/2020 Lock’n’Roll erschienen.
Ein Vergleich zwischen den Bundesländern
Die Unterschiede bei den Förderbedingungen für die soziokulturelle Arbeit sind zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil sehr groß. Die Corona-Krise hat diese Unterschiede noch einmal verdeutlicht.
Kultur gehört bekanntlich zu den freiwilligen Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die deshalb auch durch die Kommunen zu finanzieren sind. Besonders in strukturschwachen Gebieten und in Problemquartieren von Großstädten reichen die kommunalen Einnahmen seit Jahrzehnten bei weitem nicht hin, um eine Grundfinanzierung der soziokulturellen Einrichtungen zu gewährleisten, die ein Mindestmaß an Planungssicherheit bietet. Während der letzten Jahre weisen die Leistungen unserer Mitgliedseinrichtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ große Zuwächse auf. Parallel dazu hat sich beim Bund und in den Ländern das Bewusstsein vertieft, dass Soziokultur eine unverzichtbare Rolle für das demokratische Gemeinwesen spielt und mit vereinten Kräften unterstützt werden muss. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen aber zum Teil sehr große Unterschiede. Es gab sie bereits während der „normalen“ Vor-Pandemiezeiten, und es gibt sie in den landespolitischen Reaktionen auf die aktuelle Krise. Erstmalig geben auf die Landesverbände einen Überblick über beides.
Teil 1: Baden-Württemberg
- Kommunale Förderung wird 2:1 vom Land bezuschusst.
- Trotz Soforthilfe sind vor allem Häuser mit hoher Eigenerwirtschaftungsquote gefährdet.
Die LAKS Baden-Württemberg e.V. handelte Mitte der 1980er Jahre mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) eine Förderung für die soziokulturellen Zentren aus. Wurden zunächst Ausstattungs- und Baumaßnahmen gefördert, kamen später die Bereiche Projekte und Laufende Programmarbeit (= institutioneller Zuschuss) hinzu. Die anvisierte Zwei-zu-eins-Förderung (kommunaler Zuschuss gemessen an Landeszuschuss) konnte jedoch aufgrund von Haushaltssperren und stagnierenden Mitteln jahrelang nicht erreicht werden. Erst mit dem Regierungswechsel 2011 von CDU/FDP hin zu Grüne/ SPD wurde sie umgesetzt. Steigende kommunale Förderung und der Aufbau neuer Zentren ließen den Förderbedarf seitdem immer weiter steigen, was das Land jedoch nicht in jedem Fall mittragen kann oder will. So wurden mit den neuesten Förderrichtlinien die Bau- und Projektmittel auf das Nötigste beschränkt und die Haushaltsmittel nur um die üblichen Inflationsraten erhöht.
Als die pandemische Ausbreitung des Coronavirus die deutschen Behörden zwang, den kulturellen Veranstaltungsbetrieb für unabsehbare Zeit stillzulegen, reagierten viele Zuwendungsgeber schnell und umsichtig: Neben einigen Kommunen zahlte auch das Land Baden-Württemberg vorzeitig Raten der für dieses Jahr geplanten Landesmittel aus. Positiv wirkt sich außerdem aus, dass die soziokulturellen Zentren Rücklagen in Höhe von bis zu 30 Prozent ihrer durchschnittlichen zuwendungsfähigen Jahresausgaben bilden dürfen. Diese Umstände haben in den ersten Wochen das Überleben gesichert. Und noch besteht auch die Hoffnung, dass die Landesmittel in der ursprünglich veranschlagten Höhe ausbezahlt werden. So wurden verwendungsrechtliche Richtlinien erarbeitet, die es erlauben – mit Verweis auf die Härtefallregelung –, Fördermittel auch dann nicht zurückzufordern, wenn der Förderzweck nicht oder nicht in vollem Umfang erreicht werden konnte. Aber wie viel Geld vom Land letztendlich wirklich an die Zentren ausbezahlt wird, werden wohl erst die nächsten Monate zeigen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern konnten die soziokulturellen Zentren vom ersten Tag an an der CoronaSoforthilfe des Landes und des Bundes partizipieren. Gemeinnützige Betriebe (auch rein ehrenamtlich geführte) sind antragsberechtigt, soziokulturelle Zentren wurden auf der betreffenden Website des MWK sogar explizit als beispielhafte Antragsteller aufgeführt. Auch dies ist ein Erfolg der Lobbyarbeit der letzten Jahre. Solo-Selbstständige, und somit auch Künstler*innen, dürfen einen Betrag von 1.180 Euro pro Monat als Unternehmerlohn ansetzen. Mittlerweile haben 19 Mitglieder der LAKS einen Antrag gestellt, 14 davon haben bereits Geld in einer Gesamthöhe von über 215.000 Euro erhalten. Und ganz aktuell stellte das MWK seinen Masterplan Kultur vor, der unter anderem einen Nothilfefonds sowie ein Impulsprogramm zur Förderung von ersten kleinen Veranstaltungen in Höhe von insgesamt 45 Millionen Euro umfasst.
Eine wichtige Scharnierfunktion nimmt dabei die LAKS-Geschäftsstelle ein: Sie versorgt ihre Mitglieder mit Informationen bezüglich der Hilfsprogramme, rechtlicher Sachverhalte oder Onlinekultur. Und gleichzeitig steht sie in ständigem Austausch mit dem MWK, den Verwaltungsbehörden und den Fraktionen, um auf die Situation der Zentren aufmerksam zu machen und am Diskurs über Exit-Strategien teilhaben zu können.
Trotz dieser vergleichsweise positiven Umstände stellt sich die aktuelle Lage in manchen Zentren dramatisch dar. Knapp die Hälfte der LAKS-Mitgliedszentren arbeitet mit hauptamtlichem Personal, das vielerorts in Kurzarbeit geschickt werden musste. Und gerade Häuser mit einer hohen Eigenfinanzierungsquote von 70–90 Prozent können ihre Fixkosten trotz aller Hilfsmaßnahmen aufgrund des Einnahmeausfalls nicht decken. Sie sind in absehbarer Zeit massiv in ihrer Existenz bedroht. Hier müssen auch für die nächsten sechs bis zwölf Monate Hilfspakete geschnürt werden. Die ersten Brandbriefe an Verantwortliche wurden bereits verschickt.
(Stand 20. Mai 2020)
Der Vergleich zwischen den Bundesländern ist in der Zeitschrift SOZIOkultur 2/2020 Lock’n’Roll erschienen.
Das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien verantwortete NEUSTART KULTUR-Programm für Corona-bedingte Umbaumaßnahmen läuft an: Für einen wichtigen Programmteil des Rettungs- und Zukunftsprogramms hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters erste Fördergrundsätze bekanntgegeben.
Das Programm NEUSTART KULTUR zielt auf einen Neubeginn des kulturellen Lebens in Deutschland in Zeiten von Corona und danach. Kultureinrichtungen in ganz Deutschland sollen bei der Wiedereröffnung ihrer Häuser und Wiederaufnahme ihrer Programme und Aktivitäten unterstützt werden. Dadurch soll neben der dringend notwendigen Wiedergewinnung eines vielfältigen Kulturangebots auch wieder eine Beschäftigungs- und Erwerbsperspektive für Kulturschaffende entstehen.
NEUSTART KULTUR unterteilt sich dabei in vier Programmteile, die in den kommenden Wochen veröffentlicht werden. Für den ersten Programmteil „Pandemiebedingte Investitionen in Kultureinrichtungen zur Erhaltung und Stärkung der bundesweit bedeutenden Kulturlandschaft“, stellt die Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters bis zu 250 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung.
Davon fallen bis zu 25 Millionen Euro in den Bereich der Kulturzentren, Literaturhäuser und soziokulturellen Zentren. Der Bundesverband Soziokultur wird den ersten Programmteil für diesen Bereich durchführen. Mit den Mitteln sollen insbesondere investive Schutzmaßnahmen umgesetzt werden, die in Folge der Einschränkungen im Rahmen der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie notwendig sind. Aber auch weitere zukunftsgerichtete Investitionen zur Stärkung der Attraktivität der Kultureinrichtungen bei Wiedereröffnung und Weiterbetrieb sind erklärtes Ziel der Förderung.
Die Gelder kommen Einrichtungen zugute, deren regelmäßiger Betrieb nicht überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert wird. Hier finden Sie die Fördergrundsätze (Link) des ersten Programmteils von NEUSTART KULTUR und hier ein Muster des Antragsformulars (Link).
Nähere Hinweise zur Ausschreibung finden Sie auf www.neustartkultur.de. Die Antragstellung ist für Kulturzentren, Literaturhäuser und soziokulturellen Zentren seit dem 1.9.2020 (online) möglich.
Lesen Sie hier die Pressemitteilung der BKM, Prof. Monika Grütters
In der Corona-Krise brechen Verteilungskämpfe auf, deren Ausmaß zwar vorstellbar, aber im Detail und in der Dimension noch nicht absehbar ist. Wir erleben eine Verschärfung und Zuspitzung gesellschaftlicher Probleme, die Strukturen sozialer Ungleichheit verfestigen sich. In Ländern, in denen es soziologische Studien zu den Folgen der Corona-Krise gibt, lässt sich beobachten: Je enger beispielsweise die Wohnverhältnisse, desto höher der Anteil der COVID-19- Infektionen; je weniger die Menschen verdienen, desto höher ist der Ansteckungsgrad (siehe Schlachthöfe).
Wir erleben eine Verschärfung und Zuspitzung gesellschaftlicher Probleme, die Strukturen sozialer Ungleichheit verfestigen sich.
Geflüchtete, Obdachlose, Leiharbeiter*innen – diejenigen, die in prekären Wohn- und Arbeitsverhältnissen leben, infizieren sich häufiger, die Ärmsten stecken sich am ehesten an. Was aber hat das mit der Kulturszene zu tun? Hier lässt sich wie im Brennglas die Auseinanderentwicklung der Gesellschaft beobachten. Die Festangestellten erhalten weiter ihre Gehälter, wenn auch teilweise in Kurzarbeit. Dagegen haben die in den Medien euphemistisch als „frei“ bezeichneten Musiker*innen und Künstler*innen, aber auch all die Kulturarbeiter*innen, die im Hintergrund wirken und ohne die keine Kulturveranstaltungen stattfinden könnten (von Bühnenarbeiter*innen und Techniker*innen bis zu Securityleuten oder Roadies), aufgrund der Corona-Pandemie von einem Tag auf den anderen ihre Arbeitsgrundlage verloren. Und wann der Kulturbetrieb wieder (wenigstens einigermaßen) regulär arbeiten kann, ist nicht absehbar. Das Gros der „freien“, also selbstständigen Kulturschaffenden lebt prekär. Das Durchschnittseinkommen aller Musiker*innen hierzulande beträgt laut KSK gerade einmal 14.628 Euro pro Jahr. Und für die meisten gehen die Einnahmen in der Pandemie gegen Null.
Das Gros der „freien“, also selbstständigen Kulturschaffenden lebt prekär.
Einige Bundesländer haben mit einer Corona-Nothilfe entgegengewirkt, insbesondere das Land Berlin, das bereits im März eine Art bedingungsloser Grundsicherung in Höhe von 5.000 Euro zur Verfügung gestellt hat. Die Bundesregierung hat die Zeichen der Zeit dagegen leider nicht erkannt. Es hat viel zu lange gedauert, bis den freien Kulturschaffenden in den Institutionen wenigstens eine marginale Ausfallgage von „bis zu“ 60 Prozent bei Gagen unter und „bis zu“ 40 Prozent bei Gagen über 1.000 Euro zugesichert wurde. Rätselhaft, warum nicht einfach die Regeln für Kurzarbeit angewandt wurden. Offensichtlich sind der Bundesregierung die Opernsänger*innen, Schauspieler*innen und Musiker*innen weniger wert als die Angestellten in anderen Branchen.
Die Förderung von Solo-Selbstständigen und kleinen Betrieben durch die Bundesregierung leidet unter mangelhafter Konzeption: Betriebskosten werden bezuschusst, eine pauschalisierte Hilfe zu den Lebenshaltungskosten dagegen wird ausgeschlossen. Damit läuft die Hilfe ins Leere. Leider hat die Bundesregierung diesen Denk- und Baufehler auch bei ihrem Konjunkturpaket nicht beseitigt – dort finden sich durchaus einige sinnvolle Fördermaßnahmen für die kulturelle Infrastruktur, die auch Clubs und soziokulturellen Zentren zugutekommen werden und dazu beitragen können, kulturelle Institutionen abzusichern und durch die Krise zu bringen. Individuelle Hilfen für Kulturschaffende fehlen allerdings komplett – Hunderttausende freiberufliche und solo-selbständige Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen werden weiterhin in die Grundsicherung geschickt, in eine Art Künstler*innen-Hartz-IV. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Bundesregierung zwar an die kulturellen Institutionen denkt, weniger aber an die Menschen, die diese Institutionen erst mit Leben füllen und die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft sichern.
Ein Meinungsbeitrag von Berthold Seliger aus der Zeitschrift SOZIOkultur 2/2020
Wir Akteur*innen der Soziokultur sind herausgefordert. Und zwar bis zum Anschlag unserer Kräfte. An unzähligen Orten lassen wir mit unseren Ideen und kreativen Aktionen Funken von Mut, Elan und Lebensfreude in die krisenbestimmten Alltage springen.
Dabei kämpfen wir um die Existenzen von Mitarbeiter*innen, Einrichtungen, Partnern und Netzwerken. Die Pandemie zeigt uns währenddessen in unerhörter Tiefenschärfe die Gefahren, die Absurditäten und die Widersprüche unserer gesellschaftlichen Seinsweise – jedoch auch Ansatzpunkte für mögliche positive Entwicklungen. Den Wirbel der Ereignisse spüren wir gleichzeitig als einen Moment des ruhelosen Innehaltens, der es uns erlaubt und der es uns abverlangt, darüber nachzudenken, in welche Richtungen wir künftig wachsen wollen.
Bestandsaufnahme harter Einsichten
Wir sind verletzlicher, als wir das vorher schon dachten. Die bereits vor der Pandemie vorhandenen Problemlagen und Konflikte waren nur vorübergehend in den Hintergrund getreten. Sie haben sich verschärft.
Existenzielle Unsicherheit prägt europa- und weltweit seit Langem das Leben großer Bevölkerungsgruppen, auch in Deutschland. Sie ist jetzt zur alles beherrschenden Kondition geworden. Dies nicht wegen des Virus selbst, sondern weil sich in seiner Folge zeigt: Die global und komplex interagierenden Kräfte lassen sich mit den geltenden Regeln nicht mehr in ihrer ohnehin fragilen Balance halten. Die multiple Systemkrise, vor der Wissenschaftler*innen und europäische Thinktanks seit Langem warnen, treibt ihrem kritischen Punkt zu. Selbst angesichts allein auf sich gestellter geflüchteter Kinder, die dem Virus in katastrophalen griechischen Lagern besonders schutzlos preisgegeben sind, hält sich die Empathie vieler europäischer Staatenlenker*innen strikt in den Grenzen ihrer jeweiligen Länder. Wo sie Bevölkerungsmehrheiten hinter sich wissen.
Wir sind verletzlicher, als wir das vorher schon dachten.
Die Aussicht auf einen moderaten endgültigen Brexit schwindet. Aus britischer Sicht stehen nun neben den Schuhen der EU auch die der Pandemie bereit, um dort die Schuld an den erwartbaren Folgen der harten Trennung hineinzuschieben. Die transatlantischen Beziehungen haben weiter gelitten. In Deutschland gibt es mehr als 150 Multimilliardär*innen. Allein die ersten hundert bringen es mit einem Privatvermögen von insgesamt mehr als 500 Milliarden Euro auf anderthalb Staatshaushalte. Im Unterschied zu den Millionen der geringer Betuchten zeigen sie wenig Hilfsbereitschaft. Das Packeis am Nordpol schmilzt. Irreversibel. Damit steigt der Meeresspiegel und nimmt über kurz oder lang den Bewohner*innen vieler dichtbesiedelter Küstengebiete ihre Heimat. Extremwetterlagen mit stark ungleich verteilten Regenmengen führen zum gleichen Effekt.
Verhaltensänderungen wie das Unterlassen von Konsum und Mobilität sollen und können den Klimawandel bremsen. Massenhaft vollzogen führen sie, wie der Shutdown zeigt, unmittelbar zum sozialen und ökonomischen Kollaps. Wir müssen anders über Nachhaltigkeit und unsere Zukunft nachdenken.
Primat des Politischen
Dynamisch oder kurz entschlossen sind nicht die Vokabeln, die uns zu unserem politischen System zuerst einfallen. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag es in der vollen Absicht der Besatzungsmächte wie der Verfasser des Grundgesetzes, in Deutschland zentrale Machtausübung zu begrenzen und ihre Geschwindigkeit zu drosseln. Wir sind aus guten Gründen Kummer mit der zähen Trägheit von Entscheidungsprozessen gewohnt.
Als die tödliche Gewalt der Pandemie sichtbar wurde, hat sich die Politik überraschend handlungsfähig erwiesen. Ihre Entscheidungsträger*innen setzten der komplexen Problemlage eine lösungsorientierte, politisch ressortübergreifende und wissenschaftsgestützte Arbeitsweise entgegen. Machtkalküle, Profilboosting und partikularer Interessenzentrismus erlebten eine kurze Schweigephase.
Wir nehmen für uns in Anspruch, Role Models und Energiequellen der Demokratie zu sein, also nehmen wir sie wahr.
Inzwischen überlagern Stellungsmanöver der Parteien und karrieregerichtete Attitüden von Spitzenpolitiker*innen für die nächsten Bundestagswahlen die rational abzuwägenden Aspekte des weithin ungewissen Krisengeschehens. Zudem ist der Kampf um die Verteilung der postepidemischen öffentlichen Mittel heiß entbrannt. Weil Entwicklungen sich in Krisen beschleunigen, wird es demnächst bei politischen Entscheidungen nicht mehr nur darum gehen, unter relativ gleichbleibenden Bedingungen ein Stück mehr oder weniger in die Richtungen der bekannten politischen Lager zu gehen, sondern um grundsätzliche Weichenstellungen mit großer Reichweite in die Zukunft. Deshalb müssen diese Entscheidungen auf einer breiten zivilgesellschaftlichen Debatte fußen. Es bleibt wenig Zeit. Für die Soziokultur als wichtiger zivilgesellschaftlicher Akteur bedeutet das: Verantwortung. Wir nehmen für uns in Anspruch, Role Models und Energiequellen der Demokratie zu sein, also nehmen wir sie wahr.
Empathie entwickeln
Die Pandemie legt die Hürden für das Gelingen einer breiten gesellschaftlichen Debatte noch einmal höher. Schon bevor sie ausbrach, hatten wir – siehe Ausgabe 1-20 – zu konstatieren: Die Digitalisierung und die Entwicklung künstlicher Intelligenz, die daraus rührenden Umbrüche in der Beschäftigungsstruktur, die kriegs-, armuts- und klimabedingten Wanderungsbewegungen wie der inzwischen auch hier spürbare Klimawandel werden zu einem Anstieg von Unsicherheiten, Ängsten und Konflikten führen. Nachdem die Voraussetzungen zur demokratischen Verhandlung von Konflikten sich seit Jahrzehnten verschlechterten.
Nun haben sich die globalen Lieferketten nicht nur als klimaschädlich, sondern auch als unzuverlässig erwiesen. Über die Tiefe der anrollenden Depression existiert mehr Furcht als Wissen. Die Ungewissheiten haben weiter zugenommen, mit ihnen die Ressentiments und Aggressionspotenziale. Wir erleben auf Corona-Demos Allianzen von Extremist*innen entgegengesetzter politischer Lager und Verschwörungstheoretiker*innen, die aus den Existenzängsten und Verlustgefühlen vieler Menschen kollektive Hysterie und zum Teil Gewalt generieren wollen. Politisch motivierte Straftaten nehmen zu. In dieser risikoreichen Situation braucht unsere Gesellschaft am dringendsten belastbare Empathie.
Voraussetzung dafür ist, die jeweils anderen nicht nur rational als Unseresgleichen zu bewerten, sondern sie als solche zu empfinden. Doch Studien kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass die Ressentiments aus ethnischem oder sozialem Überlegenheitsdünkel zunehmen. Hier können unsere Akteur*innen und Einrichtungen eine besondere Stärke einbringen. Kunst ist die intensivste, komplexeste und effektivste Weise gesellschaftlicher Kommunikation. Wir wenden uns mit ihren wunderbaren Möglichkeiten nicht nur an Publikum. Wir stellen nicht nur künstlerischen Karrierestarter*innen Experimentier- und Übungsräume zur Verfügung. Wir wenden uns an Teilnehmende und laden sie ein, sich auf künstlerische Weise selbst auszudrücken und die Welt zu erfahren – in ihren Nahbereichen, mit ihren unmittelbaren Mitmenschen, in ihren Alltagen. Genau dafür haben soziokulturelle Zentren unterschiedlichste Formate für alle Genres entwickelt. Ob in interkulturellen oder generationenübergreifenden Projekten oder solchen der Inklusion: Wir sehen überall mit unseren eigenen Augen, wie die Teilnehmenden sich über ihre kulturellen oder sozialen Unterschiede hinweg zueinander in Beziehung setzen. Wie sie sich miteinander an ihren Orten beheimaten, eben weil sie sich als Gleiche fühlen lernen. Genau das ist belastbare Empathie. Wo immer es uns möglich ist, sollten wir diese Formate weiterführen, ausbauen und erweitern.
Zivilgesellschaft und Debatte
Was die politische Aushandlung der unterschiedlichen Interessen betrifft, befinden wir uns nicht erst neuerdings in einer bedenklichen Situation. Bei Weitem nicht nur in der durch Social Media eskalierten Hasskultur besteht das Problem. Die Volksparteien, die Gewerkschaften und die Kirchen als große Institutionen der diskursiven Meinungsbildung haben einen langen Prozess ihrer grundsätzlichen Schwächung durchlaufen. Im öffentlichen Raum begegnen uns Bürgerinitiativen, Bewegungen und Lobbys, die auf punktuelle Ziele hinarbeiten oder partikulare Interessen verfolgen. Gerade jetzt erleben wir einen Chor aus Akteuren, die neben- oder gegeneinanderstehend alle „Wir fordern!“ rufen.
Die Zivilgesellschaft wird dringender denn je gebraucht.
Parallel dazu finden wir viele Engagierte, die sich in ihren Netzwerken im Bewusstsein gegenseitiger Verantwortung einbringen. Aber auch zu breite Bereiche, in denen die Demokratie zur Zuschauerdemokratie deformiert ist. Viel zu viele Menschen beobachten im Infotainment und der Presse die Performance bewusst konfrontierter Gegensatzpaare. Sie verleihen per Quote oder Wahl einem Favoriten oder einer Favoritin ihre Gunst und erwarten im Gegenzug, dass er oder sie „liefern“ möge. Wer hier den Anschein weckt, ein Problem lasse sich lösen, wenn man nur konsequent einen angeblichen Schuldigen bekämpft, hat besonders leichtes Spiel.
Die Zivilgesellschaft wird dringender denn je gebraucht. Doch die Strukturen ihrer mehr als 600.000 Organisationen stehen unter großem Druck. Sie finden im politischen Krisenmanagement zu geringe Berücksichtigung und sind ungenügend in die Entscheidungsfindungen einbezogen. Ein unendliches Aufgabenfeld. Die Frage ist: Was können wir jetzt und in absehbarer Zeit konkret tun? Unsere bisherige Entwicklung legt nahe, unsere Präsenz als Teilnehmer und Organisatoren der nötigen Diskussionen zu erhöhen. Am Rande all unserer Kurse, Workshops und sonstigen permanenten Angebote erleben wir den Austausch zu den brennenden Themen, besonders konzentriert in den unterschiedlichen Formaten der politischen Bildung und der aktuellen Debatte. Diese Formate sollten wir verstärken und weiter entwickeln, sie gegebenenfalls um Komponenten digitaler Kommunikation ergänzen. Dies kann ein Weg sein, um intelligent und beschleunigt deutlich stärkere Bürger*innen-Beteiligung zu erreichen. Dass es einen großen Bedarf daran gibt, zeigen nicht nur unsere eigenen wachsenden Teilnehmer*innen-Zahlen, sondern auch viele Initiativen für mehr Demokratie.
Wir vereinen Tausende hochgebildete und erfahrene Kulturakteur*innen, die sich dank ihrer Netzwerk- und Projektarbeit sehr gut in der Zivilgesellschaft auskennen. Gleichzeitig sehen wir die kommunale Ebene seit Jahren Mangel an guten Kulturpolitiker*innen leiden. Viele von uns sollten sich entschließen, für Stadt- und Gemeinderäte zu kandidieren, um dort die Belange und das Wissen aus dem Kulturbereich und der Zivilgesellschaft einzubringen.
Weitaus größer als in Deutschland fallen die Defizite an zivilgesellschaftlicher Mitwirkung in der Europäischen Union aus. Um uns hier einzubringen, können wir zum einen Kontakte zu Abgeordneten des Europäischen Parlaments nutzen und gemeinsam mit ihnen Projektideen entwickeln. Zum anderen engagieren wir uns im ENCC, dem europäischen Netzwerk von Kulturzentren. Bislang befasst sich das ENCC kaum oder nicht mit politischen Fragestellungen. Es ist Zeit, dass wir hier eine Debatte über demokratische Mitwirkung initiieren. Die Europäische Union hat die europäische Zivilgesellschaft bitter nötig für Schritte aus ihrer Krise.
Nachhaltigkeit neu denken
Die Menschheit fährt auf den Weltmeeren Waren hin und her zu letztlich keinem anderen Zweck, als sie möglichst schnell durch die nächste Produktgeneration zu ersetzen. Das ist an sich schon aberwitzig. Wir gehören seit Jahrzehnten zu denjenigen, die die damit verbundenen tödlich absurden Müllberge und Klimaschäden nicht tatenlos hinnehmen wollen. Wenn Fridays for Future verlangen: „Tut was!“, fühlen wir uns angesprochen und an ihrer Seite. Die meisten unserer Einrichtungen organisieren ihre eigenen Arbeitsprozesse zielstrebig sparsam und ressourcenschonend. Dieses Konsumverhalten wünschten wir uns bis vor Kurzem ganz selbstverständlich von allen. Der Shutdown zeigt nun: Was die Gesundung der Atmosphäre betrifft, wirkt Konsumverzicht tatsächlich eindrucksvoll reinigend. Er zeigt aber auch: Wenn die Leute nicht in die Läden gehen und viele unnötige Sachen kaufen, funktioniert unsere ganze Wirtschaftsweise nicht. Ausgebremster Konsum verursacht ökonomische und soziale Kollateralschäden, die die hochentwickelten Gesellschaften ihrerseits existenziell gefährden. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.
Im Kern kann es nicht darum gehen, dass – jedenfalls schlagartig – viel weniger produziert und konsumiert wird, sondern es muss darum gehen, dass dies auf andere Art und Weise geschieht. Es ist ja bei Weitem nicht so, dass Globalisierung gleichbedeutend sein muss mit Lohndumping, mit aberwitzig langen Wertschöpfungsund Lieferketten. Die technologischen und logistischen Voraussetzungen für flexible Kleinserienfertigungen, für Produktion on demand und damit für verbrauchernahe Herstellung sind längst vorhanden. Seit Unzeiten diskutieren wir über Glokalisierung und über regionale Wirtschaftskreisläufe. Aufgrund ihrer Pandemie-Erfahrungen beginnen Konzerne weit über die Pharmaindustrie hinaus, lange Lieferketten als Risiko zu betrachten. Es ist einiges in Bewegung. Wir selbst kennen aus unseren Orten eine große Anzahl sozial und ökologisch ambitionierter Firmen.
Vor fast genau einem Jahr nahm auf unserer UTOPOLIS-Konferenz ein Vertreter des UPJ – Netzwerk engagierter Unternehmen und gemeinnütziger Mittlerorganisationen – teil. Er sagte, wir mögen doch bitte die Unternehmen nicht nur als potenzielle Sponsoren, sondern auch als inhaltliche Partner sehen. Das war eine ernst gemeinte Einladung. Wir sollten sie dringend annehmen.
Die Einrichtungen der Soziokultur können eine Eigenerwirtschaftungsquote von 50 Prozent und darüber vorweisen.
Bislang nutzen unsere Einrichtungen bevorzugt die Erzeugnisse und Angebote regionaler Unternehmen. Eine Zusammenarbeit in gemeinsamen Projekten findet eher punktuell statt. Das mag auch daran liegen, dass manche unserer Akteur*innen die Wirtschaft als „das ganz Andere“ empfinden und sich in dem fremden Gelände zu unsicher fühlen, um sich Kommunikation auf Augenhöhe zuzutrauen. Dafür besteht kein Grund. Die Einrichtungen der Soziokultur können eine Eigenerwirtschaftungsquote von 50 Prozent und darüber vorweisen. Unsere inneren Abläufe genügen allen betriebswirtschaftlichen Maßstäben. Wir sind den Umgang mit Risiken gewohnt und bewirken durch hohe Effizienz mit unseren bescheidenen Mitteln große Effekte. In inhaltliche Kooperationen mit den Firmen unserer Kommunen und Regionen können wir auch deshalb durchaus selbstbewusst gehen.
Wege zu einer echten Leistungsgesellschaft
„Geld regiert die Welt“ ist nicht nur ein alter Spruch. Als unsere Urahnen in grauen Vorzeiten seine frühen Formen erfanden, war diese Welt noch übersichtlich. Man wusste voneinander, wie viel Muskelkraft, Hirnleistung und Nerven in die Waren investiert worden waren, die man mittels Geld gegeneinander tauschte. Es wog also die tatsächlichen menschlichen Leistungen gegeneinander auf. Davon sind wir nicht nur zeitlich, sondern auch faktisch weit entfernt.
Während der ersten Pandemiewochen haben sich auf den Bildschirmen und in den Zeitungen von Kranken- und Altenpfleger*innen über Lkw-Fahrer*innen, Paketzusteller*innen bis zum gastronomischen Servicepersonal all die Berufsgruppen abgelöst, die für harte Arbeit schlecht oder sehr schlecht bezahlt werden. Von den südosteuropäischen Erntehelfer*innen schweigen wir hier. Unterbezahlung wird zu Recht als faktische Geringschätzung der eigenen Leistung empfunden. In Deutschland gilt das für fast alle humanzentrierten Tätigkeiten. Auch für unsere.
In den letzten Jahren spüren wir als Verband […] zunehmend gewachsene Wertschätzung für unsere Arbeit.
In den letzten Jahren spüren wir als Verband, was kein Widerspruch ist, zunehmend gewachsene Wertschätzung für unsere Arbeit. Sie spricht aus dem permanent größer werdenden Zuspruch für unsere Angebote, aus den Partner*innen, die aufgrund unserer Kompetenzen und Zuverlässigkeit Kooperationen mit uns suchen. Es wird gewürdigt, dass wir für viele Menschen Chancen eröffnen, dass wir uns anstrengen, wo ansonsten fast nichts mehr gehen will, sei es in strukturschwachen, ländlichen Gebieten oder in Problemquartieren der Großstädte. Wir sehen das an den gestiegenen Fördersummen vom Bundaktuell besonders an der Kultur-Milliarde im Konjunkturpaket. Fast alle Länder bemühen sich ebenfalls sehr, auch die Soziokultur so gut es geht über die Krise zu bringen. Sie wenden dafür zum Teil beträchtliche Mittel auf. Die Bundesministerien und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien vertrauen uns große Aufgaben an – wie die Projekte „Jugend ins Zentrum!“, „UTOPOLIS – Soziokultur im Quartier“, „LAND INTAKT – Soforthilfeprogramm Kulturzentren“ und gerade jetzt NEUSTART, das Sofortprogramm für coronabedingte Investitionen in den Kulturbereich. Es wird uns helfen, etwas von unserem Investitionsstau abzubauen und Löcher unserer digitalen Ausstattung zu stopfen.
Bei all dem bleibt dennoch: Wir sind strukturell unterfinanziert und werden weiter um unsere Strukturen und Projekte ringen müssen. In den soziokulturellen Zentren arbeiten hochqualifizierte Mitarbeiter*innen und freie Partner*innen – die meisten unterbezahlt, oft unter prekären Bedingungen. Später werden auch sie sehr arme Rentner*innen werden. In Deutschland genügt es eben nicht, hochgebildet zu sein und engagiert zu arbeiten, um „es zu schaffen“. Die Soziokultur ist einer von vielen Bereichen, die das betrifft.
Bei all dem bleibt dennoch: Wir sind strukturell unterfinanziert und werden weiter um unsere Strukturen und Projekte ringen müssen.
Noch schwieriger wird es werden, uns auf neue Regeln zu einigen, nach denen wir die gesellschaftlich notwendigen Arbeiten und Leistungen künftig gegeneinander austauschen wollen.
Wir brauchen sie dringend und stehen damit nicht nur vor Verteilungsproblemen, sondern auch vor tiefgreifendem kulturellem Wandel. Am Ende müssen ja Menschen bereit sein, einen Teil der Ausgaben, die sie jetzt für Produktkonsum verwenden, stattdessen für humanzentrierte Leistungen aufzubringen. Mit dem Einkaufen von Dingen sind – besonders für weniger gut Situierte – wirkmächtige Illusionen verbunden. Es scheint dabei etwas übrig zu bleiben vom Geld, was man dann vorzeigbar hat, vielleicht sogar wieder veräußern und erneut zu Geld machen kann. Der Vorgang des Einkaufens selbst ist auch ein Substitut, eine Illusion tatsächlicher Teilhabe. Niedrigschwellige, haustürnahe Möglichkeiten echter Teilhabe und die Entwicklung neuer Vorbilder gehörten und gehören zu den Hauptmotiven, sich soziokulturell zu engagieren und Zentren zu gründen. Im notwendigen kulturellen Wandel gewinnt beides noch stärker an Gewicht.
Lösungen finden
Die Gesellschaft steht vor der Aufgabe, gleichzeitig die Folgen der Pandemiekrise zu bewältigen, die klimatischen und ökologischen Bedingungen für menschliches Leben auf der Erde zu erhalten und zu verbessern, die globalen Wirtschaftsgeflechte vernünftig zu gestalten und neue Regeln für den Austausch der gesellschaftlich notwendigen Leistungen und Arbeiten zu verabreden.
Wer als einzelner Mensch oder einzelne Gruppe von sich behauptet, allein zu wissen, wie das hinzukriegen ist, und dass er die Risiken und Nebenwirkungen seiner Ideen über blickt, der überschätzt sich entweder maßlos selbst oder führt Übles im Schilde.
Damit Lösungen gelingen können, müssen wir Grenzen des Denkens überspringen. Wir brauchen Synergien aus den Expertisen der unterschiedlichen Berufsgruppen, politischen Ressorts, Wissenschaftsdisziplinen und dem Erfahrungswissen der Bürger*innen.
In den Räumen der offenen gesellschaftlichen Debatte, für die wir uns stark machen, geht es also nicht nur darum, uns zu dem einen oder anderen Vorschlag eine qualifizierte Meinung zu bilden. Wir müssen die Lösungsvorschläge selbst gemeinsam entwickeln.
Es wird uns Kreativität und Kraft kosten. Mit unseren Prinzipien des Respekts und der Augenhöhe haben wir eine reale Chance, wichtige Beiträge leisten zu können. Unser Gebot der Stunde besteht darin, einen alten Ulkspruch mit dem Prinzip Hoffnung zu einem Motto zu verbinden:
Wir tun das uns Mögliche und vollbringen Wunder, täglich viele kleine.
Ein Beitrag aus der Zeitschrift SOZIOkultur 2/2020 von Ellen Ahbe, Georg Halupczok, Andreas Kämpf, Edda Rydzy und Margret Staal
In unmittelbarer Reaktion auf die Corona-Krise entstand die SOZIOkultur-Ausgabe “Lock’n’Roll”. Trotz des Lockdowns haben soziokulturelle Zentren schnell und kreativ auf die neuen Herausforderungen reagiert. Wie sah das konkret aus? Wie wurde und wird die Soziokultur in den einzelnen Bundesländern während der Krise und grundsätzlich gefördert?
Inhaltsverzeichnis der Ausgabe
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*Titelfoto: Tanztheater Erfurt: „Remise“ – Inszenierung im öffentlichen Raum © Tanztheater Erfurt e.V.
Jetzt ist Nachhaltigkeit noch eine Utopie; in Zukunft gelebter Konsens! Zwischen Mai 2018 und September 2020 entstehen bei Jetzt in Zukunft – einem aus den Mitteln des Fonds Nachhaltigkeitskultur des Rats für Nachhaltige Entwicklung geförderten Kooperationsprojekt des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim und der Bundesverband Soziokultur – praxisnahe Handlungsansätze nachhaltiger Entwicklung in der Soziokultur. Wie steht es aktuell um Nachhaltigkeit in soziokulturellen Zentren? Wie kann klimafreundlich veranstaltet werden? Und wie können Nachhaltigkeit sowie entsprechende Leistungen nicht nur Besucher*innen, sondern auch der Kulturpolitik oder der Öffentlichkeit kommuniziert werden? Diesen Fragen nähert sich Jetzt in Zukunft mit vielfältigen Formaten vom Workshop bis hin zur Evaluation.
Soziokulturelle Zentren sind schon längst auf dem Weg
Um eine Antwort vorwegzunehmen: Soziokulturelle Zentren befinden sich schon längst auf dem Weg. Diese Erkenntnis gewann Jetzt in Zukunft durch die statistische Erhebung des Bundesverbandes, mit der sie zweijährlich rund 600 soziokulturelle Zentren und Initiativen nach ihrer aktuellen Situation befragt. 2018 wurde die Statistik im Rahmen des Projektes um das Thema Zukunftsfähigkeit, synonym für Nachhaltigkeit, erweitert. 46 Prozent der Befragten gaben an, dass Nachhaltigkeit eine Rolle in ihrem Programm spielt, weitere 28 Prozent arbeiten darauf hin. Die genannten Beispiele reichen vom Repaircafé, über Upcycling-Kunst bis hin zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. In zahlreichen soziokulturellen Zentren bestimmt Nachhaltigkeit sowohl Struktur als auch Arbeitsprozesse. 44 Prozent nutzen Strom aus erneuerbaren Energien, weitere 22 Prozent streben das an und 27 Prozent haben in den letzten fünf Jahren eine Energieberatung durchgeführt. Ressourcenverbrauchsziele werden in 20 Prozent der soziokulturellen Einrichtungen verfolgt.
Die Ergebnisse der statistischen Erhebung zeigen, dass Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag also bereits eine große Rolle spielt.
Auf Fair Trade, Bio-Siegel und recycelbare Materialien achten bei der Beschaffung 68 Prozent. Knapp 90 Prozent der Zentren können mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden und gut 30 Prozent weisen auf ihren Websites auf die ÖPNV-Anbindung hin. Da die Zukunftsfähigkeit der Einrichtungen unmittelbar von der Kompetenz der Mitarbeiter*innen abhängt, bieten 74 Prozent vielfältige Fortbildungsmöglichkeiten an. 33 Prozent der soziokulturellen Zentren und Initiativen engagieren sich bewusst für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen. Verantwortliche Personen oder Arbeitsgruppen für das Thema Zukunftsfähigkeit gibt es bereits in 23 Prozent der befragten Zentren und weitere 27 Prozent planen mit der Einrichtung solcher Verantwortlichkeiten. Die Ergebnisse der statistischen Erhebung zeigen, dass Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag also bereits eine große Rolle spielt. Noch in diesem Jahr wird sich mit der kommenden Befragung zeigen, wie sich das Thema Nachhaltigkeit in der Soziokultur entwickelt.
Kriterien und Indikatoren für die Soziokultur
Die Fragen der statistischen Erhebung zur Nachhaltigkeit leiteten sich aus einem zuvor durchgeführten Workshop in Erfurt ab. Vertreter*innen der Landesverbände und Mitgliedseinrichtungen arbeiteten gemeinsam mit Expert*innen an Kriterien und Indikatoren, die eine zukunftsfähige Arbeitsweise in soziokulturellen Zentren abbilden und erfassbar machen sollten. Ziel dieses Workshops war es, den vom Rat für Nachhaltige Entwicklung publizierten Deutschen Nachhaltigkeitskodex an die spezifischen Anforderungen der Soziokultur anzupassen.
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex ist ein flexibles Instrument zur Berichterstattung über das eigene Nachhaltigkeitsverständnis und dessen Verankerung in Strategie und Arbeitsabläufen; über Ressourcenverbräuche, den Einfluss auf das Gemeinwesen und weitere Aspekte der Nachhaltigkeit. Ein auf die Soziokultur abgestimmtes Berichtssystem wäre auch als kulturpolitisches Instrument zu verstehen und könnte den soziokulturellen Zentren die Möglichkeit bieten, ihre vielfältigen Beiträge zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft gebündelt und einheitlich nach außen zu kommunizieren. Intern würde eine regelmäßige Berichterstattung außerdem dem Monitoring und Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie dienen können. Um die Kriterien und Indikatoren des soziokulturspezifischen Kodexes weiter auszuarbeiten, sollte im Mai 2020 ein zweiter Workshop folgen. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie ist allerdings noch ungewiss ob, wann und in welcher Form der Workshop realisiert werden kann.
Klimaverträgliches Veranstalten – Weimar 2019
Elementare Bestandteile von Jetzt in Zukunft – neben der Bestandsaufahme und der Kommunikation – sind die Praxis und die Bildung eines Netzwerks. Darum ging es im März 2019 zwei Tage lang in Weimar auf der Veranstaltung „Nachhaltige Kulturarbeit“. Während der erste Tag mit Vorträgen zu unterschiedlichen Aspekten nachhaltiger Kulturarbeit in das Thema einführte, wurde am Folgetag in kleinen Gruppen mit der Unterstützung von Expert*innen die Brücke zur praktischen Umsetzung geschlagen. Die erste Gruppe widmete sich der nachhaltigen Beschaffung. Der Markt an fairen und zukunftsfähigen Alternativen vieler Produkte und Dienstleistungen sei groß, so die Ausgangslage. Entscheidend sei also vor allem eine gezielte Marktanalyse, aber auch die Aufklärung der Mitarbeiter*innen über diese Alternativen. In der zweiten Gruppe wurde die Bildung für nachhaltige Entwicklung diskutiert und überlegt, wie Besucher*innen bzw. Teilnehmer*innen bestmöglich erreicht werden können. So müsse es immer darum gehen, individuell zu schauen, welche Methoden und Mittel für die jeweilige Zielgruppe angemessen sind. Oft sei schon das formlose Gespräch über Nachhaltigkeit ein guter Einstieg. Ein großes Problem dagegen sei, das globale und komplexe Spannungsfeld in lokales Handeln umzusetzen und dabei alles in eine pädagogische Praxis zu verpacken. Zu guter Letzt ging es in der dritten Gruppe um klimaneutrales Veranstalten. Im Kern wichtig seien immer die drei Schritte: vermeiden, reduzieren und kompensieren. In der Praxis zeigte sich jedoch schnell die große Herausforderung der Klimaneutralität. Ziel dieser Gruppe war es nämlich, die CO2-Emmissionen der Veranstaltung zu berechnen. Obwohl bei der Planung, Organisation und Durchführung der beiden Tage Klimaverträglichkeit bewusst fokussiert wurde, wäre eine echte Klimaneutralität nur durch das nachträgliche Pflanzen von fünf Bäumen gegeben gewesen. Ohne den letzten Schritt der Kompensation war die Veranstaltung somit eher klimafreundlich als –neutral.
Die Zwischenbilanz ist positiv
Ohne Zweifel kann Jetzt in Zukunft eine positive Zwischenbilanz bescheinigt werden. Auch wenn das Projekt sehr viele Bereiche berührt und diese im Rahmen der begrenzten Projektlaufzeit dadurch nicht in der vollständigen Tiefe bearbeiten kann, hat Jetzt in Zukunft bereits wichtige Prozesse angestoßen sowie dringende Bedarfe aufgedeckt. Der soziokulturspezifische Nachhaltigkeitskodex wird mit oder ohne den zweiten Workshop in einer Entwurfsfassung veröffentlicht, die es zunächst unbedingt in der Praxis zu erproben gilt. Die Veranstaltung „Nachhaltige Kulturarbeit“ in Weimar hat gezeigt, dass es in der Soziokultur einen großen Austauschbedarf und Wunsch nach Qualifizierung zum Thema Nachhaltigkeit gibt. Diese Erfahrung deckt sich auch mit den Ergebnissen der Statistik, die die nachhaltige Entwicklung soziokultureller Zentren in vollem Gange beschreibt – die Soziokultur hat bereits einen großen Schritt getan und will weitermachen! Nötig dafür ist letztlich eine gezielte Förderung.
Erschienen in: infodienst – Das Magazin für kulturelle Bildung Nr. 135
Die BKM gibt die Schließung des Pilot-Förderprogramms „NEUSTART – Sofortprogramm für Corona-bedingte Investitionen in Kultureinrichtungen“ bekannt.
Sechs Wochen lang war es möglich, über das Onlineportal Anträge für Corona-bedingte Maßnahmen zu stellen. NEUSTART wurde von Beginn an von den kleineren und mittleren Kultureinrichtungen sehr gut angenommen. Die meisten der zahlreichen Anträge können, so sie grundsätzlich förderfähig sind, auch tatsächlich gefördert werden.
Die Meldung der BKM im Wortlaut:
„Heute hat das Bundeskabinett unter dem Titel „NEUSTART Kultur“ die Eckpunkte eines „Rettungs- und Zukunftspakets Kultur“ beschlossen, für das insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden soll. Im Rahmen des Programmes sind auch überjährige pandemiebedingte Investitionen zur Erhaltung und Stärkung der Kultur vorgesehen. Entsprechende Informationen zu den Antragsmöglichkeiten und Fördervoraussetzungen werden nach Verabschiedung des Nachtragshaushalts zum Bundeshaushalt 2020 durch den Deutschen Bundestag und den Bundesrat, in dem auch die Mittel für das Kulturrettungspaket enthalten sind, Anfang Juli auf der Website der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) veröffentlicht.
Damit endet mit dem heutigen Tag das Pilot-Förderprogramm „Neustart“. Seit sechs Wochen war es möglich, über dieses Portal Anträge für Corona-bedingte Maßnahmen für das aus dem Haushalt der BKM bereits kurzfristig initiierte Sofortprogramm zu stellen, damit bedeutsame kleinere und mittlere Kultureinrichtungen ihre Häuser nach der pandemiebedingten Schließung zügig wiedereröffnen. Das Programm stieß auf eine überwältigende Nachfrage. Binnen weniger Tage wurden die zunächst zur Verfügung gestellten zehn Millionen Euro ausgeschöpft. Kulturstaatsministerin Grütters hat deshalb umgehend eine Erhöhung der Fördermittel aus ihrem Haushalt beschlossen und diese auf insgesamt 20 Mio. Euro verdoppelt. Davon wurden inzwischen bereits 11,5 Mio. Euro zugesagt, so dass fast 500 Kultureinrichtungen mit der Realisierung ihrer Vorhaben beginnen konnten. Insgesamt wurden im Rahmen dieses Pilotprogramms nahezu 1.400 Anträge eingereicht. Weitere Anträge für pandemiebedingte Investitionen sind im Rahmen dieses Sofortprogramms nun nicht mehr möglich. Mit Hochdruck werden derzeit alle bereits eingereichten Anträge bearbeitet und können, sofern sie die Fördervoraussetzungen erfüllen, voraussichtlich bewilligt werden. Für etwaige weitere Interessenten bietet das milliardenschwere Programm „NEUSTART Kultur“ neue Fördermöglichkeiten.“
Der Bundesverband Soziokultur e.V. ist der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ beigetreten und hat das Thema auf seine Agenda gesetzt. Der Verlust der Gemeinnützigkeit von DemoZ (Demokratisches Zentrum – Verein für politische und kulturelle Bildung e.V.) in Ludwigsburg hat viele soziokulturelle Zentren und Initiativen in den letzten Monaten alarmiert.
Yvonne Kratz, seit acht Jahren Teil des Organisationsplenums im DemoZ, hat ihre Sicht in der Zeitschrift SOZIOkultur 1/2020 in einem Artikel dargelegt. Überparteilichkeit und Offenheit seien eben nicht mit Werteneutralität zu verwechseln. Zudem solle der Verlust der Gemeinnützigkeit nichts am Programm ändern, das sei man dem eigenen Stolz schuldig. #DemoZbleibt lautet so auch die Parole des Zentrums. Gleichzeitig ist der kleine Verein, der rein ehrenamtlich betrieben wird, mit den landes- und bundesweiten (Presse-) Reaktionen stark gefordert, und der Rechtsstreit mit dem Finanzamt bindet eigentlich mehr Energie, als angesichts der inhaltlich zu leistenden Kulturarbeit bewältigt werden kann.
Beitritt zur Allianz
Auf der Suche nach Unterstützung sind das DemoZ und der Landesverband der LAKS Baden-Württemberg deshalb der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. beigetreten. Der Bundesverband hat in der Folge auf der Mitgliederversammlung in Kassel entschieden, der Vereinigung ebenfalls beizutreten. Mit diesem Schritt erhalten alle Mitglieder Material von der Allianz, um sich den Umgang mit dieser Thematik zu erschließen (siehe Argumentationsleitfaden Gemeinnützigkeit). Mit dem Beitritt ist der Bundesverband die erste bundesweit agierende kulturpolitische Organisation in der Allianz. Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz begrüßt die Unterstützung: „Soziokulturelle Zentren vereinen in ihrer Arbeit meist Bildung, Kultur und einen Anspruch auf Mitgestaltung der Gesellschaft, eine politische Haltung. Damit machen sie deutlich, dass politisch und gemeinnützig keine Gegensätze sind. Und damit sind die mehr als 660 soziokulturellen Zentren über ihren Bundesverband in der Allianz in guter Gesellschaft. Ich freue mich über diese klare Haltung!“
Auf die Frage, was das Ziel der gemeinsamen Arbeit sei, antwortete er: „Wir müssen für die Arbeit vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen, auch für soziokulturelle Zentren, Anerkennung und Rechtssicherheit schaffen. Das Attac-Urteil des Bundesfinanzhofs mit seiner rigiden Auslegung gefährdet Bildungs- und Kulturarbeit, wenn diese von einer klaren Haltung ausgeht oder sich einmischt. Also muss das Gesetz geändert werden, unter anderem mit Klarstellungen zu politischer Bildung und politischen Tätigkeiten für den gemeinnützigen Zweck. Die bundesweit verankerten soziokulturellen Zentren können dafür weitere Aufmerksamkeit und auch neue Zugänge schaffen.“
Engagement des Bundesverbandes
Anlässlich eines Fachgesprächs des Bundestagsunterausschusses „Bürgerliches Engagement“ zum Thema Gemeinnützigkeitsrecht haben sich Diefenbach-Trommer (der als Experte geladen war) und Ellen Ahbe, Geschäftsführerin des Bundesverbandes, im Paul-Löbe-Haus in Berlin getroffen.
Es gibt mittlerweile Signale aus den Finanzministerien, dass im laufenden Jahr keinen weiteren Vereinen die Gemeinnützigkeit entzogen wird. Nach einem Artikel der taz (die tageszeitung, 28.02.20) soll bis Ende 2020 das Gemeinnützigkeitsrecht überarbeitet werden. Die neuen Regelungen sollten nach Ansicht des Bundesverbandes die Zivilgesellschaft und damit eine lebendige Demokratie stärken und nicht schwächen. Die Zivilgesellschaft muss sich politisch positionieren dürfen!
Weitere Informationen: